874. Sitzung des Bundesrates am 24. September 2010
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat hält grundsätzlich Regelungen zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und damit zur Sicherstellung der Koexistenz gentechnisch veränderter und konventionell gezüchteter Pflanzen auf europäischer Ebene für erforderlich.
Er hat in diesem Zusammenhang Bedenken gegen den von der Kommission vorgelegten Vorschlag einer Verordnung zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG, und insbesondere dazu, dass es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden soll, den Anbau EU-weit zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen in Teilen ihres Hoheitsgebietes zu beschränken oder zu untersagen.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass - sofern EU-einheitliche Regelungen nicht durchsetzbar sind - eine Anbaubeschränkung oder eine Anbauversagung nur für den Mitgliedstaat insgesamt gelten kann. Andernfalls bestehen keine ausreichenden Möglichkeiten, geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Koexistenz zwischen den Regionen zu ergreifen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass Artikel 26b dahingehend geändert wird, dass der Anbau aller oder bestimmter GVO, die gemäß Teil C der genannten Richtlinie oder der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zugelassen wurden und die aus gemäß den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften über das Inverkehrbringen von Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial auf den Markt gebrachten genetisch veränderten Sorten bestehen, nur für das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates insgesamt beschränkt oder untersagt werden kann.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die EU einen neuen Vorstoß unternimmt, um das Problem der Zulassung und des Anbaus von GVO einer Lösung zuzuführen. Allerdings gibt es Bedenken, wie die Mitgliedstaaten bei Umsetzung der "Optout"-Lösung ihren unions- und völkerrechtlichen Verpflichtungen hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit, den Grundrechten des Welthandelsrechts sowie den allgemeinen Grundsätze ihres Binnenmarktes nachkommen können. Hier fehlen konkrete und verbindliche Vorschläge in dem Verordnungsvorschlag, aufgrund welcher Gründe Mitgliedstaaten ein nationales Anbauverbot für in der EU zugelassene GVO erlassen können, ohne diese Verpflichtungen zu verletzen.
- 3. Auch darf es bei einer Umsetzung der "Opt-out"-Lösung weder zu einer beschleunigten Zulassung auf EU-Ebene für GVO noch zu einer Lockerung der strikten Vorschriften für die Bewertung von Umwelt- und Gesundheitsrisiken unter Beteiligung der Mitgliedstaaten kommen.
- 4. Nur in Verbindung mit den umfassenden Mitwirkungsrechten der Mitgliedstaaten bei der Zulassung von GVO auf EU-Ebene kann die Entscheidungsmöglichkeit der Mitgliedstaaten, den Anbau von GVO zu beschränken oder zu untersagen, einen wirksamen Beitrag dazu leisten, der schleichenden Verunreinigung des gesamten europäischen Binnenmarktes (also auch in Mitgliedstaaten mit Anbauverboten) mit GVO entgegenzusteuern.
- 5. Der Bundesrat würde es darüber hinaus begrüßen, wenn die Bundesregierung bereits entsprechend der neuen Koexistenzleitlinien der Kommission vom 13. Juli 2010 im Rahmen des derzeit geltenden EU-Rechts alle Möglichkeiten ausschöpft, gentechnikfreien Regionen mehr Rechtssicherheit zu gewähren, und dabei den Ländern die notwendigen Entscheidungskompetenzen überträgt.
- 6. Im Übrigen hält der Bundesrat eine umfassende Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Produkten - auch über Nahrungs- und Futtermittel hinaus - für zwingend erforderlich, um die Wahlfreiheit für den Verbraucher vollständig zu gewährleisten.
B
- 7. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß § § 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.