Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 beschlossen, zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 gemäß Artikel 110 Absatz 3 des Grundgesetzes und zu dem Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 gemäß § 9 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft und § 50 Absatz 3 Satz 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf und zum Finanzplan allgemein
- a) Die vergleichsweise robuste Verfassung der Konjunktur und des Arbeitsmarkts in Deutschland schlägt sich positiv im öffentlichen Gesamthaushalt, und insbesondere im Bundeshaushalt, nieder. Sie wirkt dämpfend auf bestimmte Ausgabenbereiche und stabilisiert die Entwicklung der staatlichen Einnahmen. Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung es im Windschatten dieser günstigen Entwicklung versäumt hat, den Bundeshaushalt zukunftssicher auszugestalten. Der Bundesrat weist zudem auf die nach wie vor bestehenden erheblichen Risiken für gesamtwirtschaftliche Entwicklung und öffentliche Haushalte hin. Neben der Möglichkeit steigender Zinssätze und entsprechend zunehmender Zinsausgaben betrifft dies insbesondere eine erneute Verschärfung der Krise im Euroraum.
- b) Vor diesem Hintergrund sieht es der Bundesrat besonders kritisch, dass die Bundesregierung auch in ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2014 wieder die Reserven der Sozialversicherung zur Verbesserung der eigenen Haushaltssituation verwendet, indem sie erneut den Zuschuss an den Gesundheitsfonds kürzen will.
- c) Aus Sicht des Bundesrates sind die Risiken, die von der Finanzkrise in Europa für den Bundeshaushalt ausgehen, unzureichend im Entwurf des Bundeshaushalts und der Finanzplanung berücksichtigt. Das Risiko, dass ein weiteres Griechenlandhilfspaket kommen muss, ist unübersehbar; dieses Risiko muss deshalb haushalterisch abgebildet sein. Ferner ist der Übertragungskanal zwischen maroden Bankenbilanzen und Staatsfinanzen in Europa noch immer nicht unterbrochen. Die Zusage der Bundesregierung, kriselnden Banken direkten Zugang zu den Mitteln des Europäischen Stabilitätsmechanismus zu gewähren, birgt nach Auffassung des Bundesrates enorme Gefahren. Künftig ist zu gewährleisten, dass eine Übernahme durch die Steuerpflichtigen allenfalls als ultima ratio in Betracht kommen kann.
- d) Aus Sicht des Bundesrates ist weiterhin auch eine strukturelle Steigerung der Einnahmebasis von Bund, Ländern und Kommunen unerlässlich, um die Erbringung der notwendigen staatlichen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger bei gleichzeitiger Einhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Schuldengrenzen dauerhaft sicherzustellen. Ein qualitativ attraktives Angebot an öffentlichen Gütern und Leistungen ist notwendige Bedingung für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands und den Wohlstand seiner Bürgerinnen und Bürger. Der Bundesrat hält es daher für geboten, Bezieher sehr hoher Einkommen und Vermögende stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 42 auf 49 Prozent erhöht werden sollte. Zusätzlich bedarf es der Wiedereinführung einer Vermögensteuer, um auch große Vermögen an der Finanzierung staatlicher Leistungen zu beteiligen. Der Bundesrat sieht in den genannten Maßnahmen einen Beitrag, die notwendige Konsolidierung nicht zu Lasten derjenigen vorzunehmen, die aufgrund ihrer Lebenssituation staatlicher Unterstützung bedürfen.
- e) Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang auch an eine Reihe von Maßnahmen der Bundesregierung, die Situation auf der Einnahmeseite des Bundeshaushalts zu verbessern (Brennelementesteuer, Luftverkehrsabgabe, Bankenabgabe, Anhebung der Tabaksteuer). Er weist darauf hin, dass diese Maßnahmen indirekt die Haushalte von Ländern und Gemeinden belasten, weil sich in der Folge die Basis der Gemeinschaftsteuern vermindert und der Bund einseitig auf einen größeren Anteil an den gesamtstaatlich zur Verfügung stehenden steuerlichen Bemessungsgrundlagen zugreift. Nach Auffassung des Bundesrates müssen die dadurch entstehenden Mindereinnahmen von Ländern und Gemeinden durch den Bund ausgeglichen werden.
- f) Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Steuergerechtigkeit und eine faire Finanzierung des Gemeinwesens die Grundvoraussetzungen für ein funktionierendes Staatswesen und einen handlungsfähigen Staat darstellen. Die notwendigen staatlichen Einnahmen lassen sich nur erzielen, wenn die ehrlichen Steuerzahlenden nicht die Dummen sind. Der Bundesrat sieht hier dringenden Handlungsbedarf. So entgehen dem Staat nach seriösen Schätzungen durch Steuerhinterziehung jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe - Ressourcen, die z.B. in Bildung und Infrastruktur investiert oder zum Schuldenabbau eingesetzt werden könnten.
Nach Auffassung des Bundesrates hat sich die Bundesregierung im Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung allerdings nur äußerst halbherzig gezeigt:
- - Das von der Bundesregierung schlecht verhandelte Steuerabkommen mit der Schweiz hätte eine abgeltende Wirkung gehabt, die Steuerhinterziehern die volle Anonymität gesichert hätte. Steuersünder mit der größten kriminellen Energie wären besonders belohnt worden. Darüber hinaus wäre das geplante Steuerabkommen für die Durchsetzung eines weltweiten automatischen Informationsaustauschs kontraproduktiv gewesen. Der Bundesrat hat das von der Bundesregierung geplante Steuerabkommen mit der Schweiz aus diesen Gründen abgelehnt. - In Deutschland bestehende Steuerschlupflöcher in Form von Gestaltungsmöglichkeiten bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer wurden erst auf Drängen des Bundesrates geschlossen.
