979. Sitzung des Bundesrates am 28. Juni 2019 der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel zu verlangen, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten.
Begründung:
Das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes begegnet erheblichen, auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere folgende Aspekte des Gesetzes sind abzulehnen:
- a) Die Annahme, beim Zusammenleben fremder erwachsener Menschen in Gemeinschaftsunterkünften ergäben sich im Alltagsleben Synergieeffekte, die der Situation einer ehelichen, eheähnlichen oder lebenspartnerschaftlichen Bedarfsgemeinschaft entsprächen und damit niedrigere Leistungen entsprechend der Regelbedarfsstufe 2 bzw. niedrigere Grundleistungen rechtfertigen könnten, entbehrt jeder empirischen Grundlage. Gerade bei gemeinschaftlicher Unterbringung von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprache, Nationalitäten und sozialer Hintergründe ist die Annahme entsprechenden gemeinschaftlichen Wirtschaftens in hohem Maße unrealistisch und auch geeignet, zusätzliches Konfliktpotential in den Unterkünften zu schaffen. Angesichts der damit einhergehenden Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums begegnet die Regelung verfassungsrechtlichen Bedenken. Darüber hinaus ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu alleinstehenden erwachsenen Leistungsberechtigten, die in einer Wohnung leben, rechtfertigen könnte.
- b) Die Reduzierung der Grundleistungen um die Bedarfe für Strom- und Wohnungsinstandhaltungskosten und die einzelfallbezogene Gewährung dieser Leistungen, soweit sie notwendig und angemessen sind, schränkt den Spielraum für das mit der Bedarfsbemessung beabsichtigte selbständige Wirtschaften weiter ein. Sie steht damit im Widerspruch zum Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und führt dazu, dass die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums weiter in Frage gestellt wird. Zugleich erhöht diese Regelung den Aufwand für die Leistungsbehörden, die hier eine Einzelfallprüfung vornehmen müssen, erheblich.
- c) Die Reduzierung des Regelbedarfes für 18- bis 25-jährige Leistungsberechtigte, die in der elterlichen Wohnung leben, erfolgt zu Lasten der jungen Volljährigen sowie deren Eltern. Die Regelung entspricht § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) . Sie hat jedoch keine Entsprechung im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Für erwachsene Leistungsberechtigte, die in einer Wohnung und nicht in einem Paar-Haushalt leben, gilt in der Sozialhilfe die Regelbedarfsstufe 1.
Anders als im SGB II hat das Asylbewerberleistungsgesetz ebenso wie das SGB XII nicht das "Fördern und Fordern" der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum Ziel, sondern die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums in einer Lebenssituation, in der die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes nur bedingt möglich ist. Ein geringerer Bedarf kann in dieser Lebensphase genau so wenig unterstellt werden wie bei jungen volljährigen Leistungsberechtigten im SGB XII.