A. Problem und Ziel
Verkehrsfeindliches Verhalten, insbesondere solches mit Todesfolge, ist in jüngerer Zeit wiederholt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Außerhalb des Bereichs verbotener Kraftfahrzeugrennen ergeben sich im geltenden Recht jedoch erhebliche Defizite und Ungereimtheiten, weil die Erfolgsqualifikation der einschlägigen Strafbestimmungen zwar die schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen sowie die Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, nicht aber die Todesfolge umfasst.
B. Lösung
Der Entwurf beseitigt diesen systematischen Widerspruch, indem er für die Todesfolge bei verkehrsfeindlichen Eingriffen denselben Strafrahmen eröffnet, der bislang nur für die geringeren gesundheitsbeeinträchtigenden Folgen der vorbezeichneten Art vorgesehen ist.
C. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen, unbefriedigenden Zustands, der die Fälle des erhöhten Unwert- und Schuldgehalts verkehrsfeindlicher Eingriffe mit Todesfolge nicht abbildet.
D Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Durch die Strafrahmenerhöhung kann ein den Länderhaushalten zur Last fallender erhöhter Kostenaufwand beim Vollzug von Freiheitsstrafen wegen verkehrsfeindlicher Eingriffe mit Todesfolge entstehen, dessen Umfang derzeit nicht quantifizierbar ist. Im Übrigen werden jedoch keine Mehrkosten entstehen. Für Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen entsteht kein Erfüllungsaufwand. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzesantrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Erhöhung der Sicherheit im Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 4. Mai 2020
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und die Bayerische Staatsregierung haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Erhöhung der Sicherheit im Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 5. Juni 2020 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Laschet
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Erhöhung der Sicherheit im Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
In § 315 Absatz 3 Nummer 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel ... des Gesetzes vom (BGBl. I S. ...) geändert worden ist, werden nach dem Wort "Tat" die Wörter "den Tod oder" eingefügt.
Artikel 2
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Verkehrsfeindliches Verhalten, insbesondere solches mit Todesfolge, ist in jüngerer Zeit wiederholt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Vor allem Fälle verbotener Kraftfahrzeugrennen mit tödlichem Ausgang für Unbeteiligte haben nicht nur eine erhebliche Betroffenheit in der Bevölkerung ausgelöst, sondern auch zu einer intensiven Diskussion über die angemessene Sanktionierung derartiger Taten geführt. Auch vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 13. Oktober 2017 in § 315d Strafgesetzbuch (StGB) eine Sonderregelung für verbotene Kraftfahrzeugrennen eingeführt. Diese Vorschrift enthält in Absatz 5 eine Erfolgsqualifikation für diejenigen Fälle, in denen der Täter durch eine Tat nach Absatz 2 den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.
Weithin unbeachtet geblieben ist allerdings, dass bei vergleichbaren Taten, den verkehrsfeindlichen Eingriffen in den Verkehr, die Regelung einer Erfolgsqualifikation für Fälle der Verursachung des Todes bislang unterblieben ist. So fällt auf, dass die Strafvorschrift des Gefährlichen Eingriffs in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr ( § 315 StGB) in Absatz 3 Nummer 2 als Erfolgsqualifikation lediglich diejenigen Fälle mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr sanktioniert, in denen der Täter durch eine (vorsätzliche) Tat nach Absatz 1 eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht. Über die Verweisung in § 315b Absatz 3 StGB findet diese Regelung auch Anwendung für den Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr mit einer Strafobergrenze von zehn Jahren Freiheitsstrafe ( § 315b StGB).
Es gehört zu den Ungereimtheiten des geltenden Rechts, dass die Todesfolge keinen Eingang in § 315 Absatz 3 Nummer 2 StGB gefunden hat. Das führt dazu, dass bei fahrlässiger Todesverursachung durch eine Tat nach § 315 Absatz 1 StGB nur der Grundtatbestand des § 315 Absatz 1 StGB in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB anzuwenden ist (Vergehen), während bei fahrlässiger schwerer Gesundheitsschädigung die Tat ein Verbrechen im Sinne von Absatz 3 Nummer 2 ist und höher bestraft wird. Die schwerer wiegende Todesfolge wird von § 315 Absatz 3 Nummer 2 StGB nicht erfasst (zu vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2019 - 4 StR 442/18 -, Rdn. 30, NStZ 2019, 608; Fischer, StGB, 67. Auflage [2020], § 315, Rn. 24; ders., in: Festschrift für Wolfgang Frisch, 2013, S. 31, 40 mit Fn. 39). Dies erscheint widersprüchlich und - zumal mit Blick auf den hohen Rang des Rechtsguts "Leben" - nicht nachvollziehbar. In der Kommentarliteratur wird zu Recht angemerkt:
"Zwar könnte man die Gesundheitsschädigung theoretisch als notwendiges Durchgangsstadium zum Tod und damit als mit umfasst ansehen. Dem steht allerdings entgegen, dass der Gesetzgeber in zahlreichen Regelungen differenziert, indem er dort allein oder in Verbindung mit dem Merkmal der Gesundheitsschädigung an die Verursachung gerade des Todes einen strengeren Strafrahmen knüpft (...). Warum von der Aufnahme der Todesfolge abgesehen worden ist, geht aus den Motiven nicht hervor (...). Der Umstand ist letztlich den 'Strafrahmenrätseln' zuzurechnen, die das 6. StrRG hinterlassen hat" (König, in: LK-StGB, 12. Auflage [2008], § 315, Rn. 122; vgl. auch Fischer a. a. O. S. 40 mit Fn. 39 mit Hinweisen zum Gesetzgebungsverfahren).
II. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).
III. Auswirkungen
Durch die Strafrahmenerhöhung kann ein den Länderhaushalten zur Last fallender erhöhter Kostenaufwand beim Vollzug von Freiheitsstrafen wegen verkehrsfeindlicher Eingriffe mit Todesfolge entstehen, dessen Umfang derzeit nicht quantifizierbar ist. Im Übrigen werden jedoch keine Mehrkosten entstehen. Für Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen entsteht kein Erfüllungsaufwand. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1
Durch Einfügung der Wörter "den Tod oder" in § 315 Absatz 3 Nummer 2 StGB wird für die Todesfolge bei verkehrsfeindlichen Eingriffen derselbe Strafrahmen eröffnet, der bislang nur für die geringeren Folgen der schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen vorgesehen ist. Damit werden die unter A. I. aufgezeigten Ungereimtheiten beseitigt. Über die Verweisung in § 315b Absatz 3 StGB wirkt sich die Änderung auch für Fälle des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) aus.
Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.