982. Sitzung des Bundesrates am 8. November 2019
A
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe folgender Änderungen zu fassen:
1. Zu Nummer 2 Satz 2
In Nummer 2 Satz 2 sind die Wörter "Vermeidung von Prozessemissionen im Bereich der Grundstoffindustrie" durch die Wörter "Transformation der energieintensiven Grundstoffindustrien, wie etwa der Chemie-, Stahl-, Papier- oder Glasindustrie, hin zur Klimaneutralität" zu ersetzen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
"Grüner" Wasserstoff kann in Industrieprozessen nicht nur der Vermeidung von Prozessemissionen dienen, sondern sowohl als Einsatzstoff als auch als Energielieferant, insbesondere in den genannten Industrien, einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.
2. Zu Nummer 2 Satz 4 - neu - Der Nummer 2 ist folgender Satz anzufügen:
"Dabei ist zu beachten, dass der grüne Wasserstoff nicht zwingend aus heimischer Produktion stammen muss, sondern ggf. auch importiert werden kann, sofern eine entsprechende EU-weit greifende Methodik und Zertifizierungssysteme etabliert werden."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Ein bundesweites großskaliges Hochlaufen der Wasserstoffherstellung aus erneuerbaren Energien für die Versorgung mit Energie, Kraftstoffe sowie die Grundstoffindustrie allein aus Deutschland ist nicht leistbar und wäre klimapolitisch fatal wie beispielsweise das jüngste, in Vorbereitung befindliche IKES 95%-Szenario belegt.
3. Zu Nummer 4 Buchstabe a Satz 3, 4
In Nummer 4 Buchstabe a sind die Sätze 3 und 4 durch folgenden Satz zu ersetzen:
"Hierbei ist ein rechtsverbindlicher Investitionsrahmen mindestens für den Zeitraum der Abschreibung der Anlagen erforderlich und ebenso die Bereitstellung von Fördermitteln, um Kostendegressionen bei der Herstellung und Nutzung von Elektrolyse-Anlagen realisieren zu können."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Bundesregierung hat im Zuge des Dialogs Gas 2030 angekündigt, einen Marktrahmen für Wasserstoff zu schaffen. Allerdings ist derzeit unklar, was genau mit dem Marktrahmen bzw. einem rechtsverbindlichen Investitionsrahmen gemeint ist. Es sollte jedoch keine Fokussierung auf die Unterstützung im Rahmen der "Reallabore der Energiewende" erfolgen, sondern vielmehr ein Rahmen für alle PtX-Anwendungen eingefordert werden. Zumal die Reallabore der Energiewende nicht nur auf Wasserstofftechnologien abzielen, sondern derzeit gleichermaßen auf großskalige Energiespeicher im Stromsektor sowie auf energieoptimierte Quartiere.
4. Zu Nummer 4 Buchstabe b
Nummer 4 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:
"b. Die energie- und klimapolitisch angestrebte Zielsetzung, bis 2030 mindestens 65 Prozent der Stromversorgung über erneuerbare Energien zu decken, ist schnellstmöglich im EEG gesetzlich zu verankern. Für die Nutzung von Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen für PtX-Verfahren sind geeignete Rahmenbedingungen außerhalb des EEG zu etablieren."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Es ist richtig, dass für 65 Prozent EE an der Stromversorgung eine Erhöhung der Ausschreibungsmengen im EEG erforderlich ist.
Das EEG ist jedoch ein Förderinstrument ausschließlich für die Stromerzeugung. PtX-Verfahren - z.B. die Wasserstofferzeugung - sind spezielle Formen der Stromnutzung in anderen Sektoren. Hier sollte keine Vermischung erfolgen. Geeignete Rahmenbedingungen sind u.a. eine grundlegende Reform der staatlich induzierten Preisbestandteile der Stromerzeugung inklusive einer wirksamen CO₂-Bepreisung.
