Der Bundesrat hat in seiner 966. Sitzung am 23. März 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit ihrem Empfehlungsvorschlag Themen adressiert, die weit über die sonst im Fokus stehenden Wirtschafts- und Beschäftigungsaspekte hinausgehen. Er bekräftigt, dass Bildung bei der Förderung und Vermittlung von Werten und der Förderung sozialer Inklusion eine entscheidende Rolle einnimmt.
- 2. Er teilt die Ansicht der Kommission, dass die EU und die Mitgliedstaaten vor zahlreichen Herausforderungen wie Populismus, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Diskriminierung, Verbreitung von Falschinformationen sowie dem Problem der Radikalisierung stehen. Er gibt jedoch zu bedenken, dass diese Probleme multikausaler Natur sind und in verschiedenen Bereichen wurzeln, sodass sie auch nicht allein im Bildungsbereich und nicht allein durch die Förderung gemeinsamer Werte, ein inklusives Bildungsangebot, die Förderung einer europäischen Dimension im Unterricht sowie die Unterstützung für Lehrkräfte und den Unterricht angegangen und bewältigt werden können.
- 3. Der Bundesrat konstatiert die Bedeutung der Thematisierung von EU-Themen im Unterricht. Er weist jedoch darauf hin, dass ein "Zugehörigkeitsgefühl" zu Europa wachsen muss und nicht allein durch das Einbringen einer europäischen Dimension in den Unterricht bewerkstelligt werden kann.
- 4. Der Bundesrat bekräftigt, dass jeder Mensch Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erhalten und die Möglichkeit haben muss, sein Potential zu entfalten. Ein in diesem Sinne inklusives Bildungssystem trägt zu guten Rahmenbedingungen für die Vermittlung gemeinsamer Werte bei, auf deren Förderung nach seiner Auffassung der Schwerpunkt der Empfehlung liegen sollte.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich in den Mitgliedstaaten und den deutschen Ländern insbesondere bei Fragen der Inklusion im engeren Sinne unterschiedliche Ansätze herausgebildet und bewährt haben. Vor diesem Hintergrund kann die Expertise der Europäischen Agentur für sonderpädagogische Förderung und inklusive Bildung auf freiwilliger Basis genutzt werden. Die Arbeit der Agentur kann fachliche Impulse geben und als Diskussionsforum dienen, keinesfalls jedoch verbindliche Standards setzen oder vorgeben, was ein erfolgreicher inklusiver Ansatz ist.
- 6. Er bestärkt die Kommission in ihrem Vorschlag, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Empfehlung insbesondere durch Mobilitätsprojekte im Schulbereich zu unterstützen. Eine Stärkung von Mobilitätsprojekten im Schulbereich kann jedoch nur gelingen, wenn Antragsverfahren vereinfacht und bürokratischer Aufwand reduziert werden (siehe auch BR-Drucksache 713/17(B) , Ziffer 6). Zudem betont er die Bedeutung von unmittelbarem Austausch und persönlicher Begegnung, die durch virtuelle Mobilität allenfalls begleitet, aber nicht ersetzt werden können.
- 7. Der Bundesrat begrüßt darüber hinaus, dass die Kommission die Unterstützung der Mitgliedstaaten durch vorhandene Instrumente vorschlägt. Er stellt jedoch fest, dass die Kommission - entgegen dieser Aussage - praktische Referenzinstrumente und Leitdokumente für Politikverantwortliche und Fachleute erstellen und regelmäßig überarbeiten möchte. Dabei bleibt offen, ob überhaupt ein Bedarf hieran besteht und wer diese Instrumente und Leitlinien fachlich verantworten soll.
- 8. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an die Grenzen, die der Kompetenzrahmen der Europäischen Verträge für die Anwendung der offenen Methode der Koordinierung auf dem Gebiet der Bildung zieht, etwa bei der Bewertung der bildungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten (vergleiche BR-Drucksache 428/17(B) , Ziffer 3 und BR-Drucksache 026/09(B) , Ziffer 9). Der Bundesrat erneuert in diesem Zusammenhang seine grundsätzliche Ablehnung einer Überwachungskompetenz oder der Vorgabe von Leitlinien durch die EU im Bildungsbereich (vergleiche BR-Drucksache 428/17(B) , Ziffer 3, BR-Drucksache 714/05(B) , Ziffer 3 und BR-Drucksache 249/08(B) , Ziffer 5). Folglich weist er das Ansinnen der Kommission, die als Reaktion auf die vorgeschlagene Empfehlung getroffenen Maßnahmen bewerten zu wollen, als unzulässig zurück.
- 9. Der Bundesrat hinterfragt zudem, worauf die Kommission mit der Unterstützung der "Einbindung von Interessenträgern" abzielt und welchen Mehrwert dies gegenüber der Unterstützung von Forschungsvorhaben generiert.
- 10. Er stellt fest, dass der Schwerpunkt des Empfehlungsvorschlags innerstaatlich in die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Länder auf dem Gebiet der schulischen Bildung (einschließlich der Lehrerausbildung und der Organisationshoheit für das Bildungssystem) fällt. Die in dem Kommissionsvorschlag adressierte Förderung gemeinsamer Werte, die Etablierung eines inklusiven Bildungsangebots, die Förderung einer europäischen Dimension im Unterricht sowie die Unterstützung für Lehrkräfte und Unterricht obliegen ausschließlich den Ländern. Der Bundesrat weist darauf hin, dass seine Stellungnahme gemäß § 5 Absatz 2 EUZBLG von der Bundesregierung maßgeblich zu berücksichtigen ist und die Verhandlungsführung gemäß § 6 Absatz 2 EUZBLG bei den Ländern liegt.
- 11. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.