Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 112095 - vom 13. Juni 2008.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 22. Mai 2008 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Birma,
- - unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Sondertagung des Rates "Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen" vom 13. Mai 2008 zur humanitären Lage in Birma/Myanmar,
- - unter Hinweis auf die Resolution 60/1 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 2005 zum Ergebnis des Weltgipfels, in deren Ziffer 139 die Möglichkeit gebilligt wird, kollektive Maßnahmen gegen einzelne Staaten zu ergreifen falls "die nationalen Behörden offenkundig dabei versagen, ihre Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen",
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Zyklon Nargis am 2. und 3. Mai 2008 die südlichen Regionen Birmas einschließlich Ranguns, der größten Stadt des Landes, und des Irawadi-Deltas, in dem fast die Hälfte der Bevölkerung Birmas lebt, schwer verwüstet hat,
B. in der Erwägung, dass die birmanischen Staatsmedien bisher 77 738 Tote und 55 917 Vermisste gemeldet haben, während unabhängige Beobachter und internationale Hilfsorganisationen von mindestens 100 000 Toten ausgehen, in der Erwägung, dass nach Schätzungen der Vereinten Nationen zwischen 1,6 und 2,5 Millionen Menschen schwer betroffen sind und dringend Hilfe brauchen,
C. in der Erwägung, dass der regierende Staatsrat für Frieden und Entwicklung Warnungen ignoriert und ausgesprochen lange gebraucht hat, bis er auf die Notlage reagiert und ausländische Hilfe akzeptiert hat: bis jetzt hat er nur sehr begrenzt internationale humanitäre Hilfslieferungen in das Land erlaubt und darauf bestanden, dass sie vom Militär verteilt werden; ferner in der Erwägung, dass er die Ausstellung von Visa für Katastrophenhilfs- und Logistikexperten der Vereinten Nationen und anderer Organisationen verzögert,
D. in der Erwägung, dass das humanitäre Recht vorschreibt, dass humanitäre Hilfe neutral und unabhängig geleistet werden muss,
E. in der Erwägung, dass die Junta trotz der schlimmen Notlage, in der sich Zehntausende von Menschen nach dem verheerenden Zyklon befanden, und trotz der Aufforderung des UN-Untergeneralsekretärs für humanitäre Angelegenheiten, das Referendum zu annullieren oder zu verschieben, an der Durchführung des Referendums am 10. Mai 2008 festhielt, mit Ausnahme der am meisten betroffenen Gebiete, in denen es auf den 24. Mai 2008 verschoben wurde,
F. in der Erwägung, dass die birmanische Regierung internationale Hilfsbemühungen blockiert und dabei völlig außer Acht lässt, dass der Mangel an sauberem Wasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung wahrscheinlich zu Infektionskrankheiten und damit zu einer noch wesentlich höheren Zahl von Opfern führen wird,
G. in der Erwägung, dass im Deltagebiet bestimmte Volksgruppen, insbesondere die Karen, die bereits vorher unter willkürlicher Diskriminierung und Entbehrungen gelitten haben, schwer getroffen wurden,
H. in der Erwägung, dass das Arbeitsumfeld für die Bereitstellung humanitärer Hilfe bereits stark eingeschränkt war, seit dem die birmanische Regierung im Februar 2006 neue Leitlinien mit komplizierten Reise- und Überwachungsverfahren für ausländisches Personal herausgegeben hatte,
I. in der Erwägung, dass die Kommission zwei Tage nach dem Zyklon 2 Millionen EUR bereitgestellt hat, um zu helfen, die Grundbedürfnisse der Überlebenden im Katastrophengebiet zu decken; des Weiteren in der Erwägung, dass sich die Höhe der von der Europäischen Union zugesagten Hilfe derzeit auf 17 Millionen EUR beläuft und auf über 30 Millionen EUR angehoben werden könnte, wenn die birmanische Führung internationale Hilfe zulassen würde,
J. in der Erwägung, dass das für Entwicklung zuständige Mitglied der Kommission keine Erlaubnis erhalten hat, in die am schwersten betroffenen Gebiete zu reisen, und dass seine Bitten, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen leichteren Zugang zum Irawadi-Delta zu gewähren, ignoriert wurden,
K. in der Erwägung, dass mehrere Regierungen, einschließlich solcher von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, gefordert haben, im Falle Birmas den von den Vereinten Nationen zur Rettung der Opfer von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgestellten Grundsatz der "Verpflichtung, Schutz zu gewähren" anzuwenden,
- 1. bekundet sein tief empfundenes Beileid und seine Solidarität gegenüber dem birmanischen Volk und den zahlreichen Opfern; äußert sein Bedauern gegenüber all denjenigen die unter den Auswirkungen der Katastrophe leiden;
