Punkt 12 der 857. Sitzung des Bundesrates am 3. April 2009
Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat hält den Gesetzentwurf nicht für verfassungskonform.
Der Bund besitzt im Hinblick auf das Heimvertragsrecht keine Gesetzgebungskompetenz.
Mit Inkrafttreten der Föderalismusreform I wurde das Heimrecht gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 des Grundgesetzes ausdrücklich aus der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers ausgeklammert. Die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht ist vollständig, also einschließlich des Heimvertragsrechts, auf die Länder übergegangen.
Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung an die Länder differenziert nicht zwischen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Regelungsbereichen des Heimrechts. Die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Heimrecht umfasst auch die Möglichkeit, Rechtsverhältnisse zwischen Privaten zu regeln, um Notlagen gleich welcher Art vorzubeugen oder sie im Falle ihres Eintritts zu bekämpfen und die Heime zum Schutz der typischerweise besonders verletzlichen Heimbewerber und -bewohner in die Pflicht zu nehmen.
Begründung
In Bezug auf das Heimgesetz hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24. Oktober 2002 (vgl. BVerfGE 106, 134 f.) festgestellt, dass das Heimgesetz trotz der Inanspruchnahme Privater insgesamt auf den Kompetenztitel der "öffentlichen Fürsorge" in Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 GG alter Fassung gestützt werden kann. Denn dieses Gesetz umfasse nach seinem Anspruch und dem damit übereinstimmenden Regelungsgehalt den Schutz alter, pflegebedürftiger oder behinderter Menschen vor Beeinträchtigungen, die sich aus ihren Lebenssituation infolge des Heimaufenthalts und den daraus folgenden Abhängigkeiten typischerweise ergeben können".
Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 GG gewähre eine "uneingeschränkte Kompetenz für die unter Fürsorgegesichtspunkten regelungsbedürftigen Rechtsverhältnisse in Altenpflegeeinrichtungen".
Wenn der Begriff der öffentlichen Fürsorge auch die Inpflichtnahme Privater durch die öffentliche Hand beinhalten kann und das Heimwesen ein Teilaspekt der "öffentlichen Fürsorge" ist, kann auch die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht die Möglichkeit umfassen, Rechtsverhältnisse zwischen Privaten zu regeln. Worauf es ankommt, ist, Notlagen, gleich welcher Art - auch präventiv - vorzubeugen oder sie im Falle ihres Eintritts zu bekämpfen.
In diesem Sinne können auch Regelungen erlassen werden, die der Inpflichtnahme der Heime zum Schutz der typischerweise besonders verletzlichen Heimbewerber und -bewohner dienen.
Zwar kommt dem Bund gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG weiterhin die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht zu. Die Kompetenz des Bundes auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts darf aber nicht dazu führen, die legislative Verantwortung der Länder für die sozialstaatsadäquate Versorgung und Betreuung von Heimbewohnern in Heimen in privater Trägerschaft obsolet werden zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt die Zuordnung einzelner Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes dort, wo sie ihren Schwerpunkt haben. Dabei fällt besonders ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist.
Die enge Verbindung und ein dementsprechend geringer eingeständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprechen für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung (vgl. BVerfGE 97, 228, 251 f.; 97, 332, 341 ff.; 98, 145, 158 f.) Die enge Verzahnung des Heimvertragsrechts mit dem Heimrecht spricht daher deutlich für die Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung. Zudem geht es bei den beabsichtigten Regelungen nicht um allgemein bürgerlichrechtliche Beziehungen, die sich an einen potenziell unbegrenzten Adressatenkreis richten, sondern um den Schutz eines nach bestimmten - relativ engen - Kriterien bestimmten Adressatenkreises, der allerdings in aller Regel eines sehr umfassenden Schutzes bedarf.
Diese sozialtypische Besonderheit unterscheidet sich prinzipiell von den Rechtsbeziehungen, die regelmäßig den Regelungen des bürgerlichen Rechts zugrunde liegen oder von diesem bestimmt werden.