946. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2016
Der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 1 Absatz 1 Nummer 2)
In Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b sind in § 1 Absatz 1 Nummer 2 vor dem Wort "umweltgerechten" die Wörter "naturschützenden und" einzufügen.
Begründung:
Eine wesentliche Zielsetzung der Gesetzesänderung ist es, über die bisher formulierten Anforderungen hinaus die Ziele und Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen. Dieser Aspekt wird in der Begründung zum Gesetzentwurf zwar explizit benannt, der Gesetzestext des Entwurfs enthält jedoch keine Regelung, die einer solchen Erweiterung eindeutig entspräche. Der neu aufgenommene Begriff "umweltgerecht" weist zwar in die richtige Richtung, bleibt aber hinter dem Gewollten zurück, da Umweltschutz und Naturschutz nicht begriffsidentisch sind und für unterschiedliche Handlungsansätze stehen. Im Interesse einer eindeutigen Regelung im künftigen GAK-Gesetz sollte daher auch der Aspekt des Naturschutzes in der agrarisch genutzten Landschaft ausdrücklich mit aufgenommen werden.
- 2. [Aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geht bisher nicht eindeutig hervor, ob auch Vertragsnaturschutz und investiver Naturschutz in die GAK-Förderung einbezogen werden. Eine alleinige Erwähnung dieser wichtigen Bereiche in der Gesetzesbegründung ist nicht ausreichend.
Zur gewünschten Verdeutlichung des Anliegens wäre es alternativ möglich, anstelle der oben vorgeschlagenen Formulierung in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b in § 1 Absatz 1 Nummer 2 nach dem Wort "Landbewirtschaftung" die Wörter "einschließlich Vertragsnaturschutz und Landschaftspflege" anzufügen.]
3. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 1 Absatz 1 Nummer 3 - neu -)
In Artikel 1 Nummer 1 ist Buchstabe b wie folgt zu fassen:
'b) Nach Nummer 1 werden folgende Nummern 2 und 3 eingefügt:
- "2. Maßnahmen einer ... weiter wie Vorlage ... Landbewirtschaftung;
- 3. Maßnahmen zur Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt;" '
Folgeänderungen:
In Artikel 1 Nummer 1 sind die Buchstaben c bis e wie folgt zu fassen:
- 'c) Die bisherigen Nummern 2 bis 5 werden die Nummern 4 bis 7.
- d) Nach der neuen Nummer 7 wird folgende Nummer 8 eingefügt:
"8. Maßnahmen zur Förderung ... weiter wie Vorlage ... der Europäischen Union;"
- e) Die bisherige Nummer 6 wird Nummer 9.'
Begründung:
Mit der Gesetzesänderung sollen über die bisher formulierten Anforderungen hinaus die Ziele und Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Begrüßenswert ist daher die ausdrückliche Erweiterung der MSL-Maßnahme um umweltgerechte Verfahren.
Unklar bleibt allerdings bei einer Gesamtbetrachtung von Gesetzestext und dessen Begründung, inwieweit die Förderung von nichtproduktiven Investitionen im Naturschutzbereich möglich sein wird. Die Zuordnung solcher Förderungen zur umweltgerechten Landbewirtschaftung ist problematisch, da damit begrifflich eine enge Bindung an die Landwirtschaft und an landwirtschaftliche Betriebsstrukturen verbunden ist und somit investive Fördermaßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung des Naturerbes nicht erfasst sind. Es ist daher auch aus Gründen der Klarheit sinnvoll, durch eine Ergänzung des Katalogs in § 1 Absatz 1 Vorhaben des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes gesondert aufzuführen, was letztlich auch zielführend im Hinblick auf die angestrebte Herstellung weitgehender Kompatibilität von GAK und ELER wäre.
4. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 2 Absatz 1 Satz 3 - neu -)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a ist dem § 2 Absatz 1 folgender Satz anzufügen:
"Des Weiteren sind die Anforderungen im Zusammenhang mit der nachhaltigen Integration von Migranten im ländlichen Raum angemessen zu berücksichtigen."
Begründung:
Die nachhaltige Integration von Migranten bringt Herausforderungen mit sich, die mit der Mobilisierung verschiedenster Instrumente, die zur Verfügung stehen, angegangen werden sollten. Fragen nach der Unterbringung, Bildung und Ausbildung, Teilhabe und andere berühren auch die integrierte ländliche Entwicklung und damit die GAK. Insbesondere das Förderinstrument der Dorferneuerung bzw. Dorfentwicklung ist geeignet, die Integration von Flüchtlingen in den ländlichen Räumen zu fördern.
Insofern gilt es, die vorhandenen Potenziale der ländlichen Räume zu nutzen und die Fördermöglichkeiten der GAK bei den Überlegungen, wie die Herausforderungen bewältigt werden können, einzubeziehen.
5. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 2 Absatz 2 Satz 4)
Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b ist zu streichen.
Folgeänderung:
In Artikel 1 ist Nummer 2 wie folgt zu fassen:
- '2. § 2 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
(1) ... wie Vorlage ..." '
Begründung:
Die räumliche Begrenzung der unter § 1 Absatz 1 Nummer 7 neu aufgenommenen Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union auf Gebiete, in denen auf Grund demographischen Wandels und geographischer Abgelegenheit besondere Anstrengungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge erforderlich sind, wird abgelehnt. Eine solche Fördereinschränkung wird - unabhängig von dem damit verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand - den Bedürfnissen vor Ort nicht gerecht.
