854. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2009
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen zum Erlass einer Regelung auf europäischer Ebene zur Unterstützung des internationalen Kampfes gegen illegalen Holzeinschlag und den damit verbundenen Handel. Der Bundesrat begrüßt auch das Bestreben, die Bemühungen um freiwillige Partnerschaftsabkommen fortzusetzen. [Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit, den FLEGT-Aktionsplan der EU durch zusätzliche Maßnahmen zu stärken.]
- 2. Der Bundesrat unterstützt dabei die Initiative und den konkreten Vorschlag der Kommission zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags, da dieser weltweit in erheblichem Maße zur Entwaldung beiträgt und enorme Umweltschäden verursacht. Europäische Initiativen könnten hierbei eine weltweite Signalwirkung für andere Handelsregionen setzen.
- 3. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene Verordnung - wie zuvor die FLEGT-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 2173/2005 des Rates vom 20. Dezember 2005) - auf die Kompetenz in Artikel 133 EGV (Handelspolitik) und nicht auf Artikel 175 Absatz 1 EGV (Umwelt) gestützt werden sollte. Ziel der vorgeschlagenen Verordnung ist es, Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu verhindern. Daher sollte auch eine doppelte Rechtsgrundlage vermieden werden, um schon jetzt späteren Streitigkeiten über Wettbewerbsverzerrungen durch weitergehende Regelungen in einzelnen Mitgliedstaaten auf Grund des Artikels 176 EGV vorzubeugen.
- 4. Der Bundesrat hält den Verordnungsvorschlag jedoch für nicht ausreichend präzise und praktikabel.
- 5. Insbesondere hält er die Definitionen des Verordnungsvorschlags für zu unbestimmt. Demnach wären Marktteilnehmer diejenigen, die Holz und Holzerzeugnisse erstmalig auf dem Gemeinschaftsmarkt abgeben. Dies könnte so interpretiert werden, dass die Bearbeitung von Holz oder die Weiterverarbeitung von Holzerzeugnissen zu neuen Holzerzeugnissen führt, die eine eigene Legalitätsprüfung erforderlich machen. Es sollte deshalb das "in Verkehr bringen" als erstmalige Abgabe von Holz oder Holzprodukten auf dem Gemeinschaftsmarkt definiert werden.
- 6. Darüber hinaus ahndet die vorgeschlagene Verordnung den Verstoß gegen Umwelt- und Sozialrechtsvorschriften eines Herkunftslandes nicht.
- 7. Die weitreichenden - auch finanziellen - Auswirkungen des Verordnungsvorschlags auf alle Beteiligten sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum abzuschätzen.
- 8. Wesentliche Fragen sollen im Rahmen der im Komitologieverfahren von der Kommission zu erlassenden Durchführungsbestimmungen geregelt werden. Sollte der Ansatz der Sorgfaltspflichtregelung beibehalten werden, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass sowohl die Kriterien für die Risikobestimmung als auch die Verfahren und Maßnahmen als den eigentlichen Kernpunkten des Regelungsvorhabens nach Inhalt, Zweck und Ausmaß in der Verordnung selbst und nicht erst im Komitologieverfahren bestimmt werden.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission das vorgeschlagene Regelungsmodell (Option 5) keiner Folgenabschätzung unterzogen hat. Dies sollte nach Auffassung des Bundesrates nachgeholt werden.
- 10. Bereits die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro (UNCED) hat zur Lösung der globalen Umweltprobleme die Einleitung einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft gefordert. Die Rio-Beschlüsse wurden auf europäischer Ebene durch die "Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa" (MCPFE) 1993 in Helsinki und 1998 in Lissabon aufgegriffen und konsequent mit Kriterien, Indikatoren und Leitlinien für eine nachhaltige Forstwirtschaft unter europäischen Verhältnissen unterlegt.
- 11. In der Zwischenzeit haben sich in Deutschland auf dieser Grundlage umfangreiche, gut funktionierende Zertifizierungssysteme entwickelt. So sind derzeit über 70 % des deutschen Waldes zertifiziert. Die Zertifizierung der Waldbewirtschaftung gibt dem Verbraucher die Sicherheit, dass das gekaufte Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Über die Zertifizierung der Produktkette (Chain of Custody) können Unternehmen der Holz be- und verarbeitenden Industrie sowie der Groß- und Einzelhandel den Fluss des Holzes bereits heute transparent nachweisen.
- 12. In Deutschland spielt der illegale Holzeinschlag keine Rolle. Die gesetzlichen Standards im Bereich der Walderhaltung und der ordnungsgemäßen Waldbewirtschaftung sowie die Zertifizierungssysteme sind ein Garant für nachhaltige umweltverträgliche Forstwirtschaft.
