Der Bundesrat hat in seiner 793. Sitzung am 7. November 2003 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat schließt sich der Auffassung der Kommission an, dass die Zahl der Forscher und deren Mobilität für das Leistungsniveau der europäischen Forschung insgesamt und für die Erbringung von Spitzenleistungen maßgeblich sind. Er unterstützt daher die Forderungen der Kommission, die Anerkennung des Forscherberufs durch die Allgemeinheit zu verstärken, die Mobilität der Forscher weiter zu fördern und die Chancengleichheit der Frauen in der Forschung zu verbessern.
- 2. Der Bundesrat sieht in der Mitteilung der Kommission vor allem den Versuch, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Forscher zu verbessern. Er vermisst dazu aber eine detaillierte Analyse der unterschiedlichen Beschäftigungsbedingungen in den Industrieländern in und außerhalb der EU, aus der sich mögliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Beschäftigungsmärkten identifizieren lassen die eine erhöhte Abwanderung von qualifizierten Forschern begründen könnten. Daher weist der Bundesrat auch die pauschale Feststellung zurück, der europäische Arbeitsmarkt für Forscher sei insgesamt zu unattraktiv und nicht konkurrenzfähig.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass innerhalb der Europäischen Union die Mitgliedstaaten und die öffentlichen sowie privaten Forschungsträger bereits untereinander in einem angemessenen Wettbewerb um die erfolgversprechendsten Forscher stehen und das ihnen Mögliche unternehmen, um die "besten Köpfe" für sich zu gewinnen. Daher sind zentrale Planungen und Festlegungen weder zielführend noch tragen sie der Vielfalt der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Forscher Rechnung.
- 4. Der Bundesrat kann sich den Vorschlägen der Kommission nicht anschließen, einen besonderen rechtlichen Status für Forscher zu schaffen, zumal er keine Berufsbezeichnung darstellt und eher auf Tätigkeiten abhebt, die in verschiedenen Bereichen und Sektoren wahrgenommen werden können. Insoweit erübrigt sich auch eine "Charta der Europäischen Forscher", da Forscher nicht nach Plan ausgebildet und verwendet, sondern im Einzelfall auf Grund ihrer individuellen Leistungen eingestellt und fortgebildet werden. Es sollte vielmehr darum gehen, die Arbeitsplätze für Forscher im öffentlichen und privaten Forschungsbereich im internationalen Wettbewerb insgesamt attraktiver und transparenter zu machen.
- 5. Der Bundesrat lehnt es ab, in allen Mitgliedstaaten spezielle Zentren zur Orientierung der Forscher auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene einzurichten.
Vielmehr sollten Instrumente der verstärkten Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft zur Förderung der sektoralen Mobilität entwickelt und die Beschäftigungsanreize für junge Wissenschaftler in Industrie und Unternehmen verbessert werden. Allerdings bedarf es dazu nach der Auffassung des Bundesrates nicht der Einsetzung einer weiteren hochrangigen Sachverständigengruppe zur Ermittlung von Beispielen für vorbildliche Praktiken.
- 6. Der Bundesrat erkennt auch keinen europäischen Mehrwert, der durch folgende Initiativen der Kommission erreicht werden soll:
- - Folgenabschätzungen zur Ermittlung und zum Benchmarking der vielfältigen Möglichkeiten für Forscherlaufbahnen;
- - systematische Bestandsaufnahme des Status von Doktoranden;
- - europäische Plattform für den sozialen Dialog der Forscher.
- 7. Um Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip abzuwehren, erwartbare Eingriffe in die primären Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der autonomen Hochschulen zu verhindern und eine Ausweitung der Bürokratie zu vermeiden, lehnt es der Bundesrat ferner ab,
- - einen "Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern" zu erarbeiten, weil die Mehrzahl der Forscher von der Wirtschaft eingestellt wird und die Forscher an öffentlichen Einrichtungen nach den Gesetzen der Mitgliedstaaten und den Satzungen der Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen bzw. ihrer Trägerorganisationen ausgewählt werden
- - Vorgaben für das Betreuungsverhältnis von Doktoranden zu machen (strukturiertes Mentoring, Ombudsmann, Wahl des Betreuers).
- 8. Der Bundesrat unterstützt den Vorschlag der Kommission, ein Europäisches Jahr der Forscher zu veranstalten, um die Anerkennung von Forschungstätigkeiten in der Öffentlichkeit zu stärken, und in diesem Zusammenhang eine Reihe von Workshops zum Austausch vorbildlicher Praktiken zur Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten und zur Steigerung der geografischen und sektoralen Mobilität der Forscher zu veranstalten. Zur geografischen Mobilitätsförderung empfiehlt der Bundesrat, die Kommission zu bitten, im Herbst 2004 zunächst einmal den Rat über ihre Erfahrungen mit dem am 15. Juli 2003 eröffneten "Mobility Web Portal" zu unterrichten.
- 9. Der Bundesrat hält es für angemessen, dass die Kommission die Entwicklung der Nachfrage nach Forschern am Arbeitsmarkt weiter beobachtet und die Weiterentwicklung der Doktorandenausbildung durch die Mitgliedstaaten im Rahmen des Bologna-Prozesses fördert.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Kommission aufzufordern, die Entwicklung von Verfahren für den Vergleich von Forschergehältern unter dem Kosten-/Nutzenaspekt nochmals zu überprüfen und darlegen zu lassen, welche von den Mitgliedstaaten verwertbaren Ergebnisse sie damit erzielen möchte.