- - Aus Sicht des Bundesrates wäre es die Aufgabe der Bundesregierung gewesen, sich entschieden gegen steuerliche Sonderregime und Anreizsysteme auch in anderen EU-Mitgliedstaaten einzusetzen. Insbesondere hätte die Bundesregierung prüfen müssen, was Deutschland gemeinsam mit anderen EU-Staaten gegen so genannte Patent-Lizenzboxen und andere Gestaltungsmodelle in der Konzernfinanzierung tun kann. Die Bundesregierung ist aus Sicht des Bundesrates ihren Aufgaben - und ihren eigenen Ankündigungen - auf diesem Gebiet nicht gerecht geworden.
- - Die bestehenden Regelungen zur Selbstanzeige und die geltenden Verjährungsfristen in Fällen von Steuerhinterziehung müssen nach Auffassung des Bundesrates überdacht werden.
- - Der Bundesrat hält es für dringend geboten, den Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden national und international effektiver zu gestalten, um Steueroasen weltweit trockenzulegen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung erneut dazu auf, sich mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, dass der automatische Informationsaustausch insbesondere auch auf europäischer Ebene zum Standard wird. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung und die Bemühungen der Kommission zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der EU-Zinsrichtlinie.
- g) Nach dem Eindruck des Bundesrates bestehen erhebliche Zweifel, dass die Bundesregierung trotz anderslautender Bekundungen ernsthaft an der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa interessiert ist. Selbst konkrete Konzepte zur Einführung dieser Steuer werden von der Bundesregierung nicht mit dem nötigen Nachdruck gegenüber den Einwänden verschiedener Interessengruppen verteidigt. Eine Finanztransaktionssteuer hält der Bundesrat für notwendig, um die Verursacher der Finanzkrise an den Kosten zur Bewältigung der Krise zu beteiligen.
- h) Der Bundesrat sieht mit großer Sorge, dass die Existenz der Erbschaftsteuer wegen des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Ausnahmen für den Unternehmensbereich akut gefährdet ist. Nach Auffassung des Bundesrates muss die Erbschaftsteuer aus Gerechtigkeitsgründen, aber auch als Einnahmequelle der Länderhaushalte, dringend erhalten bleiben.
- i) Der Bundesrat erinnert daran, dass sich die Bundesregierung nach eigenem Bekunden Fortschritte bei der Steuervereinfachung zum Ziel gesetzt hatte. Ein entsprechendes Gesetz wurde allerdings erst auf Druck des Bundesrates auf den Weg gebracht. Der Bundesrat hat außerdem bereits im Dezember 2012 einen Gesetzesantrag zur weiteren Vereinfachung des Steuerrechts beschlossen, der zu einer erheblichen Entlastung sowohl der Steuerpflichtigen als auch der Finanzverwaltung im Besteuerungsprozess führen würde. Dieser Gesetzesantrag wurde im Weiteren nicht aufgegriffen. Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung an der Umsetzung ihres selbstgesetzten Ziels nicht weiter festgehalten hat.
- j) Der Bundesrat stellt fest, dass es erneut eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes bedurfte, bis die Bundesregierung der Forderung des Bundesrates nachkam, die Rechtsgrundlagen für eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht zu schaffen. Aus Sicht des Bundesrates stehen weiterhin notwendige Änderungen in anderen Gesetzen aus, die der Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe dienen.
- k) Der Bundesrat bedauert, dass der Ankündigung der Bundesregierung, den Anwendungsbereich des ermäßigten Satzes bei der Umsatzsteuer zu überprüfen, keine Taten gefolgt sind. Er kritisiert, dass mit der Anwendung des ermäßigten Satzes bei Hotelübernachtungen eine weitere ungerechte und unsystematische Ausnahme im Umsatzsteuerrecht geschaffen wurde, und fordert mit Nachdruck die Abschaffung dieser Ausnahme.
- l) Der Bundesrat bedauert, dass finanzpolitische Zusagen der Bundesregierung an Länder und Gemeinden in vielen Fällen nicht oder nicht vollständig eingehalten wurden. Länder und Gemeinden haben den überwiegenden Anteil daran, dass das 10 Prozent-Ziel für Forschung und Bildung erreicht wird. Hierfür sind erhebliche Anstrengungen in den Haushalten von Ländern und Gemeinden erforderlich, die die Finanzierung anderer wichtiger Aufgaben gefährden. Die dringend erforderliche Erhöhung des Umsatzsteueranteils von Ländern und Gemeinden wurde von der Bundesregierung bisher jedoch nicht umgesetzt.
- m) Der Bundesrat weist auch darauf hin, dass die Bundesregierung ihre Zusage aus der Einigung über die Umsetzung des Fiskalvertrags nicht umgesetzt hat, gemeinsame Bund-Länder-Anleihen mit gemeinschaftlicher Haftung (Deutschland-Bonds) einzuführen.
- n) Der Bundesrat betont zum wiederholten Mal, dass es nach wie vor einer erheblichen Entlastung der Kommunalhaushalte von Sozialausgaben bedarf. Viele Kommunen sind bereits durch die hohe Belastung der Sozialausgaben an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gedrängt. Die Entlastung der Gemeinden von den Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung kam lediglich auf Druck der Länder und unter einer faktisch hälftigen Beteiligung der Länderhaushalte zustande. Die von der Bundesregierung zugesagte Beteiligung an den Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung wurde bislang nicht in Angriff genommen.