919. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2014
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das mit dem Richtlinienvorschlag verfolgte Ziel, bestimmte Aspekte der Unschuldsvermutung zu betonen und die daraus resultierenden Verfahrensrechte Verdächtiger oder Beschuldigter im strafrechtlichen Ermittlungs- und Erkenntnisverfahren zu stärken. EU-weite Mindeststandards auf diesem Gebiet können ein wichtiger Beitrag zur Förderung des wechselseitigen Vertrauens der Justizbehörden der Mitgliedstaaten sein und hierdurch die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von justiziellen Entscheidungen erleichtern.
- 2. Der Bundesrat hält die Voraussetzungen, unter denen Abwesenheitsurteile zulässig sein sollen, für zu eng gefasst. Er empfiehlt eine Ausweitung auch auf Fälle, in denen Angeklagte sich in der Hauptverhandlung eigenmächtig entfernen, ihre Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich herbeiführen, auf eigenen Antrag von ihrer Anwesenheitspflicht entbunden oder beurlaubt werden, aus der Hauptverhandlung wegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung eines justizförmigen Verfahrensablaufs entfernt oder von dieser im Interesse der Wahrheitsfindung aus zwingenden Gründen oder zum Wohle von Zeugen, insbesondere Opfern und noch nicht erwachsenen Zeugen, ausgeschlossen werden müssen.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Erhebung von Daten zu Einzelfällen erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand nach sich ziehen wird. Die schlichte Erhebung von Fallzahlen berücksichtigt Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten nicht und ist daher kaum aussagekräftig. Oftmals wird ein Rechtsbehelf nicht spezifisch auf die in der Richtlinie geregelten Sachverhalte zugeschnitten sein; die Motivation eines Verdächtigen oder Beschuldigten, einen bestimmten Rechtsbehelf zu ergreifen, erschließt sich den Justiz- und Strafverfolgungsbehörden indes nicht und ist einer Erhebung durch diese daher nicht zugänglich. Für eine Bewertung, inwieweit die mit dem Richtlinienvorschlag verfolgten Ziele erreicht sind, erscheinen andere vorhandene Evaluierungsmechanismen besser geeignet.
B
- 4. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.