839. Sitzung des Bundesrates am 30. November 2007
Der federführende Agrarausschuss (A), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
1. Zu § 1
- bei Annahme entfällt Ziffer 2
§ 1 ist wie folgt zu fassen:
" § 1 Anwendungsbereich
- Diese Verordnung regelt die Grundsätze der guten fachlichen Praxis im Sinne des § 16b Abs. 3 des Gentechnikgesetzes bei der erwerbsmäßigen Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen."
Begründung
§ 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, die Grundsätze der guten fachlichen Praxis im Sinne des § 16b Abs. 3 GenTG näher zu bestimmen. Das geschieht durch die GenTPflEV. § 16b Abs. 3 GenTG benennt die Bereiche, die zur guten fachlichen Praxis gehören. Eine Herausnahme einzelner Bereiche (Umgang, Aufbringen, Anbau) könnte zu Missverständnissen führen.
2. Zu § 1 Satz 1
- entfällt bei Annahme von Ziffer 1
In § 1 Satz 1 ist das Wort "Gartenbauwirtschaft" durch das Wort "Gartenbau" zu ersetzen.
Folgeänderung:
In § 2 Nr. 1 und 2 ist jeweils das Wort "gartenbauwirtschaftlich" durch das Wort "gartenbaulich" zu ersetzen.
Begründung
Der Begriff "Gartenbauwirtschaft" ist im verwendeten Zusammenhang unüblich und sollte durch den Begriff "Gartenbau" ersetzt werden.
3. Zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist wie folgt zu fassen:
- "2. die tatsächliche Lage und Größe der Anbaufläche (als Feldblock, Schlag oder Feldstück) anhand geeigneten Kartenmaterials,"
Begründung
Die bisherige Praxis bei der Anzeige im Standortregister erlaubt es nicht, die tatsächliche Lage der Anbaufläche eindeutig zuzuordnen. Um eine sinnvolle Praxis zu gewährleisten, sind für die Nachbarn auch nachvollziehbare Angaben erforderlich.
4. Zu § 3 Abs. 1 Satz 3 - neu - und Abs. 1a - neu -
§ 3 ist wie folgt zu ändern:
- a) Dem Absatz 1 ist folgender Satz anzufügen:
- "In der Mitteilung ist der Nachbar auf die Regelung des Absatzes 1a hinzuweisen und aufzufordern, dem Erzeuger innerhalb eines Monats mitzuteilen, ob die benachbarten Flächen mit nicht gentechnisch veränderten Pflanzen bestellt werden, welcher Art diese Pflanzen angehören und welche Bewirtschaftungsform geplant ist."
- b) Nach Absatz 1 ist folgender Absatz 1a einzufügen:
- "(1a) Erhält der Erzeuger innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung beim Nachbarn nicht die erforderlichen Auskünfte, kann er davon ausgehen, dass der Nachbar keine Pflanzen derselben Art oder andere Auskreuzungspartner auf benachbarten Flächen anbaut."
Folgeänderung:
§ 4 ist nach der Überschrift wie folgt zu fassen:
- "Der Erzeuger hat dafür zu sorgen, dass die Anbauflächen den in der Anlage zu dieser Verordnung für die jeweilige Pflanzenart aufgeführten Anforderungen entsprechen. Hierbei hat er die nach § 3 fristgerecht eingegangenen Angaben der Nachbarn zu berücksichtigen."
