Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates: "Betretungsrechte für Tierschutzkontrollen in Verarbeitungsbetrieben für Tierische Nebenprodukte und Rückverfolgbarkeit von Falltieren"

Der Bundesrat hat in seiner 976. Sitzung am 12. April 2019 beschlossen, die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen

Anlage
Entschließung des Bundesrates: "Betretungsrechte für Tierschutzkontrollen in Verarbeitungsbetrieben für Tierische Nebenprodukte und Rückverfolgbarkeit von Falltieren"

Begründung:

Mit dem Entschließungsantrag setzt sich der Bundesrat für tierschutzrechtliche Kontrollen in VTN-Betrieben sowie die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit bei Falltieren zum Herkunftsbetrieb ein. Zweck ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Ermöglichung der Ermittlung und Ahndung wegen an angelieferten Kadavern festgestellter tierschutzrelevanter Befunde.

Nach dem in § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) verankerten Grundsatz ist das Tier als Mitgeschöpf anerkannt. Aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf ist dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Die Mitgeschöpflichkeit der Tiere gibt dem Menschen eine entsprechende Verantwortung gegenüber dem Tier auf. In § 2 TierSchG sind die Anforderungen an die Tierhaltung normiert: Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, (1.) muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, (2.) darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, (3.) muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Für verschiedene landwirtschaftliche Nutztierarten und Nutzungsrichtungen gibt es bezüglich der Haltung in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) konkrete Vorgaben. Auch die angemessene Versorgung kranker oder verletzter Tiere ist in den §§ 1 und 2 TierSchG geregelt. Zur Umsetzung des tierschutzrechtlichen Grundsatzes in § 1 TierSchG verlangt die Pflegeverpflichtung in § 2 TierSchG eine angemessene Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung. Weiterhin wird auch in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordung präzisiert, dass jeder, der Nutztiere hält - soweit erforderlich - unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere zu ergreifen hat (§ 4 Absatz 1 Nummer 3 TierSchNutztV).

Dieser Verantwortung des Menschen für das Tier wird nicht immer vollumfänglich nachgekommen: Nach einer neueren Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover hat sich der Verdacht bestätigt, dass an Kadavern in VTN-Betrieben tierschutzrelevante Befunde erhoben werden können, deren Ursache im abgebenden Haltungsbetrieb liegen (E. große Beilage (2017): Untersuchungen an verendeten/getöteten Schweinen in Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte, Hannover 2017, DVG-Service GmbH, ISBN 978-386345-389-3).

In der Tierproduktion sind VTN-Betriebe "Flaschenhälse", durch die in den Haltungsbetrieben (not-) getötete und verendete Tiere der unschädlichen Beseitigung zugeleitet werden. Daher können dort auch Kadaver mit tierschutzrelevanten Befunden, die aus Mängeln in der Haltung und Fürsorge/Pflege der Tiere oder auch aus einer ggf. unsachgemäß durchgeführten Nottötung resultieren, vorgefunden werden.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer steigenden Sensibilisierung der Bevölkerung wird die Tierhaltung aus tierschutzrechtlicher Sicht zunehmend kritisch hinterfragt.

Es gilt, den Tierschutz in allen Bereichen weiter zu stärken. Die Weiterentwicklung des Tierschutzes ist konsequent und flächendeckend voranzubringen. Vor diesem Hintergrund kann die Einführung von Betretungsrechten in VTN-Betrieben für die routinemäßige Überprüfung von Tierkadavern auf Vorliegen tierschutzrelevanter Befunde sowie die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Kadavern zum abgebenden Haltungsbetrieb bei Anlieferung in VTN-Betrieben einen Beitrag zu mehr Tierschutz leisten.

Regelungsspielräume, die das europäische und das nationale Recht einräumen, sollen im Sinne der Weiterentwicklung des Tierschutzes vom Gesetzgeber genutzt werden. Erforderlichenfalls sollte sich die Bundesregierung bei der EU-Kommission für eine entsprechende Überarbeitung des einschlägigen EU-Rechts bzw. die Ausweitung nationaler Regelungsspielräume einsetzen.

Mit der Entschließung des Bundesrates soll dem Bund die Möglichkeit eingeräumt werden, das Tierschutzanliegen umfassend zu würdigen und einen Gesetzgebungsvorschlag zu entwickeln.