Der Bundesrat hat in seiner 966. Sitzung am 23. März 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Allgemeines
- 1. Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine Beschlüsse vom 31. März 2017 (BR-Drucksache 235/17(B) ) und vom 15. Dezember 2017 (BR-Drucksache 373/17(B) ), in denen er zu den Verhandlungen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ("Brexit") und der Beteiligung der Länder daran Stellung genommen hat. Mit Blick auf die Befassung des Europäischen Rates mit den Verhandlungsleitlinien zum Rahmen des künftigen Verhältnisses zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich erachtet der Bundesrat eine weitere Konkretisierung seiner Haltung für erforderlich, damit die Bundesregierung diese bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition berücksichtigt.
- 2. Er betont, dass die Mitgliedstaaten der EU und das Vereinigte Königreich über die wirtschaftlichen Beziehungen hinaus durch die räumliche Nähe, die tiefgreifenden kulturellen und politischen Beziehungen, ein gemeinsames Wertefundament und die vielfältigen gemeinsamen Interessen eng miteinander verbunden sind. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ändert nichts daran, dass die großen Herausforderungen der Gegenwart, insbesondere Globalisierung, Migration, Klimawandel, Klimaschutz, die veränderte Sicherheitslage in der Welt, neuartige Bedrohungen durch grenzüberschreitende Kriminalität und Terrorismus, eine enge Zusammenarbeit erfordern.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass der Europäische Rat am 15. Dezember 2017 beschlossen hat, dass die bei den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich erzielten Fortschritte ausreichen, um die zweite Phase der Verhandlungen hinsichtlich des Übergangs und des Rahmens für die künftigen Beziehungen einzuleiten. Er ist jedoch besorgt, dass Fragen bezüglich des geordneten Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU offen geblieben sind, die vor Abschluss des Austrittsabkommens geregelt werden müssen.
- 4. Für den Fortschritt und das Gelingen der Verhandlungen ist von besonders großer Bedeutung, dass alle Verhandlungsergebnisse zeitnah in Rechtstexten niedergelegt werden. Nur auf dieser Grundlage ist eine angemessene und rechtzeitige Vorbereitung auf den "Brexit" möglich.
- 5. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Mitgliedstaaten der EU-27 im Laufe der bisherigen Verhandlungen geschlossen gezeigt haben und sich gemeinsam für die Interessen der Union einsetzen.
- 6. Mit dem Austritt wird das Vereinigte Königreich zum Drittstaat. Das geltende Recht der EU enthält ein in jahrzehntelangen Verhandlungen verfeinertes und ausgewogenes Geflecht an Rechten und Pflichten der Mitgliedstaaten. Dieses Gleichgewicht muss gewahrt bleiben. Es muss bei den Verhandlungen darauf geachtet werden, dass im Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigtem Königreich eine Balance von Rechten und Pflichten besteht.
- 7. Die EU sichert in sämtlichen der ihr übertragenen Regelungsbereiche ein hohes Schutzniveau. Diese Standards dürfen durch ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich nicht gefährdet werden.
- 8. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, für die Zeit im unmittelbaren Anschluss an den Brexit am 29. März 2019 ein Übergangsregime zu vereinbaren. Mit den vom Rat am 29. Januar 2018 beschlossenen ergänzenden Verhandlungsrichtlinien ist der Weg zur Gestaltung einer solchen Übergangsphase aufgezeigt. Um schnellstmöglich Planungssicherheit für alle Betroffenen zu gewährleisten, muss der gesamte EU-Acquis abzüglich institutioneller Rechte wie Stimm- und Präsenzrechte in der Übergangsphase Anwendung finden. Die Übergangsphase muss zeitlich klar geregelt sein. Änderungen am EU-Acquis müssen auch im Vereinigten Königreich gelten.
