Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Berlin, 7. September 2018
Parlamentarischer Staatssekretär
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
namens der Bundesregierung übersende ich Ihnen in der Anlage die Antwort der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates vom 31. März 2017 zur 9. GWB-Novelle (BR-Drucksache 207/17(B) ).
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Wittke
Antwort der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates zur 9. GWB-Novelle (BR-Drucksache 207/17(B) )
1. Ausnahme vom Kartellverbot im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks
Seit dem Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle sind beim Bundekartellamt keine Verfahren gegen öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten wegen des Verbots wettbewerbsbeschränkender Absprachen geführt worden. Es gab einige Fusionskontrollverfahren, etwa in den Bereichen Radio bzw. Produktions- und Rechteverwertungsunternehmen, die alle in der ersten Phase vom Bundeskartellamt freigegeben worden sind. Die zuständigen Beschlussabteilungen haben auch mit Vertretern der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten auf allgemeiner Ebene Gespräche über kartellrechtlich zulässige Kooperationsmöglichkeiten geführt.
Aus Sicht des BMWi ergibt sich aus der Anwendungspraxis beim Bundeskartellamt kein Bedarf für eine Ausnahme vom Kartellverbot im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Das Kartellrecht steht den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nicht entgegen.
2. Marktmacht im Lebensmitteleinzelhandel
Das BMWi beobachtet die Entwicklung der Marktverhältnisse im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) aufmerksam und sieht nach verschiedenen Entwicklungen in den Bereichen Gesetzgebung und Anwendungspraxis derzeit keinen Bedarf zum Erlass neuer oder zur Änderung bestehender Regelungen.
2.1. Erkenntnisse zu den Marktverhältnissen beim LEH in Deutschland
Der LEH in Deutschland ist ein sehr konzentrierter Markt. Die vier großen Handelskonzerne EDEKA, Rewe, Aldi und die Schwartz-Gruppe (Lidl, Kaufland) vereinen rund 85% des deutschlandweiten Absatzmarktes und bestimmen dadurch maßgeblich die Wettbewerbsbedingungen im LEH. Die Ende 2014 abgeschlossene Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zum LEH hat gezeigt, dass die Frage des Umfangs von Nachfragemacht der Handelsunternehmen und dessen ggf. kartellrechtliche Relevanz nicht pauschal beantwortet werden kann, sondern immer eine konkrete Einzelfallprüfung notwendig ist.
2.2. Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts in der Anwendungspraxis
Die Anwendungspraxis des Bundeskartellamts gewährleistet einen wirksamen Schutz vor der missbräuchlichen Ausnutzung von Nachfragemacht und entfaltet darüber hinaus auch eine entsprechende Vorfeldwirkung.
Ein Beispiel ist das Missbrauchsverfahren gegen EDEKA wegen der "Hochzeitsrabatte", die EDEKA nach der Übernahme der Plus-Filialen von Tengelmann bei Sonderverhandlungen mit den Lieferanten gefordert hatte. Durch die Kombination von rückwirkenden Forderungen, einem Konditionenabgleich, dem Herausgreifen von einzelnen Konditionenbestandteilen ("Rosinenpicken"), weiteren Zusatzforderungen ohne klare Gegenleistung und einer Umrechnung der Forderungen auf das gesamte eigene Beschaffungsvolumen verlangte EDEKA insgesamt ein deutlich verbessertes Konditionenpaket von den Lieferanten. Dies erachtete das Bundeskartellamt als Verstoß gegen das sog. An-zapfverbot.
Der BGH hat im Januar 2018 diese Entscheidung des Bundeskartellamtes in den maßgeblichen Elementen bestätigt.
2.3. Gesetzgeberische Maßnahmen mit Bezug zum LEH
a. Deutschland
Der Gesetzgeber hat die aktuellen Marktverhältnisse im Rahmen der 9. GWB-Novelle berücksichtigt und durch eine Verschärfung der Missbrauchsvorschriften beim Anzapfverbot und beim Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstandspreis Rechnung getragen.
Aus der Sicht des BMWi sollte vor weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen zunächst abgewartet werden, wie sich die Änderungen in der Praxis auswirken.
b. Europäische Union
Die Europäische Kommission hat am 16. April 2018 den Vorschlag für eine "Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette" (kurz: UTP-RL) veröffentlicht. Ziel der UTP-RL soll es sein, die Stellung der Landwirte/Erzeuger in der Wertschöpfungskette zu stärken, da nach Ansicht der Kommission die Landwirtschaft innerhalb der Lieferkette einem höheren Risiko ungerechter Handelspraktiken ausgesetzt sei.
Aus Sicht des BMWi sollte daher auch vor weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen mit Bezug auf den LEH zunächst abgewartet werden, welchen Inhalt die UTP-RL haben wird und welcher Änderungsbedarf sich im nationalen Recht ggf. daraus ergeben wird.