Begründung
Zur Erhöhung der Rechtssicherheit wird die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG-E vorgesehene Regelung, dass der Erzeuger von zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen die Belange der Koexistenz nur insoweit beachten muss, als er auf Anfrage die dafür erforderlichen Auskünfte vom Nachbarn erhält, konkretisiert. Es wird eine Frist für die Antwort der Nachbarn des GVO-Erzeugers eingeführt, damit dieser rechtzeitig vor der Aussaat die Bewirtschaftung seiner Flächen festlegen kann. Reagiert ein Nachbar nicht innerhalb eines Monats, tritt eine Vermutungswirkung ein. Die Nachbarn sind auf diese Rechtsfolge ausdrücklich aufmerksam zu machen. Zudem sollte der Nachbar mitteilen müssen, welche Bewirtschaftungsform (konventionell oder ökologisch) er beabsichtigt. Im Übrigen dient die Änderung der Klarstellung des Gewollten unter richtiger Verwendung der in § 2 definierten Begriffe und der entsprechenden Anpassung des § 4.
5. Zu § 5 Satz 1
In § 5 Satz 1 ist das Wort "Naturschutzbehörde" durch das Wort "Behörde" zu ersetzen.
Begründung
Die Länder bestimmen in eigener Zuständigkeit die Behörden, denen Aufgaben nach § 5 GenTPflEV zugewiesen werden.
6. Zu § 5 Satz 3 - neu -Dem § 5 ist folgender Satz 3 anzufügen:
- "Sollten sich nach der Beantwortung der Anfrage nach Satz 1 aus naturschutzfachlicher Sicht Änderungen bezüglich des Schutzes besonderer Ökosysteme, Umweltgegebenheiten oder geografischer Gebiete ergeben, informiert die zuständige Landesbehörde den Bewirtschafter über diese Änderungen."
Begründung
Die Pflicht zur Nachfrage des GVO-Anbauers bei der Naturschutzbehörde ist auf die erste Aussaat beschränkt. Nachträglich eintretende Änderungen bzgl. der Ökosysteme, Umweltgegebenheiten etc. (z.B. neues FFH-Gebiet) bleiben dem Bewirtschafter unbekannt. Daher wird eine ergänzende, den Bewirtschafter nicht belastende Regelung vorgeschlagen, nach der die Landesbehörde den Bewirtschafter über entsprechende Änderungen informiert.
7. Zu § 6 Satz 1 Nr. 1
In § 6 Satz 1 Nr. 1 sind nach dem Wort "Behältnissen" die Wörter "oder sorgfältig abgedeckt" einzufügen.
Begründung
Die Forderung nach geschlossenen Behältnissen ist nicht praxisgerecht, da z.B. bei Pflanzgut z.T. eine Belüftung sichergestellt werden muss.
Zu § 6 Satz 2, Satz 3 - neu -
§ 6 ist wie folgt zu ändern:
8. a)
In Satz 2 ist das Wort "Lagerräume" durch die Wörter "das gelagerte Erntegut" zu ersetzen.
9. b)
Folgender Satz 3 ist anzufügen:
- "Wird das Erntegut auf der Fläche gelagert, die im Standortregister gemeldet ist, so entfällt die Kennzeichnung."
Begründung
Anstelle des Lagerraums soll das gelagerte Erntegut gekennzeichnet werden, da in einer Lagerhalle durchaus konventionelles und gentechnisch verändertes Erntegut gemeinsam, etwa getrennt durch eine Zwischenwand, gelagert werden kann. Außerdem sollte für die Kennzeichnung nicht entscheidend sein, ob sich das Erntegut in einem geschlossenen Lagerraum oder abgedeckt außerhalb eines solchen befindet. Wird das Erntegut direkt auf der Anbaufläche zwischengelagert, kann dagegen die Kennzeichnung entfallen, da die Fläche im Standortregister eingetragen ist.
10. Zu § 8
§ 8 ist wie folgt zu fassen:
" § 8 Bewirtschaftungsmaßnahmen
Bei allen Bewirtschaftungsmaßnahmen einschließlich der Ernte sind Einträge von gentechnisch veränderten Organismen in fremde Grundstücke durch Wahl einer geeigneten Technik auf das Mindestmaß zu beschränken."
