856. Sitzung des Bundesrates am 6. März 2009
A.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich das Ziel, die Energieeffizienz von Gebäuden weiter zu verbessern. Bei der Wärmeversorgung von Gebäuden, in die rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs der EU fließen, besteht ein erhebliches noch ungenutztes Energieeinsparpotenzial, das zudem über weite Strecken wirtschaftlich erschließbar ist. Mit Energieeinsparung und der Steigerung der Energieeffizienz können zudem alle drei Ziele der Energiepolitik, d. h. Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit, erreicht werden.
- 2. Für den Bundesrat bestehen jedoch erhebliche Zweifel, ob die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen und Instrumente in einem angemessenen und zweckmäßigen Verhältnis zu diesen Zielvorgaben stehen. Aus diesen Gründen werden die nachstehenden Punkte des Vorschlags für eine Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in der vorliegenden Fassung wie folgt kritisch beurteilt und teilweise abgelehnt. Der Richtlinienvorschlag kann in der vorliegenden Fassung nicht akzeptiert werden:
- 3. - Der Bundesrat sieht in der von der Kommission vorgeschlagenen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die nationalen Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ab 2017 an die nach einem vorgegebenen, EU-einheitlichen Rechenverfahren ermittelten "kostenoptimalen Mindestanforderungen" anzupassen, eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips. Es ist nicht erkennbar, dass das mit der Neufassung der Gebäude-Richtlinie verfolgte Ziel (Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich) von den Mitgliedstaaten nicht eigenständig erreicht werden kann. Die nationalen Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden unterscheiden sich zwar erheblich. Immobilien- und Wohnungsmärkte sind jedoch lokaler Natur und lassen keinerlei transnationale Aspekte erkennen, die ein Handeln auf EU-Ebene erfordern und damit rechtfertigen würden. Die Festsetzung konkreter Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden auf EU-Ebene, entweder direkt oder indirekt über das vorgeschlagene Benchmarking-Instrument, ist daher mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Streichung der in den Artikeln 4 und 5 vorgesehenen Regelungen (einschließlich der Formulierungen in den Erwägungsgründen) hinzuwirken. Alternativ hält es der Bundesrat für möglich, die Benchmarking-Methode (Artikel 5) als nichtbindendes Instrument, an dem sich die Mitgliedstaaten bei der Festlegung ihrer nationalen Mindestanforderungen orientieren können, vorzusehen.
- 4. - Die Kommission beabsichtigt, gemäß Artikel 5 des Richtlinienvorschlags bis zum 31. Dezember 2010 eine Vergleichsmethode zur Berechnung kostenoptimaler Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden oder Gebäudeteilen und zum Abgleich der Ergebnisse festzulegen. Der Bundesrat bittet um eine nähere Beschreibung dieser Methode und gibt zu bedenken, dass die kurze Fristsetzung sowohl für die Entwicklung dieser Methode als auch für den zugehörigen Abstimmungsprozess in den Mitgliedstaaten aus den Erfahrungen mit der europäischen Bauproduktnormung deutlich zu kurz erscheint.
- 5. - Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Entscheidung über die Errichtung und Finanzierung von Gebäuden, deren CO₂-Emissionen und Primärenergieverbrauch gering oder gleich Null sind und die damit über die von den Mitgliedstaaten festzulegenden Mindestanforderungen deutlich hinausgehen, in privatem bzw. unternehmerischem Verantwortungsbereich liegt. Der Staat ist gefordert, geeignete rechtliche Rahmenbedingungen bzw. finanzielle Anreize (Förderprogramme) zu schaffen. Zudem erscheint nach Auffassung des Bundesrates mit dem Vorschlag der Kommission, nach Vorlage des Berichts über die Fortschritte der Mitgliedstaaten eine Strategie zur Erhöhung der Anzahl der entsprechenden Gebäude zu erarbeiten, ein Einstieg in direkte Vorgaben der EU zu Niedrig- und Nullenergiehäusern vorgezeichnet.
Diese Vorgaben wären mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf die Streichung von Artikel 9 des Richtlinienvorschlags (einschließlich der Formulierungen in den Erwägungsgründen sowie in Artikel 1) hinzuwirken.
- 6. - Der Bundesrat lehnt die in Artikel 10 des Richtlinienvorschlags vorgesehenen Anforderungen an die Qualität der Modernisierungsempfehlungen in den Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz ab. Die Anforderungen gehen deutlich über den vertretbaren Kostenrahmen für den Energieausweis hinaus. Gleiches gilt für die in Artikel 15 des Richtlinienvorschlags vorgesehenen Inspektionsberichte. Berechnungen zur Kosteneffizienz von Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz müssen einer fundierten Energieberatung vorbehalten bleiben, die auf einer freiwilligen Inanspruchnahme basiert. Sollten die zusätzlichen Anforderungen an die Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz damit verbunden sein, dass zukünftig allein der so genannte Energiebedarfsausweis zulässig ist, kann dies nicht unterstützt werden. Insbesondere bei größeren Wohngebäuden mit mehr als vier Wohneinheiten liefert auch der preisgünstigere Verbrauchsausweis ausreichende Informationen.
