Empfehlungen der Ausschüsse 808. Sitzung des Bundesrates am 18. Februar 2005
Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag und den Bundesrat zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 (1 BvR 1629/94) für andere Zweige der Sozialversicherung


Der federführende Gesundheitsausschuss,
der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik,
der Ausschuss für Frauen und Jugend und
der Ausschuss für Familie und Senioren
empfehlen dem Bundesrat,
zu dem Bericht
wie folgt Stellung zu nehmen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 so umzusetzen, dass in der Sozialen Pflegeversicherung eine Entlastung von Erziehenden und keine Belastung von Kinderlosen erfolgt. Außerdem muss der individuellen Erziehungsleistung angemessen Rechnung getragen werden und eine Differenzierung nach der Zahl der Kinder erfolgen.

Begründung

Der Bundesrat hält die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung vom 3. April 2001 durch das Kinder-Berücksichtigungsgesetz für verfehlt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird nicht ausreichend Rechnung getragen. Es handelt sich lediglich um eine kurzfristige Maßnahme, um die leeren Kassen der Pflegeversicherung zu füllen. Das Gesetz sieht keine Entlastung von Erziehenden gegenüber Kinderlosen vor wie es das Urteil fordert, sondern lediglich eine Belastung Kinderloser. Auch wird der individuellen Erziehungsleistung nicht angemessen Rechnung getragen. Eine nach dem Urteil erforderliche Differenzierung nach der Zahl der Kinder ist nicht vorgesehen.

Der Bundesrat wendet sich außerdem entschieden gegen die Position der Bundesregierung, die aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung vom 3. April 2001 keine Folgerungen für die Rentenversicherung ziehen will. Die Bundesregierung lehnt einen verbesserten Nachteilsausgleich für Familien in der Rentenversicherung ab. Ihr geht es vorrangig um den Wiedereinstieg von Erziehenden in das Erwerbsleben. Diese Haltung missachtet die eindeutigen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu einer Beitragsentlastung von Familien. Sie ist auch nicht vereinbar mit der nötigen Wahlfreiheit von Frauen und Männern, sich frei für eine rasche Rückkehr in die Erwerbstätigkeit oder eine längere Phase, in der sie sich der Familienarbeit und Kindererziehung widmen, zu entscheiden. Die Herstellung dieser Wahlfreiheit erfordert ebenso wie ein gerechter Nachteilsausgleich eine wirksame Entlastung der Familien. Die anhaltend niedrigen Geburtenziffern beweisen dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichen, um das demografische Problem der Rentenversicherung zu entschärfen.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entlastung der Eltern bei der Beitragszahlung gefordert. Auch wenn seine Entscheidung zur Pflegeversicherung ergangen ist, so darf sie Gültigkeit auch für die Rentenversicherung beanspruchen.

Denn die Rentenversicherung ist - mehr als die Pflegeversicherung -Paradebeispiel eines umlagefinanzierten Leistungssystems, das ein Risiko abdeckt das vor allem die Altengeneration trifft. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entscheidend abgestellt. Die von ihm geforderte Prüfung der Bedeutung des Urteils für andere Sozialversicherungszweige zielt daher gerade auf die Rentenversicherung.