- 2. verurteilt entschieden, wie inakzeptabel langsam die birmanische Staatsführung auf diese schwere humanitäre Krise reagiert hat und dass ihr der eigene Machterhalt wichtiger war als das Überleben ihrer Bürger;
- 3. fordert die birmanische Regierung dringendst auf, der Rettung von Menschenleben oberste Priorität einzuräumen und die von dem Zyklon betroffenen Gebiete für internationale humanitäre Hilfsaktionen zu öffnen, den Mitarbeitern von Hilfsorganisationen umgehend Visa zu erteilen, den Vereinten Nationen und anderen internationalen humanitären Organisationen die Verteilung der Hilfsgüter direkt an die Bedürftigen zu gestatten sowie es benachbarten Ländern zu erlauben, denjenigen Opfern, die auf andere Art nicht schnell erreicht werden können, auf dem Luft- und Wasserweg Hilfe zu leisten;
- 4. bedauert die falsch gesetzten Prioritäten des Regimes, das sein so genanntes Referendum über die Scheinverfassung vorantreibt, während ein großer Teil des Landes verwüstet worden ist und Millionen Menschen unter dem leiden, was zutreffenderweise als Naturkatastrophe, aus der eine von Menschen verursachte Katastrophe wurde, bezeichnet worden ist und lehnt das unglaubwürdige Ergebnis dieses Referendums ab;
- 5. bekräftigt, dass die Souveränität eines Staates keine Rechtfertigung für die massive Verletzung der Menschenrechte seiner Bevölkerung darstellen darf, wie dies im UN-Grundsatz der "Verpflichtung, Schutz zu gewähren" festgeschrieben ist; fordert die Regierung des Vereinigten Königreichs, das im Mai den Vorsitz des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen innehat, auf, die Lage in Birma umgehend auf die Tagesordnung der Tagung des Sicherheitsrats zu setzen, und fordert den Sicherheitsrat auf zu prüfen, ob Hilfslieferungen nach Birma auch ohne die Zustimmung der birmanischen Militärjunta genehmigt werden können;
- 6. begrüßt die auf dem Gipfeltreffen ASEAN-Indien-China vom 19. Mai 2008 in Singapur erzielte Einigung darüber, es dem Verband Südostasiatischer Staaten zu erlauben die internationalen Hilfsbemühungen zu koordinieren, sowie die Entscheidung über eine internationale Geberkonferenz in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen am 25. Mai 2008 in Rangun zur Bündelung der Hilfe für die Opfer;
- 7. fordert in diesem Zusammenhang die dringende Einrichtung einen Sonderfonds unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, um die effiziente Verteilung der Hilfe im Land zu erleichtern;
- 8. fordert die Regierungen von China und Indien nachdrücklich auf, ihren Einfluss auf die birmanische Staatsführung geltend zu machen, um Birma unverzüglich für humanitäre Hilfe jeglicher Art zu öffnen;
- 9. betont, dass der leidenden Bevölkerung schnellstmöglich Hilfe geleistet werden muss, da sich die Wetterbedingungen in dem betroffenen Gebiet aufgrund der beginnenden Monsunzeit verschlechtern und damit eine zusätzliche Bedrohung für die notleidenden Überlebenden darstellen; hält es für wichtig zu gewährleisten, dass die betroffenen Bauern Unterstützung für das rechtzeitige Neuaussäen von Reis erhalten, damit eine weitere Katastrophe verhindert wird;
- 10. bekundet seine Unterstützung für die Bemühungen der Europäischen Union, der Vereinten Nationen, einzelner Staaten sowie weiterer internationaler und nichtstaatlicher Organisationen, Mitarbeitern humanitärer Organisationen Zugang zu verschaffen und betont, dass ohne die uneingeschränkte Zusammenarbeit der birmanischen Staatsführung die erhebliche Gefahr besteht, dass es zu einer noch viel größeren Tragödie kommt; setzt große Hoffnungen auf die anstehende Mission des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Kimoon, der zu Gesprächen mit der birmanischen Staatsführung eingeladen wurde; fordert den Generalsekretär der Vereinten Nationen nachdrücklich auf, seinen Einfluss auf die birmanische Staatsführung geltend zu machen, um Birma unverzüglich für humanitäre Hilfe jeglicher Art zu öffnen;
- 11. ist der Auffassung, dass die birmanische Staatsführung vor dem IStGH wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen werden sollte, falls sie weiterhin verhindert, dass die Hilfe diejenigen erreicht, die sich in Gefahr befinden fordert die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, auf eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu drängen und den Fall zur Ermittlung und Verfolgung an den Ankläger des IStGH zu verweisen;
- 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Sondergesandten der Europäischen Union für Birma, dem birmanischen Staatsrat für Frieden und Entwicklung, den Regierungen der Mitgliedstaaten von ASEAN und ASEM, dem "ASEAN Inter-Parliamentary Myanmar Caucus", Aung San Suu Kyi, der Nationalen Liga für Demokratie, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Menschenrechte in Birma zu übermitteln.