886. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2011
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Initiative der Kommission, der Absatzförderung für Agrarerzeugnisse neuen Anstoß zu verleihen. Um die Anstrengungen der europäischen Erzeuger stärker zu unterstützen und für die Vielfalt der Erzeugnisse aus der EU zu werben, will die EU neue anspruchsvolle Zielvorgaben für die Informations- und Absatzförderungspolitik bestimmen. Dafür käme insbesondere ein differenziertes, sehr gezieltes Strategiekonzept in Frage, das gut auf die Eigenheiten der Märkte vor Ort, in Europa und weltweit abgestimmt ist.
Der Bundesrat vertritt dazu die Auffassung, dass es im Rahmen der dazu anstehenden Strategiekonzeptentwicklung erforderlich ist, dass diese in Übereinstimmung mit den Zielen der EU-Qualitätspolitik sowie auch den Zielen der Qualitätspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten auf Grund der unterschiedlichen Voraussetzungen in der Produktion und Vermarktung zu erfolgen hat. Insbesondere muss die Inanspruchnahme diesbezüglicher EU-Förderprogramme durch eine erhebliche Flexibilisierung der bestehenden Regelungen und durch schlankere Antrags- und Abwicklungsverfahren effizienter und schlagkräftiger erfolgen.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Bestimmungen der EU-Absatzförderung zu starr sind und auch aus diesem Grund in Deutschland zu wenig in Anspruch genommen werden. Das Verfahren sollte daher in vielen Punkten flexibler gestaltet werden, um insbesondere auch auf kurzfristige Entwicklungen in den jeweiligen Märkten reagieren zu können. Dies sollte z.B. durch eine zeitnahe Anpassung der Leitlinien, erweiterte Möglichkeiten der Mittelumschichtung ohne Zusatzvertrag zur besseren Anpassung laufender Programme an veränderte Marktentwicklungen, die Verringerung der Anforderungen an die Detailliertheit des Programmantrages sowie schnellere Entscheidungen der Kommission erfolgen.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass im Lichte der Weiterentwicklung der EU-Absatzförderung, der EU-Qualitätspolitik und der GAP-Reform auch die bestehenden EU-rechtlichen Anforderungen an Absatzförderungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten, die Rahmenregelung der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor 2007 bis 2013 sowie die Verordnung (EG) Nr. 1857/2006 der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere in der Erzeugung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätige Unternehmen entsprechend der vorgenannten Zielsetzungen und Voraussetzungen zu überarbeiten sind.
Auf Grund der derzeitigen Regelungen sind die Länder teilweise in erheblichem Umfang auf eine Förderung nach den verschiedenen Deminimis-Regelungen ausgewichen. Gerade bei Kleinerzeugern und Direktvermarktern steht der konkrete Förderbetrag aber oft in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand.
- 4. Der Bundesrat betont, dass eine effektive Absatzförderung nicht allein wie nach den bisherigen Regelungen über die Branchen- und Dachverbände erfolgen kann, sondern diese Instrumente auch für Einrichtungen der Länder und insbesondere ihre regionalen Marketinggesellschaften gleichberechtigt zugänglich gemacht werden müssen.
Mit einer zukünftigen direkten Beteiligung dieser Organisationen bzw. Inanspruchnahme der Instrumente der EU durch diese sind deutlichere Erfolge auf den entsprechenden Zielmärkten zu erwarten.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Möglichkeiten der Absatzförderung zukünftig über die Darstellung des generischen Europa-Bildes hinausgehen und die Nennung von Marken und Herstellern über die bisherigen Ausnahmen hinaus, unter bestimmten Bedingungen und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen erleichtert werden muss. Wer die Verbraucher und Verbraucherinnen sowohl im Binnenmarkt als auch in Drittländern auf den Geschmack bringen will, muss auch die Entstehung einer Markenbindung unterstützen.
Eine solche Öffnung würde neben einer Schwerpunktsetzung auf Produkte mit Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, garantierte traditionelle Spezialitäten sowie Biolebensmittel den vielfältigen Strukturen, der Geschichte und den jeweiligen unterschiedlichen Traditionen der Lebensmittelproduktion und -vermarktung der EU-Mitgliedstaaten gerechter werden. Es sollte daher im Laufe der weiteren Behandlung des Grünbuches und daraus resultierender Regelungen sichergestellt werden, dass diese nicht einseitig auf einzelne Mitgliedstaaten oder Gruppen von Mitgliedstaaten abzielen, sondern allen Mitgliedstaaten gleichermaßen zugute kommen.
- 6. Das Grünbuch der Kommission geht davon aus, dass die europäische Dimension um ein Vielfaches besser zum Ausdruck kommt, wenn mehrere Mitgliedstaaten sich zusammentun und ein gemeinsames Programm für mehrere Länder vorschlagen. Es müssten deshalb Strukturen oder Verfahren gefunden werden, die die Durchführung derartiger Programme mit mehreren Ländern weiter erleichtern.
Der Bundesrat steht Programmen mehrerer Mitgliedstaaten grundsätzlich positiv gegenüber, bittet jedoch zu gewährleisten, dass Anträge einzelner Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Mehrländerprogrammen nicht benachteiligt werden.
- 7. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass das zweistufige Verfahren bei der Programmumsetzung beibehalten werden sollte, wobei die Verfahrensabläufe gleichzeitig deutlich gestrafft werden sollten. Eine ausschließliche Auswahl der Programme auf europäischer Ebene sollte nicht erfolgen, da die direkte Mitwirkung der Mitgliedstaaten bei der Programmauswahl nach den bisherigen Erfahrungen zu einer höheren Akzeptanz und Motivation bei den Antragstellern und Programmbeteiligten führt.
Gleichzeitig begrüßt der Bundesrat das System der Kofinanzierung der Programme und die im Grünbuch enthaltene Bereitschaft zur Prüfung einer höheren Kofinanzierung. Speziell bei Programmen unter Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen sollte nach Auffassung des Bundesrates eine Kofinanzierungsquote von mehr als 50 Prozent durch die EU ermöglicht werden, da von einer höheren Anteilfinanzierung seitens der EU ein Impuls zu einer verstärkten Beteiligung dieser Unternehmen an den Programmen ausgehen würde.
- 8. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.