Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Berlin, 9. September 2019
Parlamentarischer Staatssekretär
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Präsident,
namens der Bundesregierung übersende ich Ihnen in der Anlage die Antwort der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates zu Transparenz und klaren Regeln auf digitalen Märkten vom 23. November 2018 (519-18 (B)).
Mit freundlichen Grüßen
Christian Hirte
Antwort der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates zu Transparenz und klaren Regeln auf digitalen Märkten vom 23. November 2018 (Drucksache 519/18(B) )
Zu den einzelnen Punkten der Entschließung nimmt das BMWi folgendermaßen Stellung:
Zu Ziff. 2:
Der Bundesrat hält es dringend für erforderlich, dass umgehend eine Kennzeichnungspflicht für sogenannte Social Bots geregelt wird. Für die Nutzerinnen und Nutzer muss stets erkennbar sein, welche Nachrichten von Menschen und welche von Maschinen kommen.
Es gibt bereits Angebote am Markt, die das Erkennen von Social Bots ermöglichen. Ob, in welcher Form und auf welcher Ebene eine Regulierung von Social Bots - über den bereits bestehenden Regelungsrahmen hinaus - geboten ist, bedarf einer vertieften rechtlichen und fachlichinhaltlichen Prüfung. Die Bundesregierung befindet sich zu diesen Fragen bereits im Austausch mit der Rundfunkkommission der Länder. Der Diskussionsentwurf für einen "Medienstaatsvertrag" (Stand Juli 2019) enthält bereits eine Kennzeichnungspflicht für sogenannte Social Bots.
Ob gesetzlicher Regelungsbedarf zum Umgang mit Social Bots besteht, wird auch auf europäischer Ebene geprüft. Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 26.4.2018 zur Bekämpfung von Desinformation im Internet (COM (2018) 236 final) verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen. Dazu gehört die Ausarbeitung eines ehrgeizigen Verhaltenskodex, der auch den Umgang mit Social Bots umfassen soll. Online-Plattformen und Werbeindustrie sollen sich u.a. verpflichten, Kennzeichnungsregeln und -systeme für Bots zu entwickeln und zu gewährleisten, dass die Tätigkeit von Bots nicht mit menschlicher Interaktion verwechselt wird. Die Bundesregierung unterstützt diese Maßnahmen. Aus ihrer Sicht sollte stets erkennbar sein, wenn Maschinen mit Menschen kommunizieren oder wenn etwa von "Social Bots" Nachrichten erstellt oder verbreitet werden - auch wenn dies mittels Sozialer Medien geschieht.
Am 26.9.2018 hat die Branche einen der Kommissions-Mitteilung entsprechenden Verhaltenskodex vorgelegt, der u.a. eine Selbstverpflichtung vorsieht, klare Regeln gegen den Missbrauch automatisierter Bots aufzustellen und diese innerhalb der EU durchzusetzen
Zu den Unterzeichnern gehören die Online Plattformen Facebook, Google und Twitter.
Die Kommission wird die erzielten Fortschritte genau verfolgen und die ersten Ergebnisse des Verhaltenskodex analysieren und bewerten. Sie will bis Ende 2019 einen Fortschrittsbericht vorlegen und darin auch darlegen, ob sie weitere Maßnahmen, ggf. auch regulatorischer Art, ergreifen wird.
Der Europäische Rat hat in den Schlussfolgerungen vom 18. Oktober 2018 (EUCO 013/18 (PDF) ) unter anderem festgehalten, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformationskampagnen rasch geprüft werden. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen auf EU-Ebene, insbesondere die angesprochene zügige Prüfung der vorgeschlagenen Maßnahmen.
Zu Ziff. 3:
Für Nutzerinnen und Nutzer digitaler Plattformen muss es leichter werden, Verstöße zu erkennen und zu verfolgen. Der Bundesrat begrüßt daher die auf Initiative der Bundesregierung geschaffenen rechtlichen Voraussetzungen für Musterfeststellungsklagen.
Das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage ist vom Deutschen Bundestag beschlossen und am 1. November 2018 in Kraft getreten. Die Musterfeststellungsklage ermöglicht die vereinfachte Durchsetzung berechtigter Verbraucheransprüche bei einer Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucherinnen und Verbraucher.
Zu Ziff. 4:
Auch bei großer Marktmacht von Unternehmen muss die Einhaltung des geltenden Rechts gewährleistet sein. Es darf nicht zur gängigen Praxis werden, Verstöße nur dann nicht zu begehen, wenn eine mögliche Sanktionierung den erwarteten Gewinn übersteigt. Zur Vermeidung von Marktmachtmissbrauch ist deshalb eine stringentere Regulierung, Aufsicht und Kontrolle von Daten-Plattformen auf Basis nationaler und europäischer Vorschriften zu prüfen und umzusetzen.
Faire digitale Märkte zu schaffen - besonders mit Blick auf den Datenschutz - ist eine Aufgabe, die auf EU-Ebene angegangen worden ist. Hier gibt es eine Reihe von Vorhaben, die die Bundesregierung aktiv unterstützt hat. Ziel ist stets, ausgewogene Regelungen zu schaffen, die die Grundrechte und Grundfreiheiten der Bürger gewährleisten, aber gleichzeitig das innovative Potenzial der digitalen Wirtschaft in Deutschland und der EU nicht schwächen.
Für einen fairen Wettbewerb ist es entscheidend, dass sich alle Unternehmen, die in der EU Dienstleistungen anbieten, an die gleichen Spielregeln halten müssen. Im Datenschutz ist das Marktortprinzip wichtig, wie es die Datenschutz-Grundverordnung regelt und die E-Privacy-Verordnung, die gerade verhandelt wird, vorsieht.