Begründung
Nicht nur bei der Ernte, sondern bei sämtlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen (z.B. Bestellung, Pflegearbeiten) kann es zu Einträgen in Nachbargrundstücke kommen. Durch die Erweiterung auf sämtliche Bewirtschaftungsmaßnahmen wird dieser Umstand berücksichtigt.
11. Zu § 12a - neu -Nach § 12 ist folgender § 12a einzufügen:
" § 12a Übergangsregelung
Die §§ 3, 4 Satz 2 und § 5 sind erstmals ab dem 1. Oktober 2008 anzuwenden."
Begründung
Wegen der Unsicherheit über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung ist eine Übergangsregelung für die in den §§ 3 (Mitteilungspflicht), 4 (Anpassungspflicht) und 5 (Anfragepflicht) genannten Fristen von drei Monaten (vor der Aussaat oder Anpflanzung) bzw. einem Monat (nach Zugang der Mitteilung) notwendig. Diese Vorschriften sind in der Anbausaison 2008 praktisch noch nicht umsetzbar.
12. Zur Anlage Nr. 2 Satz 1 und 2
Nummer 2 der Anlage ist wie folgt zu ändern:
- "a) In Satz 1 sind die Wörter "konventionell angebautem," zu streichen.
- b) Satz 2 ist zu streichen."
Folgeänderung:
In der Anlage ist in Nummer 3 die Angabe "und 2" zu streichen.
Begründung
Die Differenzierung des Mindestabstandes zwischen konventionell angebautem und ökologisch angebautem Mais ist wissenschaftlich und auch wirtschaftlich nicht zu begründen.
13. Zur Anlage Nr. 3
- bei Annahme entfällt Ziffer 14
In der Anlage sind in Nummer 3 nach dem Wort "Blüte" die Wörter "und durch Anlage einer Mantelsaat" einzufügen.
Begründung
Um den Mindestabstand nach Nummer 2 Satz 1 und 2 der Anlage zu unterschreiten, ist das Entfernen der männlichen Blütenstände eine Voraussetzung. Durch das Anlegen einer Mantelsaat wird diese Maßnahme unterstützt. Dieses ist in Übereinstimmung mit der Richtlinie zur Durchführung von landwirtschaftlichen Wertprüfungen und Sortenversuchen des Bundessortenamtes, laut der die gesamte Prüfung mit einem Randstreifen der gleichen Pflanzenart zu umgeben ist.
14. Zur Anlage Nr. 3
- entfällt bei Annahme von Ziffer 13
In der Anlage sind in Nummer 3 nach dem Wort "Blüte" die Wörter "oder durch Anlage einer Mantelsaat" einzufügen.
Begründung
Die Ummantelung von GVO-Versuchen mit konventionellen Sorten ist schon bisher üblich, soweit dadurch nicht die Versuchsfrage (wie beispielsweise bei Koexistenzversuchen) tangiert wird.
15. Zur Anlage Nr. 4 Satz 2 - neu - und Nr. 5 Satz 2 - neu -Die Anlage ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 4 ist nach Satz 1 folgender Satz 2 einzufügen:
- "Sofern Durchwuchsmais festgestellt wird, verlängert sich der Zeitraum der Überprüfung um jeweils ein Jahr."
- b) Der Nummer 5 ist folgender Satz anzufügen:
- "Wenn Durchwuchsmais festgestellt wurde, darf die Anbaufläche frühestens im zweiten auf die Feststellung des Durchwuchsmais folgenden Jahr mit nicht gentechnisch verändertem Mais bestellt werden."
Begründung
Bisher wurde bei Mais davon ausgegangen, dass i.d.R. nicht mit Durchwuchs zu rechnen ist. In Nordrhein-Westfalen wurde in diesem Jahr nach einem sehr milden Winter auf einer Freisetzungsfläche in erheblichem Umfang Durchwuchsmais festgestellt, so dass es sachgerecht ist, dass die Fläche in einem solchen Fall länger beobachtet werden muss.