Zu Nummer 4 Buchstabe b Satz 2* - neu -, Buchstabe c
Nummer 4 ist wie folgt zu ändern:
5.a) Dem Buchstaben b ist folgender Satz anzufügen:
"Dabei sollte das den Windenergieausbau beschränkende Netzausbaugebiet entfallen und ein Mechanismus zur regionalen Verteilung des Windenergieausbaus gefunden werden."
6.b) Buchstabe c ist zu streichen.
* bei Annahme mit Ziffer 4 redaktionell anzupassen
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Buchstabe a:
Um die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung zu erreichen und den zusätzlichen Bedarf an erneuerbaren Energien für die Herstellung von Wasserstoff zu befriedigen, müssen Ausbauhemmnisse der Windkraft an Land beseitigt werden. Hierfür sollte das Netzausbaugebiet entfallen und ein Mechanismus zur besseren regionalen Verteilung des Ausbaus der Windenergie gefunden werden.
Zu Buchstabe b:
Nummer 4 Buchstabe c ist zu streichen. Die mit dem Entschließungsantrag gewollte Umwandlung des Netzausbaugebietes in Netzinnovationsgebiete würde zu einem regional beschränkten Aufbau von netzbezogenen Kopplungsanlagen der Strom- und Gasnetzinfrastruktur, beispielsweise Elektrolyseuren, führen. Die Kosten hierfür würden jedoch über die Netzentgelte deutschlandweit verteilt und damit zu Lasten aller Anderen gehen. Für den Aufbau einer Wasserstoffindustrie sind andere, direkte Finanzierungsmechanismen beispielsweise aus dem allgemeinen Bundeshaushalt zu prüfen.
7. Zu Nummer 4 Buchstabe c Satz 3
In Nummer 4 Buchstabe c ist Satz 3 wie folgt zu fassen:
"Netzbezogene Innovationen wie die Kopplung der Strom- und Gasnetzinfrastruktur mithilfe von Elektrolyseuren sollten daher bundesweit ermöglicht werden."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Kopplung der Strom- und Gasinfrastruktur mithilfe Elektrolyseuren sollte nicht nur auf die aktuell ausgewiesenen Netzausbaugebiete beschränkt sein. Die Probleme von Netzengpässen liegen vielerorts vor allem auf der Verteilnetz-Ebene, da hier ein Großteil der erneuerbaren Energieanlagen angeschlossen sind. Zudem wird sich die Problemlage mit dem fortlaufenden Ausbau weiter verschärfen. Der Bedarf an innovativen Technologien zur Kopplung der Strom- und Gasinfrastruktur beschränkt sich daher nicht nur auf die Netzausbaugebiete und die Übertragungsnetze, sondern ist bundesweit vorhanden.
8. Zu Nummer 4 Buchstabe e
Nummer 4 Buchstabe e ist zu streichen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Eine kontinuierliche ansteigende Beimischungsquote für "grünen" Wasserstoff und erneuerbares Methan ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich. Eine Vermarktung von erneuerbarem Wasserstoff jenseits der Mobilität (ÖPNV mit Brennstoffzellenantrieben) oder Power to Liquid (PTL) für den Flugbetrieb ist im Moment aufgrund der vorhandenen Kostenstruktur sehr unwahrscheinlich. Das Einspeisen in das Erdgasnetz entwertet den Wasserstoff bzw. das erneuerbare Methan, da es nur noch bilanziell weiter genutzt werden kann. Eine Einspeisung von Wasserstoff und erneuerbarem Methan ist bereits heute möglich und wird in einzelnen Produkten berücksichtigt.
9. Zu Nummer 4 Buchstabe e
Nummer 4 Buchstabe e ist wie folgt zu fassen:
"e. Ausgehend von bereits heute nahezu flächendeckend möglichen Beimischungen von knapp 10 Prozent ist eine kontinuierlich ansteigende Beimischungsquote unter Beachtung fortlaufend zu evaluierender systemtechnischer Grenzen für "grünen" Wasserstoff und erneuerbares Methan in den Gasversorgungsnetzen festzulegen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Beimischung von Wasserstoff kann ohne netz- und geräteseitige Anpassungen nicht beliebig erhöht werden. Bei höheren Wasserstoffbeimischungen müssten aufgrund der spezifischen Eigenschaften beispielsweise andere Werkstoffe in Verdichtern, Heizkesseln oder Fahrzeugtanks eingesetzt werden. Diese systemtechnischen Grenzen des bestehenden Gasversorgungsnetzes sind daher zu berücksichtigen.