- 7. - Der Bundesrat ist der Ansicht, dass zur Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich die regelmäßige Inspektion von Heizkesseln, wie in der geltenden Richtlinie vorgesehen, genügt. Der Nutzen einer Ausweitung auf die gesamte Heizungsanlage (Artikel 13 des Richtlinienvorschlags) und damit vor allem auf wartungsfreie bzw. wartungsarme Teile der Heizungsanlage (wie z.B. Heizkörper, Verteilleitungen usw.) ist nicht erkennbar.
- - Der Bundesrat sieht die Regelung in Artikel 16 des Richtlinienvorschlags, wonach die Ausstellung von Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz und der Berichte über die Heizungs- und Klimaanlagenprüfung durch qualifizierte und zugelassene Fachleute erfolgen muss, kritisch. Sollte die Regelung die Einführung eines eigenständigen Zulassungsverfahrens erfordern, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, wegen des damit verbundenen erheblichen bürokratischen Aufwands auf eine Beibehaltung der geltenden Regelung hinzuwirken.
- 8. - Der Bundesrat lehnt die in Artikel 17 in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe g und dem Anhang II detailliert geregelten Überprüfungen von Ausweisen und Inspektionsberichten in einer festgelegten Prozentzahl von Stichproben unterschiedlicher Prüftiefe bis hin zur aufwändigen Vor-Ort-Kontrolle ab. Die Einführung eines solchen Kontrollsystems würde wegen des erheblichen bürokratischen Aufwands den Bemühungen zur Entbürokratisierung, Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung zuwiderlaufen. Sie kann mit den bestehenden materiellen und fachspezifischen Ressourcen nicht geleistet werden. Zudem erscheint die Festlegung auf eine bestimmte Quote der zu kontrollierenden Ausweise und Inspektionsberichte weder Ziel führend noch angemessen. Es sollte weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, wie und in welchem Umfang Kontrollen vorgenommen werden. Ferner würde hier massiv in die Zuständigkeit der Länder für den Vollzug von EU- und Bundes-Vorschriften eingegriffen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, im weiteren Verfahren auf eine Streichung des Artikels 17 in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe g und Anhang II hinzuwirken.
- - Sollte sich aus Anhang I des Richtlinienvorschlags die kurzfristige Verpflichtung zur Anwendung noch nicht praxistauglicher europäischer Normen ableiten, so wäre dies aus der Erfahrung mit dem europäischen Bauprodukt-Normungsprozess nicht realitätsgerecht. Hier können allenfalls Optionen ausgesprochen werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass in Deutschland mit erheblichem Aufwand die DIN V 18599 eingeführt worden ist, die zumindest national zur gleichwertigen Anwendung im Vergleich zu europäischen Normen für eine angemessene Übergangsfrist von zehn Jahren zugelassen sein sollte.
- - Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Planung öffentlicher Gebäude die gleichen Vorlaufzeiten für Planung, Ausschreibung und Vergabe erfordert wie im privaten Bereich. Eine vorgezogene Anwendung der Anforderungen auf Behördengebäude gleich nach Umsetzung der Richtlinie ab dem 1. Januar 2011 ist deshalb nicht sachgerecht. Die entsprechenden Regelungen sind daher zu streichen.
- - Bei den in Artikel 23 vorgesehenen Fristen ist zu beachten, dass bei den Adressaten durch in kurzen zeitlichen Abständen geänderte energiesparrechtliche Vorschriften die Akzeptanz für energiesparende Maßnahmen verloren geht und die Bemühungen um eine Steigerung der Energieeffizienz ins Gegenteil verkehrt werden könnten. Insofern sollte darauf hingewirkt werden, dass die in der vorgeschlagenen Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfristen angemessen verlängert werden.
- 9. - Der Bundesrat weist abschließend auf die im Richtlinienvorschlag geforderten umfassenden Berichtspflichten und -termine der Mitgliedstaaten hin und gibt zu bedenken, dass diese - entgegen dem bisherigen Bemühen der Kommission um weitere Deregulierung - nicht nur zu einem deutlich gesteigerten Verwaltungsaufwand führen, sondern auch den Erfolg der Maßnahmen aufgrund der mangelnden - unter regionalen Gesichtspunkten geforderten - Flexibilität ernsthaft gefährden könnten.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der EU auf die Aussetzung der Novellierung der Richtlinie für zwei Jahre zu plädieren. Innerhalb dieser Zeit sollten alle Rückmeldungen der Mitgliedstaaten an die EU dokumentiert und nachvollziehbar ausgewertet werden. In dieser Zeit könnten auch die Hinweise der Ziffern 2 bis 9 der Stellungnahme geprüft werden.
B.
- 11. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.