Der Bundesrat hat in seiner 892. Sitzung am 10. Februar 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission im Beschluss vom 20. Dezember 2011 - K(2011) 9380, Amtsblatt L007 vom 11. Januar 2012, Seite 3 ff., den Anwendungsbereich für die Freistellung von Ausgleichsleistungen von der Anmeldepflicht vor allem im Hinblick auf soziale Dienstleistungen substanziell erweitert hat. Gleichwohl bleibt auch der Rahmen für die beihilferechtliche Billigung von Ausgleichsleistungen für Beihilfen, die vom Beschluss nicht erfasst werden, weiterhin relevant.
- 2. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission die Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland zum Rahmen im Konsultationsverfahren weitgehend nicht berücksichtigt hat.
Er hebt die darin enthaltenen Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen Berechnungsmöglichkeiten für Ausgleichsleistungen, der Ermittlung des angemessenen Gewinns, der zusätzlichen Effizienz- und Wettbewerbskriterien, die die Kommission ihrer Prüfung zu Grunde zu legen gedenkt, sowie der Berichts- und Begründungspflichten hervor.
- 3. Der Bundesrat befürchtet, dass die Positionierungen und die Vorschläge der Kommission nicht zu der von der Kommission in Aussicht gestellten größeren Rechtssicherheit und den erhofften Erleichterungen führen werden. Vielmehr besteht die Gefahr einer weiteren Ausweitung der Komplexität des Beihilferechts und einer unakzeptablen Erhöhung des bürokratischen Aufwands für die öffentlichen Stellen. Eine Umsetzung der Vorstellungen der Kommission wird insbesondere für die hauptbetroffene kommunale Ebene negative Auswirkungen haben.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei weiteren Verhandlungen mit der Kommission an den Positionen der Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland vom 19. Oktober 2011 festzuhalten.
- 5. Er kritisiert die Vorgabe der Kommission, den Bedarf an öffentlichen Dienstleistungen durch eine Konsultation oder andere Mittel nachzuweisen. Der Bundesrat betont, dass es nach der Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten allein den Mitgliedstaaten, ihren Regionen, Ländern und Behörden obliegt, zu bestimmen, was Leistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse sind und wie sie erbracht werden sollen. Damit steht im Widerspruch, dass im Rahmen einer zusätzlichen Prüfung möglicher Wettbewerbsauswirkungen der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten zur Organisation von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse eingeschränkt wird. Ob eine mitgliedstaatliche Körperschaft sich entschließt, die Aufgabenbetrauung auf eine oder wenige Aufgabenträger zu konzentrieren, sich im öffentlichen Interesse zu engagieren, obwohl bereits - gewinnorientierte - Marktteilnehmer vorhanden sind, in einem nicht unionsrechtlich liberalisierten Bereich ausschließliche oder besondere Rechte zu verleihen oder einen Aufgabenträger mit der Finanzierung von Infrastrukturen zu betrauen, obliegt allein der jeweiligen nationalen Organisationshoheit. Soweit eine mitgliedstaatliche Ausgleichsleistung den u.a. im Rahmen niedergelegten beihilferechtlichen Anforderungen genügt, sind diese Entscheidungen der Mitgliedstaaten von der Kommission hinzunehmen.
- 6. Der Bundesrat stellt klar, dass der Rahmen keine über das spezifische EU-Recht zum öffentlichen Auftragswesen hinausgehenden Verpflichtungen zur Ausschreibung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse begründet. Die Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens ist beihilferechtlich nur eines von mehreren Instrumenten zur Ermittlung angemessener Ausgleichsleistungen.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission im verabschiedeten Rahmen die Vorgaben an den Nachweis der Höhe der Ausgleichsleistungen hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsleistungen etwas gelockert hat. Gleichwohl bleibt zu beanstanden, dass zur Ermittlung des zulässigen Ausgleichs weiterhin als Regelfall die "Netavoidedcost"- Methode und der interne Ertragssatz (Internal Rate of Return) für die Bestimmung des angemessenen Gewinns vorgegeben wird. Diese Vorgabe wird der Vielgestaltigkeit möglicher Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und den jeweiligen unterschiedlichen sachlichen und örtlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Auch hier ist es grundsätzlich Angelegenheit der jeweiligen nationalen Stelle, das geeignete Verfahren selbst zu bestimmen. Einer gesteigerten Begründungspflicht für die Wahl einer alternativen Kosten- beziehungsweise Gewinnermittlung bedarf es daher nicht.
- 8. Der Bundesrat legt weiterhin Wert auf die Feststellung, dass es den jeweiligen nationalen Stellen überlassen bleiben muss, ob sie in den Mechanismus der Ausgleichsleistungsberechnung Effizienzkriterien integrieren. Soweit sie sich hierzu entschließen, darf bei einer Übererfüllung vorgegebener Effizienzkriterien auch ein angemessener Zusatzertrag beim Erbringer der Dienstleistung verbleiben. Insoweit greift das Verbot der Überkompensation nicht.