980. Sitzung des Bundesrates am 20. September 2019
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass die Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit das Fundament unserer Gesellschaften und gemeinsamen Identität s i.d.R. chtsstaatlichkeit ist von zentraler Bedeutung für das Funktionieren der EU.
- 2. Der Bundesrat betont, dass die Justizorganisation grundsätzlich den Mitgliedstaaten obliegt; in Deutschland sind vorrangig die Länder Träger der Justiz. Bei der Stärkung und Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit ist die Bedeutung gewachsener und bewährter nationaler Traditionen zu berücksichtigen.
- 3. Die Kommission erwägt einen Überprüfungszyklus, der sämtliche Bereiche staatlichen Handelns erfasst, darunter das Gesetzgebungsverfahren, die Durchführung von Wahlen und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Aus Sicht des Bundesrates folgt aus der Debatte über konkrete Rechtsstaatlichkeitsfragen in den Mitgliedstaaten kein Auftrag der Kommission zu einer dauerhaften und nicht anlassbezogenen Überprüfung der staatlichen Funktionsfähigkeit. Der Erfassungsbereich einer solchen Überprüfung könnte allenfalls nach klaren Kriterien umgrenzt werden und auf Maßnahmen der konkreten Durchführung von EU-Recht beschränkt bleiben. Es besteht keine Befugnis der Kommission, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Gewalt in den Mitgliedstaaten generell zu überprüfen.
- 4. Die Kommission erwägt einen Überprüfungszyklus, der sämtliche Bereiche staatlichen Handelns umfasst, sofern sie in einem engen Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit stehen - darunter neben den Justizbehörden auch das Gesetzgebungsverfahren, die Durchführung von Wahlen und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Der Erfassungsbereich dieses Überprüfungszyklus sollte eng umgrenzt werden und die Überprüfung sollte nach klaren Kriterien erfolgen. Die Informationserhebungen sind auf das erforderliche Mindestmaß zu reduzieren.
- 5. Sofern hierfür ein Netzwerk nationaler Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten geschaffen werden soll, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Beteiligung von Vertretern der Länder sicherzustellen.
- 6. Die Informationserhebungen sind auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
- 7. Mangelndes Faktenwissen oder mangelndes Datenmaterial stellten bislang keine wesentliche Hürde für Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit dar.
- 8. Der Bundesrat sieht die Überlegungen der Kommission kritisch, das EU-Justizbarometer zum Zweck der allgemeinen Beurteilung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten weiterzuentwickeln, insbesondere durch eine noch weitere Ausdehnung auf Straf- und Verwaltungsjustiz. Er weist darauf hin, dass für die allgemeine Evaluation der Justizsysteme grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig sind. Eine Ausweitung des EU-Justizbarometers steht nicht im Einklang mit dem von der Kommission bei dessen Schaffung formulierten Zweck als Baustein der Wirtschaftsstrategie der EU.
- 9. Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Verhältnis der vorgeschlagenen Maßnahmen zu dem im Rat diskutierten Peer-Review-Verfahren ungeklärt scheint. Er regt an, die Vorschläge abzustimmen, um Parallelstrukturen zu vermeiden.
- 10. Der Bundesrat betont, dass zur belastbaren Beurteilung der Rechtsstaatlichkeit die Einholung externen Sachverstands nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollte. Die Prüfung durch unabhängige Expertinnen und Experten gewährleistet ein verlässliches Gesamtbild, das die Gepflogenheiten in den Mitgliedstaaten mitberücksichtigt. Die Erkenntnisquellen der Kommission könnten hierdurch wertvoll ergänzt werden, ohne diese rechtlich zu binden.
- 11. Der Bundesrat unterstützt die Kommission darin, Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit systematisch, zügig und auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU zu bekämpfen.
- 12. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission überein, dass für die förmlichen Prozesse beim Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips und bei Artikel 7 EUV klarere Verfahren und Fristen festgelegt werden sollten. Falls sich die bestehenden Instrumente auf Dauer als unwirksam erweisen, sollte auch eine Vertragsänderung hin zu neuen wirksameren Instrumenten nicht ausgeschlossen werden.
- 13. Der Bundesrat sieht mit Interesse Überlegungen der Kommission, weitere Maßnahmen zu prüfen, um den möglichen Auswirkungen anhaltender Rechtsstaatlichkeitsprobleme auf andere Politikbereiche der EU auch außerhalb der Unionsfinanzen entgegenzuwirken.
- 14. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 15. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.