Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei des Freistaats Thüringen
Erfurt, 10. Juni 2014
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung des Freistaats Thüringen hat beschlossen, dem Bundesrat die anliegende Entschließung des Bundesrates zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und barrierearmem Wohnraum in vom demografischen Wandel besonders betroffenen Gebieten zur Beratung zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der 923. Sitzung des Bundesrates am 13. Juni 2014 zu setzen. Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Gnauck
Entschließung des Bundesrates zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und barrierearmem Wohnraum in vom demografischen Wandel besonders betroffenen Gebieten
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass ohne eine weitreichende energetische Sanierung der Bestandsgebäude die angestrebte Einsparung von 80 % des Primärenergieverbrauchs bis 2050 nicht erreichbar ist.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Sanierungsrate von Bestandsgebäuden und damit die Energieeffizienz gesteigert werden muss, um die mittel- und langfristigen Ziele der Energiewende im Gebäudebestand zu erreichen. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz müssen sich an den Prinzipien Wirtschaftlichkeit und Technologieoffenheit sowie am Prinzip der Freiwilligkeit orientieren, sofern sie nach den geltenden Gesetzen und Rechtsverordnungen nicht bereits verpflichtend vorgeschrieben sind. Um die angestrebte Erhöhung der Quote energetischer Sanierungsmaßnahmen insbesondere in Regionen, die vor besonderen demografischen Herausforderungen stehen, zu erreichen, sind zusätzliche Instrumente zur Erhöhung der Sanierungsbereitschaft von Privateigentümern, Investoren und Wohnungsunternehmen nötig.
- 3. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Förderung von Sanierungsmaßnahmen durch einen Sanierungsbonus grundsätzlich ein geeignetes Mittel ist, gezielte Anreize zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und barrierearmem Wohnraum zu schaffen.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf,
- - die bestehenden Förderinstrumente zur Unterstützung von Investitionen zur Verbesserung der Energieeffizienz in für Wohnzwecke genutzten Bestandsgebäuden mit Blick auf die angestrebten mittel- und langfristigen Energieeffizienzziele zu evaluieren,
- - bis Ende 2014 einen Vorschlag für ein umfassendes Anreizprogramm zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und barrierearmem Wohnraum, insbesondere zur Umsetzung und Ausgestaltung eines Sanierungsbonus, vorzulegen,
- - weitere Maßnahmen zu prüfen, die geeignet sind, den auf dem demografischen Wandel beruhenden Problemen im Immobilienbereich, wie Leerstand und Verfall insbesondere im ländlichen Raum entgegen zu wirken.
Begründung:
Zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele ist die Hebung von Energieeffizienzpotenzialen im Gebäudebereich von herausragender Bedeutung. Der Effizienzstandard für Gebäude muss kontinuierlich verbessert werden - sowohl für Neu- als auch für Bestandsbauten. Ohne eine weitreichende energetische Sanierung der Bestandsgebäude ist die angestrebte Einsparung von 80% des Primärenergieverbrauchs bis 2050 nicht erreichbar. Die Sanierungsrate von Bestandsgebäuden lag in den vergangenen Jahren unter dem für eine umfassende Energiewende notwendigen Niveau. Es ist absehbar, dass insbesondere in Regionen, die vor besonderen demografischen Herausforderungen stehen, ohne zusätzliche Anreize die Bereitschaft von Privateigentümern und Investoren zu Investitionen in die energetische Sanierung nicht steigen wird.
Angesichts des in vielen Regionen anhaltenden demografischen Trends der Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung muss außerdem dafür Sorge getragen werden, dass neben dem städtischen auch der ländliche Raum sowohl für ältere als auch jüngere Generationen attraktiv bleibt. Die Stärkung der Wohnungseigentumsbildung sowie die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Wohnfunktion von leerstehenden Immobilien durch geeignete Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ist dabei besonders wichtig. Die Unterstützung von privaten Sanierungsinvestitionen ist auch zur Sicherung einer nachhaltigen Gemeindeentwicklung im ländlichen Raum geeignet.
Um den Herausforderungen des demografischen und energetischen Wandels wirksam zu begegnen, müssen Anreize zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und Barriere armem Wohnraum in vom demografischen Wandel besonders betroffenen Regionen geschaffen werden. Auf der 124. (Sonder-) Bauministerkonferenz am 22. März 2013 in Berlin haben sich die Bauminister der Länder einstimmig für die Schaffung zusätzlicher Anreize für Investitionen in den Wohnungsbau in vom demografischen Wandel besonders betroffenen Gebieten ausgesprochen. Das im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode vereinbarte Instrument des Sanierungsbonus ist dafür grundsätzlich ein geeignetes Mittel. Mit einem Sanierungsbonus können gezielte Anreize zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und barrierearmen Wohnraum in vom demografischen Wandel besonders betroffenen Gebieten gesetzt werden.
Durch die gezielte Förderung soll zum einen dem Verfall von Gemeinde- und Stadtzentren durch Sanierung von leer stehenden oder stark sanierungsbedürftigen Immobilien entgegengewirkt werden. Damit wird unmittelbar die Beseitigung städtebaulicher Missstände unterstützt. Zum anderen sollen Anstöße gegeben werden, den Erwerb einer innerörtlichen Bestandsimmobilie und die Schaffung von selbst genutztem Wohnraum zu realisieren und damit zusätzlichen Flächenverbrauch zu verhindern. Die innerörtliche Entwicklung kann gestärkt und der Flächenverbrauch reduziert werden.
Um die Maßnahmen nachhaltig und zukunftsorientiert umzusetzen, sollen zum einen die energetische Sanierung sowie zum anderen der umfassende barrierefreie bzw. behindertengerechte Umbau angeregt werden. Die Förderung des Barriereabbaus bei der Schaffung oder Sanierung von Wohnraum ermöglicht einen möglichst langen Verbleib der Bewohner in der gewohnten Umgebung.
Zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse sind darüber hinaus weitere Maßnahmen zu prüfen, um Leerstand und Verfall insbesondere im ländlichen Raum zu begegnen. Der Revitalisierung der Ortskerne und der Umnutzung und Modernisierung von Bestandsimmobilien kommt hierbei eine große Bedeutung zu, damit die Lebensqualität im ländlichen Raum erhalten bleiben kann.