10. Zu Nummer 4 Buchstabe g Satz 2 - neu - In Nummer 4 ist dem Buchstaben g folgender Satz anzufügen:
"Dafür sind eine EU-weit greifende Methodik und entsprechende Zertifizierungssysteme zu etablieren."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Voraussetzung für eine solche Anrechnung muss eine saubere Methodik samt entsprechender Nachweissysteme sein, um entsprechende Bilanzierungen durchführen zu können. Daher ist diese Klarstellung zwingend erforderlich. Die Bundesregierung hat hier bereits Handlungsbedarf erklärt.
11. Zu Nummer 4 Buchstabe h
Nummer 4 Buchstabe h wie ist folgt zu fassen:
"h. Die Förderprogramme für die Entwicklung und Nutzung alternativer, auf erneuerbaren Energien basierender Antriebe und klimaschonender Treibstoffe sowie emissionsarme Fahrzeuge sind konsequent daraufhin zu überprüfen, ob sie dazu beitragen, die klimaschutzpolitischen Zielsetzungen zu erreichen und gemäß den Prüfergebnissen weiter zu entwickeln."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Ohne eine Überprüfung, ob die Förderung die angestrebten Ziele erfüllt, sollte keine Verstetigung, geschweige denn eine Aufstockung der Förderprogramme erfolgen.
12. Zu Nummer 4 Buchstabe j
Nummer 4 Buchstabe j ist wie folgt zu fassen:
"j. Die Förderung von Pilot- und Demonstrationsanlagen der Wasserstofftechnologien und insbesondere bestimmter Wasserstoffanwendungen, wie z.B. im Flugverkehr, ist konsequent auszubauen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Ein bundesweites großskaliges "Hochlaufen" der Wasserstoffherstellung aus erneuerbaren Energien über ein Marktanreizprogramm zum jetzigen Zeitpunkt ist verfrüht. Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsprojekte sowie eine Strategie für die Vorbereitung entsprechender Rahmenbedingungen müssen jedoch zügig entwickelt werden.
13. Zu Nummer 4 Buchstabe k - neu - Nummer 4 ist folgender Buchstabe k anzufügen:
"k. Aufgrund der im Vergleich zu anderen Sektoren hohen Energie- und Kosteneffizienz ist eine Nutzung von "grünem" Wasserstoff durch hocheffiziente Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Gebäudebereich durch den Erhalt, die Weiterentwicklung sowie den Ausbau von Förderprogrammen besonders zu unterstützen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Im Sinne eines möglichst energie- und kosteneffizienten Einsatzes ist die Nutzung von "grünem" Wasserstoff in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung mit hohen erreichbaren Gesamtwirkungsgraden verstärkt zu fördern. Neben dem Erhalt bestehender Strukturen ist das Heben der Potentiale im Gebäudebereich, sowohl für die Fernwärme als Quartierslösung (unter anderem durch Stadtwerke) als auch für die Versorgung von Ein- und Mehrfamilienhäusern (unter anderem durch KWK-Brennstoffzellenanlagen mit besonders hoher Effizienz), anzustreben.
14. Zu Nummer 5 Einleitungsteil
In Nummer 5 sind im Einleitungsteil nach den Wörtern "Wasserstoff im Schienenverkehr" die Wörter "in Bereichen, in denen sie der Direktnutzung von Elektrizität aus volkswirtschaftlicher und klimapolitischer Sicht überlegen ist," einzufügen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Schienenbahnen, die Strom direkt nutzen, sind wesentlich effizienter beim Stromverbrauch als solche, die mit aus Strom gewonnenem Wasserstoff betrieben werden. Hier sollte weiterhin das Prinzip "Efficiency first" bei der Stromnutzung gelten.
B
15. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung zu fassen.