- 13. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die geplante Einbeziehung von Marktteilnehmern innerhalb der EU, die Holz oder Holzerzeugnisse aus heimischer Erzeugung auf dem Gemeinschaftmarkt in Verkehr bringen, einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand für die Waldbesitzer sowie für zusätzlich zu errichtende Überwachungsorganisationen und Kontrollbehörden nach sich ziehen würde. Dies hätte zur Folge, dass in Deutschland rd. zwei Mio. Waldbesitzer beim Verkauf ihres Holzes die Vorgaben der Sorgfaltspflichtregelung zu beachten hätten.
- 14. Der Bundesrat zeigt sich besorgt über den mit dem Verordnungsvorschlag voraussichtlich einhergehenden Verwaltungsaufwand. Dieser wird insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben zu zusätzlichen Bürokratiekosten führen. Nach Auffassung des Bundesrates muss der Verwaltungsaufwand aber in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Ferner ist zu vermeiden, dass neben den bereits bestehenden nationalen Regelungen doppelte Strukturen geschaffen werden, die im Widerspruch zu den einschlägigen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten stehen.
- 15. Der Bundesrat fordert, dass Holz, das z.B. nach PEFC, FSC und anderen für nachhaltige Waldbewirtschaftung anerkannten Zertifikaten zertifiziert worden ist, allgemein als legal im Sinne des Verordnungsvorschlags gelten soll, und dass dafür keine zusätzliche Sorgfaltspflichtregelung erforderlich ist.
- 16. Der Bundesrat fordert weiter, dass akzeptiert wird, dass das nach bestehenden anerkannten Zertifikaten zertifizierte Holz für nachhaltige Waldbewirtschaftung allgemein die Sorgfaltspflichtregelungen nach Artikel 4 erfüllt.
- 17. Damit werden anerkannte Zertifizierungsstandards auf nationaler und internationaler Ebene weiter gestärkt. (bei Annahme entfällt Ziffer 18)
- 18. Damit wäre eine weitere Stärkung der anerkannten Zertifizierungsstandards auf nationaler und internationaler Ebene verbunden. (entfällt bei Annahme von Ziffer 17)
- 19. Der Bundesrat spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass entsprechende Erleichterungen auch auf Holz Anwendung finden sollen, das nach bereits von den Unternehmen etablierten Systemen wie z.B. dem "Code of Conduct" des Verbands der Europäischen Papierindustrien (CEPI) geprüft wird. Auf weitere Nachweise sollte bei entsprechend zertifizierten Hölzern verzichtet werden.
- 20. Es muss ausgeschlossen werden, dass nach hohen deutschen Standards arbeitende Forstbetriebe zusätzliche Nachweispflichten erbringen müssen. Um übermäßigen Bürokratieaufwand zu vermeiden, sollte zudem die Sorgfaltspflichtregelung erst ab einer Bagatellgrenze gelten.
- 21. Außerdem kann jeder Marktteilnehmer nach Artikel 3 eigene Sorgfaltspflichtregelungen neben den Zertifizierungsüberwachungsunternehmen treffen. Dadurch wird es vermutlich eine Vielzahl von Standards geben. Die Überwachung der unterschiedlichsten Einzelstandards wird einen nicht unerheblichen Mehraufwand mit sich bringen. Daher ist diese Möglichkeit der Einzelstandards abzulehnen.
- 22. Der Bundesrat stellt klar, dass die gesetzlichen Vorgaben der Waldgesetze des Bundes und der Länder und deren Überwachung durch die flächendeckende hoheitliche Tätigkeit der Forstbehörden die Legalität und Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung durch die Waldbesitzer sicherstellen und damit gesonderte Überwachungsmaßnahmen entbehrlich sind.
- 23. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene sicherzustellen, dass Holz aus Deutschland dem Holz aus FLEGT- oder VPA-Ländern gleichgestellt wird und damit als aus legalem Einschlag stammend gilt.
- 24. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung auf alle holzbasierten Produkte, einschließlich Energieholz, sowie auf importierte Fertigerzeugnisse, z.B. im Papierbereich, ausgeweitet wird. Diese Erzeugnisse würden andernfalls in nicht gerechtfertigter Weise mit einheimisch produzierten Gütern konkurrieren. Nach Auffassung des Bundesrates ist es nur so möglich, faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen.
- 25. Ferner sollen nach Artikel 13 die einzelnen Mitgliedstaaten die Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen gegen die Verordnung festlegen. Damit kann jeder Mitgliedstaat eigene ganz unterschiedliche Maßstäbe für die Sanktionierung vornehmen. Hier ist zu klären, wie mit größeren Marktteilnehmern umzugehen ist, die in mehreren Mitgliedstaaten der EU Handel treiben und gegen die Verordnung verstoßen.