Die Kontrolle großer Marktmacht wird darüber hinaus auch mit Blick auf Plattformen, für die Daten eine besondere Bedeutung haben, durch das deutsche und europäische Kartellrecht sichergestellt.
Ein Marktmachtmissbrauch solcher Unternehmen wird dabei insbesondere durch die Vorschriften gegen den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen verhindert. Auf dieser Grundlage überprüfen Kartellbehörden das Verhalten der Unternehmen sowohl auf europäischer (siehe z.B. die Verfahren der Europäischen Kommission gegen Google) als auch auf deutscher (siehe z.B. das Verfahren des Bundeskartellamts gegen Facebook) Ebene. Grundsätzlich ist das Kartellrecht dabei in der Lage, der Herausforderung durch die Marktmacht großer Plattformen wirksam zu begegnen. Weiteren gesetzgeberischen Verbesserungsbedarf im Hinblick auf einzelne Regelungen überprüft das BMWi derzeit im Rahmen der anstehenden 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der im September 2018 eingesetzten "Kommission Wettbewerbsrecht 4.0" (mit einem Fokus insbesondere auf das europäische Kartellrecht). Letztere soll das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht für die Herausforderungen des digitalen Wandels fit machen und bis Herbst 2019 konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten. Im Rahmen der Arbeit der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 werden Fragen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Daten einen Schwerpunkt bilden. Aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive sollen Leitplanken für eine neue "Datenordnung" vorgeschlagen werden, die neue Kooperations- und Daten-Zugangsbedürfnisse ebenso berücksichtigen wie neue Kollusionsgefahren, ohne den verfassungsrechtlich verankerten Schutz der Grundrechte - insbesondere des Rechts auf Privatsphärenschutz und informationelle Selbstbestimmung - anzutasten.
Zu Ziff. 5:
Der Bundesrat fordert ausdrücklich eine Nutzungsvariante der marktbeherrschenden sozialen Netzwerke die anonymisiert, besonders datensparsam ausgestaltet ist oder auf personenbezogene Daten ganz verzichtet.
Der Bundesrat empfiehlt der Daten-Ethikkommission der Bundesregierung, vorrangig zu prüfen:
- i. ob die Regelungen zur Verpflichtung eines hohen Daten-Sicherheitsniveaus auch für Datenplattformen ausreichen oder verbessert werden müssen,
- ii. ob Transparenzvorschriften und Informationsverpflichtungen ausreichen oder verbessert werden müssen,
- iii. wie die Regulierung insbesondere sozialer Netzwerke verbessert werden kann,
- iv. ob ein analog zu Medienunternehmen stattfindendes Zulassungsverfahren für soziale Netzwerke geeignet und verhältnismäßig wäre,
- v. wie nachhaltiger Wettbewerb im Bereich der Datenplattformen angereizt werden kann und ob Vorschriften der Interoperabilität, Kompatibilität sowie Öffnung bislang geschlossener Netzwerke hierbei zielführend sind. Hierzu soll insbesondere auch die Portierbarkeit persönlicher Daten aus sozialen Netzwerken geprüft werden, also der Ansatz von "Data Liberation", und hierfür entsprechende Umsetzungsvorschläge vorzulegen.
Die Datenethikkommission der Bundesregierung soll auf der Basis wissenschaftlicher und technischer Expertise ethische Leitlinien für den Schutz des Einzelnen, die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Sicherung des Wohlstands im Informationszeitalter entwickeln. Sie wird der Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bis Sommer 2019 Handlungsempfehlungen geben und Regulierungsmöglichkeiten aufzeigen.
Die Bundesregierung hat der Datenethikkommission für ihre Arbeit Leitfragen aus den Bereichen
(1) Algorithmenbasierte Prognose- und Entscheidungsprozesse,
(2) Künstliche Intelligenz und
(3) Daten an die Hand gegeben.
Diese Fragen bestimmen den Rahmen, innerhalb dessen die Datenethikkommission unabhängig und eigenverantwortlich ihren Bericht erstellen wird. "Die im Antrag formulierten Fragen werden bereits jetzt zum Teil durch die Leitfragen zum Abschnitt (3) Daten aufgegriffen.
Auf EU-Ebene wurden zusätzlich zur Förderung des Digitalen Binnenmarktes eine Reihe weiterer Vorschläge beschlossen oder sind weiter in der Diskussion:
- - die P2B-Verordnung (Platformto-Business) für mehr Transparenz bei der gewerblichen Nutzung von Vergleichsplattformen; sie sieht vor, eine Bevorzugung eigener Produkte offenzulegen;
- - der "New Deal for Consumers" mit Informationspflichten zur Interoperabilität digitaler Dienste;
- - der Kodex für elektronische Kommunikation; er wird das Gremium der europäischen Regulierungsstellen (GEREK) beauftragen, Facebook und andere Messengerdienste näher zu beobachten. Auf dieser Basis werden sich Vor- und Nachteile möglicher Interoperabilitätspflichten besser beurteilen lassen;
- - die E-Privacy-Verordnung zum Schutz der Privatsphären und der personenbezogenen Daten in der elektronischen Kommunikation. Die Bundesregierung unterstützt eine zeitnahe Verabschiedung der Verordnung. Es besteht aber weiterhin Diskussions- und Prüfungsbedarf bei den einzelnen Regelungen, so dass derzeit nicht absehbar ist, wann der Rat zu einer Einigung kommt. Soziale Netzwerke fallen unter die seit dem 25. Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung. Damit gelten für diese auch die dort geregelten Grundsätze zur Freiwilligkeit und damit Wirksamkeit der Einwilligung;
- - und schließlich hat die von der Europäischen Kommission eingesetzte hochrangige Expertengruppe für Künstliche Intelligenz (KI) Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI erarbeitet (Mitteilung KOM (2019) 168).