- 9. Darüber hinaus erachtet der Bundesrat auch über das Ende des laufenden Mehrjährigen Finanzrahmens hinaus die Einhaltung von in der Vergangenheit eingegangenen, aber fortwirkenden Verpflichtungen für selbstverständlich. Beispielsweise erstrecken sich die Laufzeiten der Finanzierungen des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), die das Vereinigte Königreich intensiv nutzt, über 20 Jahre. Auch die Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) wirken über 2020 hinaus. Darüber hinaus muss für fortbestehende Pensionsverpflichtungen gegenüber EU-Beamten und Mandatsträgern sowie für über 2020 hinaus gewährte Kredite und Kreditgarantien eine Anschlussregelung gefunden werden. Gleiches gilt für bestehende Verpflichtungen aus staatenübergreifenden Kooperationsprogrammen und -projekten der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit.
- 10. Der Bundesrat unterstreicht insbesondere die Erfolge der Zusammenarbeit im Rahmen der INTERREG-Programme, denen eine wichtige Bedeutung bei der regionalen Vernetzung zukommt. Daher spricht er sich für die Möglichkeit einer weiteren Beteiligung des Vereinigten Königreichs als Drittstaat bei entsprechender finanzieller Beteiligung an diesen Programmen aus, um gemeinsamen Herausforderungen in grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Formen der Zusammenarbeit zu begegnen und die Vernetzung auf subnationaler Ebene auf hohem Niveau fortzuführen.
Rechte der Bürgerinnen und Bürger
- 11. Der Bundesrat erachtet es für wichtig, dass die aus dem EU-Recht abgeleiteten Rechte von EU-Bürgerinnen und -Bürgern, die rechtmäßig im Vereinigten Königreich leben, bzw. von britischen Bürgerinnen und Bürgern, die rechtmäßig in der EU leben, auch nach dem Austritt bestmöglich gewährleistet werden.
- 12. Sowohl das Vereinigte Königreich als auch die EU haben bislang in erheblichem Maße von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitiert. Auch in Zukunft sollten für die Aufnahme und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in der EU bzw. im Vereinigten Königreich möglichst geringe Hürden bestehen. Dies betrifft nicht nur auf Dauer angelegte Arbeitsverhältnisse, sondern etwa auch konzerninterne Entsendungen von Unternehmensmitarbeiterinnen und -mitarbeitern sowie befristete Forschungsaufenthalte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
- 13. Der Bundesrat spricht sich weiter für die gegenseitige Berücksichtigung von Sozialversicherungszeiten sowie die Portabilität bereits erworbener Betriebsrentenanwartschaften aus.
- 14. Es sollte nach seiner Auffassung ein Rahmen für die künftige Anerkennung von beruflichen und sonstigen Qualifikationen geschaffen werden. Sollten entsprechende Vereinbarungen getroffen werden, sind Möglichkeiten zu einem Datenaustausch über die berufliche Eignung in reglementierten Berufen sinnvoll. In den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich sollte daher darauf hingewirkt werden, dass auch künftig ein unbürokratischer und schneller Informationsfluss auf elektronischem Wege stattfindet.
Wirtschaftsbeziehungen
- 15. Als international orientierte, offene Volkswirtschaft hat Deutschland großes Interesse daran, dass die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich unter Wahrung der Integrität und Funktionalität des EU-Binnenmarktes auch weiterhin einen möglichst freien Austausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen gewährleisten. Der Bundesrat nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Regierung des Vereinigten Königreichs sich wiederholt gegen eine weitere Beteiligung an der Zollunion und dem Binnenmarkt ausgesprochen hat.
- 16. Er stellt fest, dass ein Freihandelsabkommen aus regulatorischer Sicht weit weniger günstige Rahmenbedingungen für den Handel bietet als der Binnenmarkt.
- 17. Sollten sich als Folge der britischen Entscheidung, die Zollunion verlassen zu wollen, Zollgrenzen nicht vermeiden lassen, muss die Zollabwicklung die Integrität und Funktionalität des Binnenmarktes garantieren. Gleichzeitig sollten die zukünftigen Ein- und Ausfuhrverfahren von Waren sowie die Regelungen zu den erforderlichen Warenbegleitdokumenten nach Wegfall der Zollunion im Rahmen des Unionszollkodexes möglichst einfach gehalten werden, damit der zusätzliche Aufwand für Verwaltung und Unternehmen so gering wie möglich bleibt.
