966. Sitzung des Bundesrates am 23. März 2018
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Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den strategischen Ansatz der Kommission, durch ein Paket aus angebots- und nachfrageorientierten Maßnahmen Europa auf den Weg zu einer emissionsarmen Mobilität zu bringen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie und des europäischen Mobilitätsökosystems zu stärken. Er vermisst allerdings in diesem wichtigen programmatischen Legislativpaket Maßnahmen zur Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und des umweltverträglichen Verkehrsträgers Schiene sowie Ansätze zur Begrenzung des klimaschutzpolitisch bedenklichen Wachstums des Luftverkehrs.
- 2. Der Bundesrat sieht das in den Trends angenommene Verkehrswachstum zwischen 2010 und 2050 um 42 Prozent im Personenverkehr und 60 Prozent im Güterverkehr in Bezug zum Reduktionsziel der Treibhausgasemissionen (THG) des Verkehrs von mindestens 60 Prozent bis 2050 kritisch. Im Kontext zum erhöhten Handlungsdruck nach dem Pariser Klimaschutzabkommen müssen nach Auffassung des Bundesrates die zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors notwendigen THG-Reduktionen durch eine Strategie ergänzt werden, die eine gezielte Steuerung der Verkehrsnachfrage, auch über die Verkehrsmittel, beinhaltet und zudem Änderungen des Verbraucherverhaltens und der Nachfragemuster berücksichtigt. So sind steigende Mobilitätsbedürfnisse auch ohne Verkehrswachstum möglich, da nicht die Weglänge, sondern die Zielerreichung mobilitätsbestimmend ist. Der Bundesrat bezweifelt insofern den Ansatz der Kommission, dass bei einem derartigen Verkehrswachstum, und dies insbesondere im Güterverkehr, das THG-Reduktionsziel von 60 Prozent erreichbar ist.
- 3. Der Bundesrat unterstützt die Zielstellung der Kommission, den Übergang Europas zu emissionsarmer Mobilität zu beschleunigen und dazu auch die CO₂-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zu überarbeiten. Nach Ansicht des Bundesrates ist allerdings der Vorschlag der Kommission, die CO₂-Emissionen im Zeitraum zwischen 2020 und 2030 um 30 Prozent zu senken, wenig ehrgeizig und er wird den klimaschutzpolitischen Anforderungen an den Verkehrssektor insbesondere in Deutschland nicht gerecht. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im Rat dafür einzusetzen, dass die Fortschreibung der Flottengrenzwerte wesentlich ambitionierter erfolgt. Zudem muss über die Weiterentwicklung von Test- und Marktüberwachungsverfahren künftig sichergestellt werden, dass die regulierten Emissionen den realen Emissionen auf der Straße entsprechen.
- 4. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Kommission, durch die CO₂-Normen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge für die Zeit nach 2020 eine führende Position der EU bei der Bekämpfung des Klimawandels zu wahren und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken und dafür zu sorgen, dass Europa in der Automobilindustrie auch künftig weltweit Maßstäbe setzt. Nach Ansicht des Bundesrates ist es, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen, essenziell, dass eine absolute Minderung der CO₂-Emissionen im realen Fahrbetrieb erfolgt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, damit wirksame Maßnahmen getroffen werden, dass steigende Abweichungen zwischen Emissionen im Realbetrieb und auf dem Teststand zukünftig nicht mehr die Emissionsminderungseffekte reduzieren.
- 5. Die von der Kommission vorgeschlagenen Referenzwerte für 2021 berücksichtigen die Umstellung der Testverfahren von NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) zu WLTP (Worldwide harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure). Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Umstellung von NEFZ auf WLTP nicht zu einer verminderten Wirksamkeit der CO₂-Flottengrenzwerte führt. Die gesetzten Grenzwerte basieren auf klimapolitischen Notwendigkeiten, die Realemissionen in entsprechendem Maße zu senken. Es muss sichergestellt werden, dass die Übersetzung der Grenzwerte von NEFZ in WLTP transparent erfolgt und die Differenz zwischen NEFZ und WLTP nicht zu hoch veranschlagt wird, was zu einer Aufweichung der Flottengrenzwerte für die Zeit nach 2020 führen könnte.
- 6. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich die Förderung des gewerblichen Personenkraftverkehrs als nachhaltige Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Allerdings ist der durch die Ausweitung der Fernbusverkehre von der Kommission geschätzte Rückgang des Verkehrsträgeranteils der Bahn um 4,8 Prozent bis 2030 aus Sicht des Bundesrates nicht vertretbar und widerspricht den ambitionierten Verlagerungszielen der Bahn im Verkehrsweißbuch der Kommission. Zudem konterkariert der Vorschlag der Kommission den im Rahmen der deutschen Fernbusliberalisierung festgelegten Schutz des ÖPNV.
- 7. Der Bundesrat begrüßt das Ziel der Kommission, im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe die Marktakzeptanz von sauberen und energieeffizienten Straßenfahrzeugen stärker zu fördern und so die Emissionen von CO₂- und Luftschadstoffen weiter zu senken. Es ist dabei aufgrund der besonderen Verantwortung der öffentlichen Hand zur Dekarbonisierung des Verkehrs sachgerecht und notwendig, den Markt für energieeffiziente Fahrzeuge zu stimulieren, indem bei öffentlichen Beschaffungen von Straßenfahrzeugen der Anwendungsbereich neben Kauf nun auch auf Miete, Leasing und Mietkauf erweitert wird und zudem verbindliche Quoten für saubere Fahrzeuge im Zusammenhang mit ambitionierten CO₂- und Luftschadstoffgrenzwerten eingeführt werden.
- 8. Der Bundesrat begrüßt die Vorschläge der Kommission zur Verwirklichung emissionsarmer Mobilität und teilt die Überzeugung, dass Innovation, Digitalisierung und Dekarbonisierung von zentraler Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Führungsrolle Europas in der Automobilindustrie der Zukunft sind. Dies gilt selbstverständlich auch für die Automobilzulieferindustrie. Die Herstellung hochentwickelter Batteriezelltechnologien ist dabei von entscheidender Bedeutung.
- 9. In diesem Zusammenhang braucht es Lösungen für eine nachhaltige Gewinnung bzw. Sicherung der für die Elektromobilität erforderlichen Rohstoffe:
- - Dies gilt erstens für eine Verminderung des Primärrohstoffbedarfs durch den Ausbau eines konsequenten Recyclings der Antriebsbatterien der Fahrzeuge. Sie sind mit angemessen ambitionierten Sammel- und Recyclingmindestzielen für die Rohstoffe Lithium, Kobalt, Nickel und Grafit in die derzeit in der Weiterentwicklung befindliche europäische Batterierichtlinie explizit aufzunehmen.
- - Zweitens bedarf es der Entwicklung von Standards zur nachhaltigen Rohstoffgewinnung bei den für die Elektromobilität erforderlichen Rohstoffen, um ihre Verfügbarkeit langfristig zu sichern und die soziale Akzeptanz der immer wieder kritisch diskutierten Rohstoffgewinnung deutlich zu verbessern. Der Entwicklung verpflichtender unternehmerischer Sorgfaltspflichten bei der Kobaltgewinnung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Sie ist bedeutend, um der problematischen Förderung von Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo Einhalt zu gebieten. Diese haben bei anderen Konfliktmineralien dafür gesorgt, dass Gesundheits-, Sozial- und Umweltrisiken vor Ort minimiert wurden.
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- 10. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Verkehrsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.