Der Bundesrat hat in seiner 841. Sitzung am 15. Februar 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
I.
- 1. Der Bundesrat begrüßt die mit der Mitteilung verbundene Zielsetzung, die Entwicklung der Energietechnologie als tragende Säule der europäischen Energie- und Klimapolitik voranzutreiben.
- 2. Der Bundesrat begrüßt angesichts der zu erwartenden dramatischen Folgen des Klimawandels außerordentlich den europäischen Strategieplan für Energietechnologie (SET-Plan) und damit den Vorschlag der Kommission, eine Maßnahme zur strategischen Planung des Übergangs zu hocheffizienten kohlendioxidemissionsarmen Energiesystemen/-technologien einleiten zu wollen.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission mit dem SET-Plan versucht dort anzusetzen, wo große Potentiale für eine Reduzierung von CO₂-Emissionen liegen.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,
- - die EG dahingehend aktiv zu unterstützen, dass der SET-Plan schnellstmöglich umgesetzt wird,
- - sich aktiv in dem Prozess der Bündelung der einzelstaatlichen Ressourcen auf dem Energie- und Forschungssektor zu einem gemeinschaftlichen Forschungspool für den Energiesektor einzusetzen,
- - weiterhin Anreize zur verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien zu schaffen und Mittel zur Stärkung der Forschung einzusetzen sowie
- - die Erarbeitung der europäischen Industrie-Initiative aktiv zu unterstützen.
- 5. Der Bundesrat verweist jedoch zugleich auf den Grundsatz der Forschungsfreiheit und betont, dass Wettbewerb in der Forschung ein unverzichtbares Element kreativen Fortschritts ist.
- 6. Der Bundesrat stellt allerdings auch fest, dass es bei der Auswahl der Technologiebereiche, in denen Industrie-Initiativen entwickelt werden sollen, an einer nachvollziehbaren Begründung mangelt. So sind für einzelne, für den Klimaschutz überaus bedeutsame Bereiche, wie Speichertechnologien und Endenergieeffizienztechnologien, keine Industrie-Initiativen vorgesehen.
Für die Bereiche Fotovoltaik und Bioenergie erscheint fraglich, ob europäisch abgestimmte, großmaßstäbliche Demonstrationsmaßnahmen zielführend sind. Mit dem EEG in Deutschland und mit ähnlichen Instrumenten in anderen Mitgliedstaaten ist man den angestrebten Zielen (Markteinführung, Preissenkung) deutlich näher gekommen.
- 7. Die Abgrenzung der vorgeschlagenen Technologiebereiche zu den Themenbereichen des 7. Forschungsrahmenprogramms bleibt unklar. Eine Konkurrenz der Programme ebenso wie eine schrittweise Aushöhlung des 7. Forschungsrahmenprogramms müssen vermieden werden. Eine nachvollziehbare Abstimmung mit weiteren Gemeinschaftsprogrammen (z.B. der Strukturförderung) ist nicht zu erkennen, obwohl ihre Nutzbarmachung für die Zwecke des SET-Plans explizit angesprochen wird.
- 8. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass, neben der Steigerung der Energieeffizienz und der Nutzung aller Möglichkeiten zum Energiesparen, der Nutzung erneuerbarer Energiequellen und hierbei im Besonderen der energetischen Nutzung von Biomasse eine besondere Bedeutung zur künftigen Energieversorgung zukommt.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den Verhandlungen zur Ausgestaltung der Initiative "Bioenergy Europe" die Länder frühzeitig und intensiv einzubinden, um regionale Fehlentwicklungen und eine Verschärfung von Flächennutzungskonflikten zu vermeiden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung des Weiteren, darauf zu achten, dass bei der Schwerpunktsetzung auf Biokraftstoffe der nächsten Generation im Rahmen einer allgemeinen Strategie zur Nutzung von Bioenergie ein besonderes Augenmerk auf das Erreichen einer positiven Energie- und Ökobilanz sowie auf höhere CO₂-Minderungseffekte als die von Biokraftstoffen der ersten Generation gelegt wird.
Begründung zu den Ziffern 2, 4 und 8:
Die aktuellen Tendenzen zeigen, dass die energiepolitischen Ziele der EU wohl nicht erreicht werden und ein Land allein dies nicht erreichen kann.
Angesichts der rasanten Klimaveränderungen ist der Anstoß für eine neue Politik der kohlenstoffarmen Technologien zu begrüßen und zu unterstützen.
Die Ausstattung auf dem Sektor Energie für die Entwicklung von Energietechnologien ist nicht ausreichend. Die kritische Masse für notwendige Investitionen im Energiebereich, um eine neue Technologiegeneration (kohlenstoffarm) zu entwickeln, kann nur durch die Bündelung aller Kräfte auf nationaler, europäischer und globaler Ebene erreicht werden.
Einzelne Mitgliedstaaten oder das Modell der europäischen Kooperationsforschung können die Kosten und Risiken hierfür nicht abdecken und beherrschen. Die Folge wären Technologieimporte, die die Abhängigkeit der EU erhöhen und wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen würden.