Die Anforderungen an die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sind sehr komplex und hängen nicht nur von demographischen Entwicklungen und der geografischen Abgelegenheit ab. Die Sicherung der Daseinsvorsorge ist eine ständige zunehmende Herausforderung in fast allen ländlichen Räumen. Das Kriterium der geografischen Abgelegenheit ist höchst interpretationsbedürftig. Angesichts dieser Unbestimmtheit der Abgrenzungsparameter dürfte eine zufriedenstellende und nachvollziehbare Abgrenzung der förderfähigen Gebietskulissen nicht möglich sein. Erst recht dürfte es nicht gelingen, einen bundesweit einheitlichen Maßstab und damit eine Gleichbehandlung über die Ländergrenzen hinweg zu gewährleisten.
Der weitgehende Infrastrukturbegriff des Gesetzesvorschlags, der den umfangreichen Fördermöglichkeiten des ELER entsprechen und damit Kofinanzierungsmöglichkeiten in der Daseinsvorsorge und Grundversorgung der Bevölkerung schaffen sollte, erfährt durch die vorgesehene Gebietskulisse eine erhebliche Einschränkung. Es entstehen neue Förderlücken, die durch die Neuausrichtung des GAK-Gesetzes gerade beseitigt werden sollten. Damit wird die Förderung unübersichtlicher sowie der bürokratische Aufwand durch unterschiedliche Fördertatbestände und durch verschiedene Finanzierungsmodelle deutlich erhöht.
Im Ergebnis würde die vorgeschlagene Einführung einer Förderkulisse für Infrastrukturmaßnahmen die Umsetzung der Förderung in nicht akzeptabler Weise einschränken und eine vorsorgende Entwicklung mit aktiver Einbeziehung der Bevölkerung erschweren. Im Übrigen haben die Länder in ihren von der EU bereits genehmigten ELER-Plänen programmspezifisch die ländlichen Gebiete definiert und gegebenenfalls weitere zusätzliche maßnahmenspezifischen Regelungen getroffen.
6. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 7)
Artikel 1 Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:
"4. § 7 wird aufgehoben."
Begründung:
Eine Regelung zum Verfahren der Anmeldung zum Rahmenplan ist entbehrlich. Die entsprechende Regelung im Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" - GRW-Gesetz - wurde 2008 gestrichen. Diese Verfahrensvereinfachung hat sich bewährt und sollte entsprechend in das GAK-Gesetz übertragen werden.
Die Detailplanung und die Durchführung einzelner Projekte und Vorhaben liegen in der Zuständigkeit der Länder. Die Mittelveranschlagung in den Ländern ergibt sich aus der Mittelbereitstellung im Bundeshaushalt in Verbindung mit dem Verteilungsschlüssel. Die prozentuale Ausgabenerstattung des Bundes erfolgt einzelvorhabensbezogen (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, WD 4-3000-021/16).
Soweit verfahrenstechnische Regelungen erforderlich sein sollten, können diese im GAK-Rahmenplan verankert werden.
7. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Bundesregierung mit dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des GAK-Gesetzes das Maßnahmenspektrum der GAK erweitern will, um damit die ländlichen Räume im Rahmen eines integrierten Ansatzes als Lebens-, Wirtschafts-, Erholungs- und Naturräume zu sichern und weiterzuentwickeln.
- b) Der Bundesrat bedauert, dass die ursprünglich geplante Änderung des Artikels 91a des Grundgesetzes von der Bundesregierung entgegen den Ankündigungen im Koalitionsvertrag nicht umgesetzt wurde und damit weder eine deutliche Ausweitung des Förderspektrums noch die angestrebte Angleichung der GAK an den ELER erfolgt ist.
- c) Der Bundesrat weist darauf hin, dass zusätzliche Bundesmittel bereitgestellt werden müssen, um die Förderziele und -möglichkeiten einer weiterentwickelten GAK zu erfüllen bzw. zu verbessern.
- d) Die umweltgerechte Landbewirtschaftung im Sinne des Gesetzentwurfs umschließt die klimaschonende Landwirtschaft und den Vertragsnaturschutz, soweit er einen Bezug zur Landwirtschaft hat.
- e) Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung bei der Verabschiedung des Entwurfs des Vierten Gesetzes zur Änderung des GAK-Gesetzes Vorschläge zur Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs "Infrastruktur" nicht berücksichtigt hat. Gleiches gilt für die Harmonisierung der Vorgaben der GAK und des ELER, z.B. hinsichtlich der Zweckbindungsfristen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Im Hinblick auf die seit Ende 2013 andauernden Vorüberlegungen des Bundes, wie die Zielsetzung der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene (Neuausrichtung der Gemeinschaftsaufgabe) effektiv umgesetzt werden kann und die in den letzten Jahren von den Ländern formulierten Erwartungen, fallen die mit dem Gesetzentwurf präsentierten Änderungen geringfügig und auf einen Minimalansatz beschränkt aus. Es ist zu bedauern, dass eine im Koalitionsvertrag vorgesehene Grundgesetzänderung nicht erfolgt ist. Eine weitgehende Harmonisierung zum ELER - z.B. zu den Zweckbindungsfristen - wurde mit diesem Gesetzentwurf nicht erreicht. Die Forderung, dass eine weiterentwickelte GAK finanziell ausreichend ausgestattet sein muss, wurde bisher nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.
Eine weitergehende Beurteilung des Gesetzentwurfs wird dadurch erschwert, dass seitens des Bundes bisher keine Konkretisierung erfolgt ist, wie die vorgesehene Erweiterung des materiellen Geltungsbereichs des GAK-Gesetzes auf der Ebene des Rahmenplans und der Fördergrundsätze umgesetzt werden soll. Zudem werden die Möglichkeiten zur Ausweitung des Förderspektrums durch die neue Schaffung einer Art Gebietskulisse und durch die fehlenden Definitionen von unbestimmten Rechtsbegriffen erschwert.