- 18. Auch nichttarifäre Handelshemmnisse sollten nach Auffassung des Bundesrates möglichst gering gehalten werden. Hierzu ist der Aufbau eines regulatorischen "level playing field" erforderlich. In diesem sind die hohen Schutzstandards der EU zu wahren, die beispielsweise beim Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, beim Agrar- und Verbraucherschutz, im Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbereich, in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Sicherheit, beim Schutz der Privatsphäre und beim Arbeitsrecht gelten. Auch muss das staatliche Recht zur Regulierung weiterhin erhalten bleiben. Die Schaffung eines "level playing field" erfordert eine enge Regulierungszusammenarbeit und einen reibungslosen Informationsaustausch. Ein Deregulierungswettbewerb muss unterbunden werden.
- 19. Der Bundesrat unterstreicht, dass das Maß des Zugangs von Waren und Dienstleistungen aus dem Vereinigten Königreich zum Binnenmarkt von der Übernahme von Regeln abhängt, die für diesen gelten.
- 20. Er verweist auf die hohe wirtschaftliche Bedeutung der britischen Seegewässer für die deutsche Fischerei. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass die traditionellen Zugangsrechte der deutschen Fischerei zu Gewässern des Vereinigten Königreichs nicht eingeschränkt werden, deutsche Fischfangquoten in britischen Gewässern langfristig erhalten bleiben, die nachhaltige Bewirtschaftung der Bestände in britischen Gewässern auf der Grundlage der Fangempfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung vorgenommen wird und die derzeitigen Möglichkeiten zum Tausch von Fangquoten mit Großbritannien erhalten bleiben.
- 21. Der Bundesrat betont, dass gegebenenfalls Subventionsregelungen nach dem Vorbild des EU-Beihilferechts den fairen Wettbewerb sicherstellen müssen. Die WTO-Regelungen bieten keinen vergleichbaren Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.
- 22. Er ist der Auffassung, dass das Vereinigte Königreich in den Verhandlungen über das künftige Verhältnis aufgefordert werden sollte, sich zu einem fairen Steuerwettbewerb zu bekennen. Sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch das Vereinigte Königreich sollten sich zur Einhaltung eines Mindeststeuersatzes bei den Unternehmensertragsteuern, insbesondere der Körperschaftsteuer, verpflichten. Der Bundesrat spricht sich zudem für einen weitgehenden Erhalt der harmonisierten Umsatzsteuer aus.
- 23. Nach seiner Auffassung sollte sichergestellt werden, dass auch zukünftig der Zugang von in den EU-27 ansässigen Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen im Vereinigten Königreich möglich ist.
- 24. Auf dem Gebiet des Kartellrechts sollte eine Vereinbarung angestrebt werden, die zur effektiven Bekämpfung grenzüberschreitender wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen von Unternehmen beiträgt. Hierzu sind eine enge strukturierte Kooperation der Wettbewerbsbehörden und insbesondere der Informationsaustausch über zu untersuchende Sachverhalte und Durchsetzungsmaßnahmen erforderlich.
- 25. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der "Brexit" negative Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung sowie die Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland haben kann, insbesondere beim Marktzutritt innovativer Arzneimittel und Medizinprodukte und soweit bereits verkehrsfähige Arzneimittel und Medizinprodukte durch den "Brexit" ihre Marktzugangsberechtigung verlieren und damit in Deutschland nicht mehr vertrieben werden können. Er spricht sich daher dafür aus, rechtliche Grundlagen für einen möglichst freien gegenseitigen Marktzutritt unter Fortgeltung der regulatorischen Anforderungen des EU-Acquis zu schaffen.