Eine Bündelung ist zu unterstützen, da gerade der Innovationsprozess im Energiesektor durch einzigartige strukturelle Schwächen gekennzeichnet ist (jahrzehntelange Vorlaufzeiten bei Innovationen, die Dimension der notwendigen Investitionen, technologische und ordnungsrechtliche Trägheit der bestehenden Systeme).
Die notwendig zu ergreifenden Maßnahmen, um die Klimafolgen einzugrenzen, sind heute wesentlich kostengünstiger als zu späteren Zeitpunkten.
Der Bereich "Ausbau des Anteils der Biomasse am Energiemix" ist ein wesentlicher Bestandteil, um die nationalen und europäischen Klimaschutzziele zu erreichen, kann aber zum jetzigen Zeitpunkt allein nicht die ehrgeizigen Ziele erreichen. Die Industrie-Initiative für die "Bioenergy Europe" führt zum Einsatz von Biokraftstoffen der zweiten Generation und damit zu höherer Energieeffizienz im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe und erneuerbarer Energien. Dies soll von Beginn an als Ziel mitformuliert und die Entwicklungen entsprechend begleitet werden.
- 9. Der Bundesrat bedauert, dass die wichtige Frage der Finanzierung in dieser Mitteilung ausgeklammert und auf einen späteren Zeitpunkt vertagt wird. Die Frage nach der Bedeutung und Bewertung der Inhalte der Industrie-Initiativen lässt sich nicht ohne die Frage ihres finanziellen Bedarfs und ihrer Ausstattung beantworten. Insbesondere hängt damit die Frage zusammen, wo und in welchem Umfang Mittel aus anderen Gemeinschaftsprogrammen abgezogen werden, ob die Mitgliedstaaten oder/und die Industrie/Wirtschaft zusätzliche Mittel aufbringen sollen oder wie die Finanzierung sonst gesichert werden kann. Finanzielle Entscheidungen haben Auswirkungen auf Umfang und Inhalt der Initiativen und ggf. auch auf andere Gemeinschaftsprogramme (u. a. 7. Forschungsrahmenprogramm, Rahmenprogramm Wettbewerbsfähigkeit und Innovation), die dann ggf. zu prüfen wären.
II.
- 10. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei der weiteren Behandlung des "Strategischen Plans für Energietechnologien" insbesondere in Zusammenhang mit der Entscheidung über die Finanzierung auf folgende Gesichtspunkte hinzuwirken:
- 11. Es sollte klarer herausgestellt werden, welche Kriterien zur Auswahl der Industrie-Initiativen und welche Analysen und Studien für den Ansatz und die Ziele des SET-Plans zugrunde gelegt wurden. Die allgemeine Feststellung unzureichender Marktnachfrage und mangelnder Geschäftsmöglichkeiten muss in einzelnen Fällen bestritten werden. Es ist notwendig, dass die Maßnahmenvorschläge der Kommission technologiescharf erfolgen.
- 12. Große Demonstrationsmaßnahmen sollten sich auf strategische Initiativen mit eindeutigem europäischen Mehrwert, wie z.B. die Entwicklung und Erprobung der CCS-Technologie, konzentrieren. Die Markteinführung von Technologien, die die Mitgliedstaaten mit eigenen bewährten Instrumenten vorantreiben können, wie z.B. die Fotovoltaik, Bioenergie und Windenergie (Onshore), bedarf keiner europäischen Initiative.
- 13. Der Technologiebereich Brennstoffzelle sollte über den Anwendungsbereich Transport hinaus breiter angelegt werden, z.B. bei portablen Anwendungen und im stationären Bereich. Aufgrund der hohen Wirkungsgrade werden auch große Vorteile im Einsatzfeld der Kraftwärmekopplung erwartet. In der Kombination mit dem Thema Wasserstoff oder wasserstoffreiche Fraktionen ist das Potential für eine großmaßstäbliche Demonstration vorhanden.
- 14. Für die Entwicklung und Demonstration der Speichertechnologien sowohl bei Wärme/Kälte als auch bei Strom sollte der Zielzeitraum bereits bei 2020 liegen, da die Entwicklungs- und Einsatzmöglichkeiten anderer Technologien auf die Entwicklungen in der Speichertechnologie angewiesen sind.
- 15. Die Kommission soll die finanziellen Auswirkungen der einzelnen Elemente des SET-Planes offenlegen. Dabei soll sichergestellt werden, dass das 7. Forschungsrahmenprogramm sowie das Rahmenprogramm Wettbewerbsfähigkeit und Innovation im vorgesehenen Umfang und Zeitrahmen durchgeführt werden.
- 16. Da kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine wichtige Rolle bei der Technologieentwicklung spielen, sollen im SET-Plan die gezielte Einbeziehung von KMU sowie Unterstützungsmöglichkeiten für diese thematisiert werden.
- 17. Die Einflussnahme der Mitgliedstaaten auf Industrie-Initiativen, Technologie-Plattformen und andere Maßnahmen muss inhaltlich und in Bezug auf die Vertretung in den Lenkungsgremien sichergestellt sein.