Der Bundesrat hat in seiner 866. Sitzung am 12. Februar 2010 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Kommission, die Flugsicherheit zu verbessern, indem ein hohes Effizienz- und Qualitätsniveau europäischer Sicherheitsuntersuchungen in der Zivilluftfahrt gewährleistet wird.
Er begrüßt dabei grundsätzlich die Anstrengungen auf europäischer Ebene zur Verbesserung der Flugsicherheit durch Bildung eines institutionalisierten Netzwerks zwischen den nationalen Flugunfalluntersuchungsstellen.
Der Bundesrat hält jedoch folgende Klarstellungen und Änderungen für erforderlich:
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die vorgeschlagene Verordnung mit dem bestehenden deutschen Strafverfahrensrecht unvereinbar sein könnte, soweit das Verhältnis zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den zur Strafverfolgung berufenen Gerichten einerseits und den jeweiligen Sicherheitsuntersuchungsstellen andererseits angesprochen ist. Die Verfolgung und Aufklärung von Straftaten obliegt ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden und den zur Strafverfolgung berufenen Gerichten. Zwar wird in der vorgeschlagenen Verordnung ausgeführt, dass Sicherheitsuntersuchungen getrennt und ohne Präjudizierung von Justiz- oder Verwaltungsverfahren zur Feststellung des Verschuldens oder der Haftung durchgeführt werden (Artikel 4 Absatz 4) und es dem Untersuchungsleiter der Sicherheitsuntersuchungsstelle unbeschadet einer etwaigen justiziellen Untersuchung obliegt, eine sichere Behandlung allen Beweismaterials zu gewährleisten (Artikel 12 Absatz 1). In Artikel 5 Absatz 1 und 3, Artikel 12 Absatz 1, Artikel 13 und 14 Absatz 1 finden sich jedoch Formulierungen, die gleichwohl so aufgefasst werden können, als sei die jeweilige Sicherheitsuntersuchungsstelle auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und den zur Strafverfolgung berufenen Gerichten autonom oder gar übergeordnet. Die Befugnisse und das Zusammenwirken von Strafverfolgungsbehörden und den zur Strafverfolgung berufenen Gerichten einerseits und den jeweiligen Sicherheitsuntersuchungsstellen andererseits sollte daher in der vorgeschlagenen Verordnung eindeutig und entsprechend den Bestimmungen der Strafprozessordnung geregelt werden.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den Beratungen in den zuständigen Gremien der EU für eine entsprechende Präzisierung der Formulierungen in den vorgenannten Passagen (Artikel 5 Absatz 1 und 3, Artikel 12 Absatz 1, Artikel 13 und 14 Absatz 1) einzusetzen, so dass Missverständnisse hinsichtlich der Befugnisse der Staatsanwaltschaften und Strafgerichte ausgeschlossen sind.
- 4. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) sich nach dem Willen der Kommission an Untersuchungstätigkeiten auch abseits einer Flugunfallstelle beteiligen darf, wenn die Untersuchungstätigkeit mit der Ermittlung der Ursachen oder der Formulierung von Sicherheitsempfehlungen zusammenhängt, dass aber eine Teilnahme der EASA an Sitzungen zum Untersuchungsfortgang, in denen die Unfallursache ermittelt und abschließend festgestellt wird, nicht in Betracht kommt. Da dieser Regelungsgehalt dem Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags jedoch nicht eindeutig und zweifelsfrei entnommen werden kann, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen auf EU-Ebene für eine entsprechende Klarstellung einzusetzen.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass das in Artikel 23 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags normierte Erfordernis, auf nationaler Ebene einen Plan für die Unterstützung der Opfer von Flugunfällen in der Zivilluftfahrt und ihrer Angehörigen zu erstellen, unklar ist und weiterer Konkretisierung bedarf; insbesondere ist zu klären, ob es sich um eine psychologische oder materielle Unterstützung handeln soll. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, hierauf bei den Beratungen auf EU-Ebene hinzuwirken.
- 6. Der Bundesrat ist zudem der Auffassung, dass im Rahmen der Aufhebung und Ersetzung der Richtlinie 94/56/EG des Rates vom 21. November 1994 über Grundsätze für die Untersuchung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt gleichzeitig klargestellt werden sollte, dass sämtliche Bezugnahmen in Rechtsakten der EU auf diese Richtlinie künftig als Bezugnahmen auf die vorliegend vorgeschlagene Verordnung gelten. Bedeutung hat dies unter anderem für die Richtlinie 2003/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2003 über die Meldung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt, welche auf die in der Richtlinie 94/56/EG enthaltene Definition eines "Unfalls" bzw. einer "schweren Störung" ausdrücklich Bezug nimmt.