- 26. Soweit als Folge des Austritts des Vereinigten Königreichs ein Rechtsformwechsel von nach britischem Recht verfassten und in Deutschland ansässigen Gesellschaften erforderlich wird, müssen dafür ausreichende Übergangsfristen und unbürokratische Modalitäten vorgesehen werden. Dies muss umgekehrt auch für nach deutschem Recht verfasste Gesellschaften im Vereinigten Königreich gelten.
- 27. Aus Sicht des Bunderates sollte während einer möglichen Übergangsphase, in der der Status quo bestehen bleibt, ein umfassendes Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich als Drittstaat verhandelt werden, das einen freien und offenen Marktzugang, eine gegenseitige Anerkennung, Streitbeilegungsmechanismen, eine faire Abwägung der Rechte und Pflichten sowie das Prinzip der Gegenseitigkeit enthält.
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit
- 28. Angesichts der Herausforderungen durch grenzüberschreitende Kriminalität und Terrorismus hält der Bundesrat eine effektive justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit dem Vereinigten Königreich für zwingend geboten:
Für Übergangssachverhalte spricht er sich dafür aus, den Status quo möglichst weitgehend beizubehalten, um eine zügige Erledigung von Ersuchen zu gewährleisten. Weiterhin sollte dafür Sorge getragen werden, dass bereits ausgetauschte Informationen auch nach dem Austritt verwertet werden können.
Für die Zeit nach dem Austritt gilt es, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der einen effizienten und schnellen Rechtshilfeverkehr mit dem Vereinigten Königreich ermöglicht. Dafür wäre es insbesondere hilfreich, wenn im Bereich des sogenannten sonstigen Rechtshilfeverkehrs der unmittelbare Geschäftsverkehr zwischen den Justizbehörden auf beiden Seiten beibehalten werden könnte.
- 29. Der "Brexit" bedeutet einen Ausschluss des Vereinigten Königreichs aus EU-Informationssystemen. Der Bundesrat unterstreicht die Notwendigkeit einer weiteren Teilhabe des Vereinigten Königreichs an diesen Systemen, soweit diese für eine Beteiligung von Drittstaaten offenstehen. Auch sollte die Zusammenarbeit der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Amtshilfe, bei Europol und insbesondere dem dort eingerichteten "European Counter Terrorism Center", bei dem "European Cybercrime Centre" sowie bei gemeinsamen Ermittlungsgruppen nach Maßgabe der für Drittstaaten geltenden Regelungen weiterhin möglich sein.
- 30. Der Bundesrat spricht sich auch in Zivil- und Handelssachen für eine möglichst reibungslose justizielle Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich auch nach dem Austritt aus. Die geltenden EU-Regelungen zum internationalen Privatrecht, zur Rechtshilfe, zur gerichtlichen Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Leichtigkeit des Rechtsverkehrs.
Daher spricht er sich auch dafür aus, den Status quo für Übergangssachverhalte weitestgehend beizubehalten und bezüglich etwaiger Stichtage auf ein frühes Verfahrensstadium abzustellen, so etwa bei Rechtshilfeersuchen auf den Eingang des Rechtshilfeersuchens bei einer Behörde des ersuchten Staates. Soweit sich die Frage stellt, ob bei Übergangssachverhalten Unionsrecht hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands und der gerichtlichen Zuständigkeit im Übrigen sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen gilt, sollte maßgeblich auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu welchem die zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen entstanden sind. Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen sind ihre Rechtsbeziehungen im Vertrauen darauf eingegangen, dass Gerichtsentscheidungen, die von dem entweder durch Gerichtsstandswahl oder durch gesetzliche Bestimmung zuständigen Gericht getroffen werden, nach Unionsrecht anerkannt und vollstreckt werden können. Jedenfalls aber sollten Entscheidungen nach dem Austritt zumindest dann noch anerkannt und vollstreckt werden können, wenn das Gerichtsverfahren bereits vor dem Austritt anhängig war.
- 31. Auch nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs bedarf es Vereinbarungen, die einen möglichst reibungslosen Rechtsverkehr gewährleisten. Der Austritt bedeutet allerdings, dass sich das Vereinigte Königreich der Auslegungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entzieht und damit der Status quo der einheitlichen EU-Regeln nicht fortgeführt werden kann. Es ist deshalb sorgfältig zu prüfen, in welchem Umfang bestehende Regelungen auf das zukünftige Verhältnis übertragen werden können.
