Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz
(Arbeitsschutzkontrollgesetz)

Punkt 32 der 993. Sitzung des Bundesrates am 18. September 2020

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, zu prüfen

Begründung:

Der Bundesrat begrüßt die im Gesetzentwurf zum Ausdruck kommende grundsätzliche Zielsetzung, gravierende Mängel unter anderem in der Fleischindustrie zu beheben. Hierzu kann das Arbeitsschutzkontrollgesetz einen entscheidenden Beitrag leisten.

Der Bundesrat stellt jedoch fest, dass die vorgesehenen Änderungen nicht ausreichen, um die soziale Situation der ausländischen Beschäftigten in der Fleischindustrie soweit zu verbessern wie erforderlich.

Viele ausländische Arbeitskräfte verfügen, auch bedingt durch Sprachbarrieren, nicht über ausreichende Kenntnisse über ihre Rechte und Pflichten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und als Bürgerinnen und Bürger. Häufig sind es die niedrigen Qualifikationen und die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen im Herkunftsland, die die selbständige Orientierung erschweren. Manche Personen leben teilweise seit vielen Jahren isoliert und ohne Kontakte zur und in die Gesellschaft. Es zeigte sich, dass prekäre Arbeitsverhältnisse die Integration von Menschen in die Gesellschaft verhindern können.

Die mangelnde Anbindung an die Gesamtgesellschaft verstärkt wiederum die Gefahr der Arbeitsausbeutung. Gerade Arbeitskräfte aus EU-Mitgliedstaaten, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen und daher für Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik keine deutschen Sprach- und Rechtskundekenntnisse benötigen, können hiervon betroffen sein.

Es hat sich zudem gezeigt, dass die faktische Isolation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne außerbetriebliche Kontakte in die Gesellschaft auch ein gesundheitliches Risiko darstellen kann. Zum einen kann eine mangelnde Anbindung an die heimische Bevölkerung zu einem Informationsdefizit führen, was wiederum den Schutz vor ansteckenden Krankheiten wie Covid-19 erschwert. Zum anderen sind soziale Kontakte und die Einbindung in das gesellschaftliche Leben auch wichtige Voraussetzungen für die psychische Gesundheit eines jeden Menschen.

Es besteht daher ein besonderes Unterstützungsbedürfnis dieser Personengruppe der ausländischen Arbeitskräfte hinsichtlich der Integration und Teilhabe. Die Erfahrungen aus Zeiten der Gastarbeitergeneration haben gezeigt, dass die frühzeitige Einbindung der eingewanderten Arbeitskräfte und deren Familien in die Gesellschaft von besonderer Bedeutung ist. Die Partizipation aller am gesellschaftlichen Leben ist anzustreben und eine menschenwürdige Lebensführung ist nur bei einer Vereinbarkeit von Arbeit und Privatem möglich. Die Möglichkeit zum Aufbau und zur Pflege sozialer Kontakte ist hierfür elementar.

Unternehmen haben sowohl eine Fürsorgepflicht für ihre Arbeitskräfte als auch eine besondere gesellschaftliche Verantwortung. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen Beschäftigte für die Arbeitsaufnahme aus dem Ausland durch den Arbeitgeber angeworben werden. Für diese Beschäftigte hat der Arbeitgeber besondere Fürsorgepflichten und muss dazu beitragen, dass ihnen gesellschaftliche Teilhabe am Leben durch (einfache) Sprach- und Rechtskundekenntnisse ermöglicht wird. Daher müssen die Unternehmen in die Verantwortung genommen werden, die sich aus der Gestaltung der Arbeit ergebenden Integrationshemmnisse abzubauen und aktiv die Teilhabe besonders schutzbedürftiger Arbeitskräfte an der Gesellschaft zu unterstützen.

Aus integrations- aber auch aus sozial- und gesundheitspolitischen Gründen ergibt sich daher weiterer Änderungsbedarf, der im Rahmen des nun laufenden Gesetzgebungsverfahrens angegangen werden sollte.