912. Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013
A
Der Gesundheitsausschuss (G), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz den geänderten Verordnungsvorschlag zur unlängst angenommene Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ("Biozidprodukteverordnung"). [Einige ungewollte, erst jetzt erkannte Folgen dieser Biozidprodukteverordnung erfordern bereits vor Inkrafttreten am 1. September 2013 eine Änderungsverordnung.]
- 2. Von der Kommission gesehene Mängel an der Verordnung werden mit dem Änderungsentwurf wirksam behoben.
- 3. Der Bundesrat begrüßt die mit Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Verordnungsvorschlages vorgesehene Neufassung der Regelung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012, wonach Biozidprodukte, die aus Stoffen, die die Kriterien PBT (persistent, bioakkumulierbar, toxisch) oder vPvB (sehr persistent, sehr bioakkumulierbar) gemäß Anhang XIII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 erfüllen, bestehen, diese enthalten oder erzeugen, nicht für die Verwendung durch die breite Öffentlichkeit zuzulassen sind. Der Bundesrat sieht jedoch die Notwendigkeit, die Zulassungsversagung an das Überschreiten eines allgemeinen Grenzwerts für diese Stoffe zu koppeln, um Schwierigkeiten mit Spurenverunreinigungen auszuschließen.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich gegenüber der Kommission für die Einführung eines geeigneten Grenzwertes einzusetzen.
- 5. Allerdings sind die geänderten Regelungen für die Bewertung anhand der Kriterien PBT (persistent, bioakkumulierend und toxisch) und vPvB (sehr persistent, sehr bioakkumulierend) in Artikel 19 Absatz 4 Buchstabe c aus Sicht des Umwelt- und Gewässer- sowie Grundwasserschutzes nicht ausreichend. Nach der Änderung in 2012 sollten "nur" die Produkte/Gemische untersucht und bewertet werden, nach neuem Vorschlag "nur" die Einzelstoffe. Wenn aber die Produkte aus Stoffgemischen bestehen, fehlt eine Bewertung des Gemisches. Sinnvoll wäre daher eine Untersuchung der Gemische und der Einzelstoffe, zumindest bezogen auf das "T = Toxizität", da Stoffgemische anders toxisch wirken können als ihre einzelnen Bestandteile: Stoffgemische besitzen nach dem anerkannten Konzept der Konzentrations-Additivität eine höhere Toxizität als die jeweiligen Einzelstoffe. Demnach würde eine Bewertung allein auf der Grundlage einer Untersuchung der Einzelstoffe, ohne Untersuchung der Gemische, offensichtliche Umweltrisiken ignorieren.
Die Bewertung der Toxizität von Gemischen kann allerdings zur Zeit noch nicht geregelt werden, da es derzeit keine materiellen Bewertungsgrundlagen wie z.B. Kriterien und Testmethoden für Gemische gibt. Derzeit werden aber auf EU-Ebene gemäß dem Dokument COM (2012) 252 final - Kommissionsmitteilung über Kombinationswirkungen von Chemikalien, Chemische Mischungen vom 31. Mai - 2012 im Rahmen einer übergreifenden Arbeitsgruppe ((Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit - EFSA), European Chemical Agency (ECHA), European Medicines Agency (EMEA) und Europäische Umweltagentur (EEA)) weitere Grundlagen zur Berücksichtigung von Kombinationswirkungen (Humantoxizität, "Umwelttoxizität") erarbeitet.
Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich bei den anstehenden Verhandlungen bei der Kommission für folgendes Vorgehen einzusetzen:
- - Die Ergebnisse der o.g. übergreifenden Arbeitsgruppe zum Thema Kombinationswirkungen sind vor der geplanten Veröffentlichung im Juni 2015 breit in der europäischen Fachöffentlichkeit zu kommunizieren und zu diskutieren.
- - Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse zu Kombinationswirkungen ist zu prüfen, ob und inwieweit diese in das europäische Stoffrecht bzw. in die Umweltgesetzgebung zu integrieren sind.
- 6. Der Bundesrat begrüßt insbesondere auch, dass mit der Änderungsverordnung die Artikel 89 Absatz 4 und Artikel 93 Absatz 2, nun Übergangszeiträume für Biozidprodukte vorsehen, bei denen eine Zulassung an Auflagen geknüpft wird.
- 7. Der Bundesrat erachtet jedoch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Notwendigkeit, für die bestehende Form eines bereits in Verkehr befindlichen Biozidprodukts, zu dem zwar eine Zulassung erteilt wird, die Auflagen der Zulassung aber eine Änderung des Produkts erfordern, den zuständigen Behörden einen Ermessensspielraum einzuräumen. Bei nicht sicherheitsrelevanten Zulassungsauflagen sollten im Einzelfall die zuständigen Behörden eine längere Übergangsfrist bestimmen können. Dies gilt beispielsweise für Produkte, bei denen lediglich formale Auflagen gestellt werden, wie beispielsweise das Aufbringen der Zulassungsnummer.
- 8. Die vorgegebenen Abverkaufs-, Beseitigungs-, und Verwendungsfristen bei Biozidprodukten können für Marktteilnehmer zu unverhältnismäßigen Be - la tungen führen. Beispielsweise ist es Unternehmen innerhalb dieser Frist oft s nicht möglich, Produkte vollständig zu verwenden, so dass sie vorhandene Erzeugnisse unter teils hohen Kosten beseitigen müssen. Außerdem sind Produzenten oft nicht in der Lage, innerhalb der Frist ein die Auflagen erfüllendes Produkt zu produzieren, so dass Vermarktungslücken entstehen können.
Schließlich muss berücksichtigt werden, dass, sollte ein Produkt wegen einer nicht sicherheitsrelevanten Auflage beseitigt und neu produziert werden, eine unnötige zusätzliche Gefährdung und Umweltbelastung auf Grund der Beseitigung und Neuproduktion entsteht.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich gegenüber der Kommission dafür einzusetzen, dass den zuständigen Behörden ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, bei Biozidprodukten, deren Zulassungen an nicht sicherheitsrelevante Auflagen geknüpft sind, längere Abverkaufs-, Beseitigungs-, und Verwendungsfristen bestimmen zu können.
B
- 10. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.