Nach der Feststellung von Durchwuchsmais auf einer Anbaufläche sollte die Phase, in der auf dieser Fläche kein Mais angebaut werden darf, entsprechend verlängert werden.
B
- 16. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
C
Der federführende Agrarausschuss (A), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, die folgende Entschließung zu fassen:
- 17. Der Bundesrat fordert den Bund auf, mit einer Verordnung schnellstmöglich sicherzustellen, dass auch die Belange der Imkerei beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen angemessen berücksichtigt werden. Der Geltungsbereich der vorliegenden Verordnung schließt die Imkerei nicht ein. Die Koexistenz beinhaltet jedoch nicht nur das Nebeneinander des GVO-Anbaus und konventionellen Pflanzen, sondern auch des GVO-Anbaus und der Imkerei. Hierfür sind gesonderte Regelungen erforderlich.
- 18. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, konkrete und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Auskreuzungen aus Anbauflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Kulturen zum Zwecke der Vermehrung von konventionellem oder ökologischem Saatgut in die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen oder entsprechende saatgutrechtliche Vorschriften aufzunehmen.
Begründung
Mindestabstände zu Feldern, die der Saatgutvermehrung dienen, werden mit dem Hinweis auf fehlende Kennzeichnungsschwellenwerte für Saatgut in der Verordnung nicht festgelegt. Gegenwärtig sind Saatgutpartien ab einer Nachweisgrenze von 0,1 % entsprechend zu kennzeichnen. Auch die zu erwartenden Kennzeichnungsschwellenwerte dürften deutlich unter 0,9 % liegen. Der vorgesehene Abstand von 150 m von Anbauflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu Flächen mit konventionellem Anbau orientiert sich an dem Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 % für Lebens- und Futtermittel. Auch bei Abständen von über 300 m zwischen Anbauflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Saatgutvermehrungsflächen ist zu befürchten, dass Anteile gentechnisch veränderter Organismen von mehr als 0,1 % möglich sind. Lägen die Vermehrungsflächen in einem Abstand von mehr als 300 m zu den Anbauflächen der gentechnisch veränderten Pflanzen, käme hinzu, dass die Saatgutvermehrer nicht über den GVO-Anbau informiert würden bzw. der GVO-Anbau über die geplante Saatgutvermehrung keine Kenntnis erlangt, da die Definition der benachbarten Flächen nur solche im Abstand von 300 m einschließt.
- 19. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen,
- a) inwieweit Nachbarflächen, bei denen nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG-E von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis abgewichen worden ist, in die Überwachung nach § 10 GenTPflEV einbezogen werden sollten;
- b) ob der Bewirtschafter von Nachbarflächen, bei denen nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG-E von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis abgewichen worden ist, mit den Pflichten nach § 10 und § 12 GenTPflEV belastet werden sollen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Wird entsprechend § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG-E zwischen Nachbarn vereinbart, dass von der guten fachlichen Praxis abgewichen (z.B. Mindestabstände nicht eingehalten werden) werden kann, sollte diese Vereinbarung zur Konsequenz haben, dass auch die Flächen in die Überwachung (a) und Nachbereitung (b) einbezogen werden, auf denen der Anbau von GVO-Pflanzen zwar nicht direkt stattgefunden hat, die Mindestabstände aber beispielsweise nicht eingehalten wurden.
20. Zur Anlage
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die in der Anlage zur GenTPflEV festgeschriebenen Mindestabstände zwischen gentechnisch verändertem und nichtgentechnisch verändertem Mais einer regelmäßigen wissenschaftlichen Prüfung zu unterwerfen und ggf. neu festzuschreiben.
Begründung
Die in der Verordnung vorgeschriebenen Mindestabstände sind wissenschaftlich nicht begründet. Erste Studien haben gezeigt, dass unter Umständen schon ein Abstand von 25 m ausreichen kann, um den Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 % deutlich zu unterschreiten.