- 32. Der Bundesrat hält es weiter für wichtig und wünschenswert, dass das Vereinigte Königreich auch nach seinem Austritt aus der EU am Einheitlichen Patentgericht teilnimmt und sich das Einheitspatent weiterhin auf das Gebiet des Vereinigten Königreiches erstreckt.
Bildung, Wissenschaft und Forschung
- 33. Der Bundesrat betont, dass das Vereinigte Königreich in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung für die deutschen Länder einen wichtigen Partner darstellt. Er spricht sich daher dafür aus, dass grenzüberschreitende Kooperation und Mobilität im Bildungs- und Forschungsbereich zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich auch in Zukunft möglichst unbürokratisch möglich bleiben und gegebenenfalls die Möglichkeit bilateraler Abkommen/Programme geprüft wird. Dazu zählen auch der Schüleraustausch, die Anerkennung von schulischen Abschlüssen und Lehramtsqualifikationen sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für den Bildungs- und Forschungsbereich.
- 34. Der Bundesrat betont ferner, dass eine Beteiligung des Vereinigten Königreichs am EU-Programm "Erasmus+" für die deutschen Partner von besonderer Bedeutung ist. Neben den Schul- und Hochschulpartnerschaften gilt dies vor allem für die Förderung von Mobilität entlang des gesamten Bildungsweges, das heißt für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Studierende sowie Lehrkräfte an Schulen und Lehrpersonal an Hochschulen. Bei all diesen Aktivitäten ist das Vereinigte Königreich ein stark nachgefragter Aufnahmepartner. Er fordert daher, dass in den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich auf eine weitere Beteiligung am Programm "Erasmus+" und seinem Nachfolgeprogramm hingewirkt wird, bei entsprechender finanzieller Beteiligung und entsprechend den für Drittstaaten geltenden Regelungen. Gerade angesichts des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU muss die Förderung von Völkerverständigung eine zentrale Rolle in der künftigen Kooperation mit dem Vereinigten Königreich spielen.
- 35. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die überaus erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen in Deutschland und dem Vereinigten Königreich von der Freizügigkeit innerhalb der EU profitiert hat. Er betont daher, dass für die künftige Zusammenarbeit im Europäischen Hochschulraum ein der gegenwärtigen Situation vergleichbarer Aufenthalts- und Beschäftigungsstatus für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus EU-Mitgliedstaaten sowie ihrer Familien im Vereinigten Königreich wichtig ist.
- 36. Der Bundesrat stellt fest, dass die Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich einen wichtigen Erfolgsfaktor des Europäischen Forschungsraums darstellt. Er spricht sich dafür aus, entsprechend den für Drittstaaten geltenden Regelungen die Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich bei entsprechender finanzieller Beteiligung am aktuellen bzw. an den künftigen EU-Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation auch in diesem Bereich fortzusetzen.
Kultur, Rundfunk und Medien
- 37. Der künstlerische und kulturelle Austausch mit dem Vereinigten Königreich muss weiterhin gewährleistet sein. Dies betrifft nicht nur Aufenthalte oder Auftritte von Künstlerinnen und Künstlern im jeweilig anderen Land, sondern auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von kulturellen Einrichtungen und die Nutzung von EU-Förderprogrammen im Kulturbereich, zum Beispiel Kreatives Europa und Europäische Kulturagenda. Voraussetzung dafür ist aber, dass die für Drittstaaten geltenden Regelungen Anwendung finden und sich das Vereinigte Königreich entsprechend finanziell beteiligt.
- 38. Unter dieser Bedingung spricht sich der Bundesrat ferner für eine weitere Kooperation und Einbeziehung des Vereinigten Königreichs bei den Filmförderprogrammen der EU aus, insbesondere im Bereich der Koproduktionen.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 39. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission und das Europäische Parlament.