Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Vorlage des Richtlinienvorschlags und die darin zum Ausdruck kommende Absicht der Kommission, den Binnenmarktrahmen für Investmentfonds aktuellen Markterfordernissen bei Wahrung eines hohen Anlegerschutzniveaus anzupassen, seine Flexibilität und Effizienz zu erhöhen und seine Wirksamkeit sicherzustellen, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Investmentbranche zu fördern und ihr die Erschließung weiterer Geschäftspotenziale zu ermöglichen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, gegenüber der Kommission auf Folgendes hinzuweisen:
Der vorliegende Richtlinienvorschlag enthält keine Regelung zum "EU-Pass" (einmalige Zulassung) für Verwaltungsgesellschaften, der es den zugelassenen Verwaltungsgesellschaften ermöglichen soll, Fonds in der gesellschaftsrechtlichen und in der vertraglichen Rechtsform in anderen Mitgliedstaaten zu verwalten. Im Weißbuch für den Ausbau des Binnenmarktrahmens für Investmentfonds (KOM (2006) 686 endg.) war die Einführung des "EU-Passes" für Verwaltungsgesellschaften in Aussicht gestellt worden. Die Kommission jedoch sieht insoweit noch Klärungsbedarf und hat daher dem Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) das Mandat erteilt, bis 1. November 2008 Empfehlungen zur Ausgestaltung des "EU-Passes" zu unterbreiten.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Regelung zum "EU-Pass" für Verwaltungsgesellschaften ohne Zeitverzug noch im Rahmen der laufenden Beratungen des Richtlinienvorschlags in die neue OGAW-Richtlinie aufgenommen werden sollte. Gegenwärtig ist eine grenzüberschreitende Fondsverwaltung nur eingeschränkt und unter Anfall von erheblichen - die Anleger belastenden - Mehrkosten möglich. Hieraus wird erkennbar, dass die zügige Flexibilisierung der Verwaltung von OGAW-Fonds im Wege der Einführung des "EU-Passes" für Verwaltungsgesellschaften notwendige Voraussetzung eines integrierten Binnenmarktes für Investmentfonds ist.
Der Bundesrat spricht sich ferner dafür aus, auch offene Immobilienfonds in den Regelungsbereich der Richtlinie einzubeziehen, um den grenzüberschreitenden Vertrieb offener Immobilienfonds an "Kleinanleger" zu ermöglichen. Eine eigenständige "EU-Immobilienfonds-Richtlinie" erscheint unzweckmäßig, vielmehr sollte ein für alle Formen von Investmentprodukten konsistentes Regelwerk geschaffen werden.
Artikel 70
- 2. Artikel 70 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags sollte klar herausstellen, dass lediglich die Verwaltungs- bzw. Investmentgesellschaft verpflichtet ist, Prospekte, Jahres- und Halbjahresberichte zur Verfügung zu stellen, da die OGAW-Richtlinie keine Regelungen und Verpflichtungen für Zwischenhändler bzw. Vermittler enthält. In Absatz 1 sollten daher nach dem Wort "Anleger" die Wörter "durch die Verwaltungs- bzw. Investmentgesellschaft" eingefügt werden.
- 3. Artikel 70 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags sollte im Hinblick auf die Fassung des Artikels 2 Abs. 1 Buchstabe n einerseits und des Artikels 76 andererseits angepasst werden, indem klargestellt wird, dass der Prospekt auch in elektronischer Form über eine Website zur Verfügung gestellt werden kann.
Artikel 73 Abs. 7
- 4. Nach Artikel 73 Abs. 7 ist es der Kommission überlassen, auf Level 2 des Lamfalussy-Verfahrens Inhalt, Form und Präsentation der einheitlichen Kundeninformation näher zu bestimmen. Außer wenigen Rahmenbedingungen für die allgemeine Kundeninformation sieht die Richtlinie keinerlei Maßgabe zur Ausgestaltung des Inhalts und zur Präsentation bzw. Auslieferung der Kundeninformation vor. Diese bleiben vielmehr völlig im Unklaren.
Obgleich dieses Verfahren in Zukunft flexiblere Änderungen ermöglichen wird, birgt es für die Einführung der allgemeinen Kundeninformation erhebliche Risiken. Nachdem die Umsetzung der allgemeinen Kundeninformationen insoweit von einer Einigung der Verfahrensbeteiligten im Rahmen des Level-2-Verfahrens abhängig ist, besteht die Gefahr, dass der Inhalt der allgemeinen Kundeninformationen wiederum unübersichtlich wird, und dass der Erlass der Level-2-Bestimmungen verzögert wird. Dies wäre - im Hinblick auf die relativ knapp bemessene Übergangsfrist für den Austausch der vereinfachten Verkaufsprospekte (vgl. Artikel 112 Abs. 2) - kontraproduktiv.
Insofern ist die Kommission klar darauf hinzuweisen, dass das geplante Level-2-Verfahren nicht zu einer Verzögerung der Einführung einheitlicher allgemeiner Kundeninformationen führen darf und die Arbeiten hieran unverzüglich aufzunehmen und voranzutreiben sind. Sollte sich herausstellen, dass die vorgenannten Bedenken begründet sind, sollte eventuell kurzfristig in Betracht gezogen werden, die Übergangsfrist in Artikel 112 Abs. 2 zu verlängern.
Erwägungsgrund 47 sowie Artikel 75 und 76
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, gegenüber der Kommission darauf hinzuwirken, dass Inkonsistenzen im Zusammenhang mit der einheitlichen Kundeninformation (sogenannte Key Investor Information - KII) in der Fassung des OGAW-Richtlinienvorschlags insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (Finanzmarktrichtlinie - "MiFID") bereinigt werden:
Artikel 75 und 76 des OGAW-Richtlinienvorschlags sprechen in der englischen Textfassung hinsichtlich der Übermittlung der einheitlichen Kundeninformation (KII) von "deliver", während die maßgeblichen MiFID-Bestimmungen das Wort "provide" verwenden. Um unterschiedliche Begriffsauslegungen insbesondere in der Aufsichtspraxis zu vermeiden, sollte im OGAW-Richtlinienvorschlag das Wort "deliver" durch "provide" ersetzt werden. Gleiches gilt für Erwägungsgrund 47. Damit wird terminologische Konsistenz hergestellt.
6. Die Verpflichtung der Verwaltungs- bzw. Investmentgesellschaft in Artikel 75 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags sollte darauf beschränkt werden, die allgemeinen Kundeninformationen denjenigen Zwischenhändlern bzw. Vermittlern zur Verfügung zu stellen, die bezüglich des Vertriebs von OGAW-Fonds in einer vertraglichen Beziehung zur Verwaltungs-/Investmentgesellschaft stehen.
Artikel 88
- 7. Im Verlauf des weiteren Verfahrens sollte geprüft werden, ob nicht die in Artikel 88 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Frist von einem Monat für die Übermittlung der Notifizierungsunterlagen im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung deutlich verkürzt werden kann. Sachgründe für die lange Frist von einem Monat sind schwerlich erkennbar.
Anhang I
- 8. Der im Richtlinienvorschlag enthaltene Anhang I Schema B (Informationen, die in den periodischen Berichten enthalten sein müssen) verlangt unter Nummer V (Angaben über die Entwicklung des Vermögens des OGAW während des Berichtszeitraums) auch die Angabe der Transaktionskosten. Insoweit sollte die Kommission noch einmal näher prüfen, ob der Erfüllung dieser Verpflichtung durch die betroffenen OGAW-Fonds nicht unverhältnismäßige praktische Schwierigkeiten entgegenstehen.