- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission über das Europäische Technologieinstitut (ETI) zur Kenntnis. Er stellt fest, dass die Mitteilung zwar eine Reihe zutreffender Feststellungen enthält, insgesamt jedoch die Frage nach dem europäischen Mehrwert eines ETI und der Notwendigkeit einer zusätzlichen Einrichtung auf EU-Ebene im Hinblick auf die bereits bestehenden Instrumente offen lässt. Dem Ziel der Kommission, Bildung, Forschung und Innovation stärker miteinander zu verbinden und zu diesem Zweck herausragende Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen miteinander zu vernetzen, dienen zahlreiche Aktivitäten, die auf der Ebene der Länder und auf Bundesebene in Deutschland bereits durchgeführt werden.
- 2. Der Bundesrat bekräftigt in diesem Zusammenhang nachdrücklich seine früheren Ausführungen (vgl. BR-Drucksache 093/06(B) ), in denen er darauf hingewiesen hat, dass er von der Notwendigkeit der Errichtung eines ETI nicht überzeugt sei. Zahlreiche Fragen sind bislang noch nicht von der Kommission beantwortet worden. Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln
- 3. Die Kommission sieht die Aufgabe des ETI unter anderem darin, Ausbildung auf postgradualem Niveau zu vermitteln und spricht explizit Studierende an, die einen Magister- oder Doktorgrad erlangen wollen. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Zuständigkeit für das Ausbildungssystem ausschließlich bei den Mitgliedstaaten liegt. Er sieht es daher als unzulässigen Eingriff in seine Zuständigkeiten, wenn die Kommission über das ETI als rechtlich selbständiger Einrichtung Regelungen zur Vergabe von Hochschulabschlüssen vornimmt. Artikel 149 EGV stellt hierfür keine Rechtsgrundlage dar. Der Bundesrat erkennt eine Kompetenz der EU in diesem Bereich ausdrücklich nicht an.
- 4. Der Bundesrat sieht in einem Tätigwerden der Kommission in diesem Bereich ferner einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip.
- 5. Das ETI soll in den Bereichen Forschung und Innovation tätig werden, FuE-Ergebnisse sollen schneller verwertet und in neue Produkte, Verfahren und Technologien am Markt umgesetzt, die "besten Köpfe" Europas angezogen, und der Innovationsprozess beschleunigt werden. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es bereits mehrere von der EU etablierte Instrumente zur Erreichung dieser Ziele gibt. Als Beispiele können der Europäische Forschungsrat, die Gemeinsame Forschungsstelle, die Exzellenznetzwerke und das Wettbewerbs- und Innovationsprogramm (CIP) genannt werden. Eine Abgrenzung zu den Technologieplattformen bleibt aus Sicht des Bundesrates ebenfalls offen. Diese wurden gerade mit der Zielsetzung einer besseren Einbindung der Industrie in europäische Forschungsvorhaben aber auch der Finanzbranche und der Normungsgremien initiiert. Aus Sicht des Bundesrates darf es nicht zu einer Zersplitterung der vorhandenen Ressourcen kommen. Aus Sicht des Bundesrates darf es auch nicht zur Schaffung paralleler Einrichtungen kommen, deren Zielsetzungen nicht klar voneinander zu unterscheiden sind und die gegenseitig die vorhandenen Ressourcen binden.
- 6. Der Bundesrat tritt dafür ein, dass sich ein ETI bei einer begründeten Notwendigkeit seiner Errichtung als ein grenzüberschreitendes Netzwerk leistungsfähiger Hochschulen und Forschungseinrichtungen versteht. Die beteiligten Einrichtungen sollen ausschließlich nach dem Kriterium der Exzellenz in einem Wettbewerbsverfahren ausgewählt werden. Der Europäische Forschungsrat soll hierbei die Hauptrolle spielen. Der Bundesrat spricht sich zudem dafür aus, dass die Präsidenten und Vorsitzenden der Europäischen Hochschul- und Forschungsorganisationen intensiv in den Prozess einer Errichtung eines solchen Instituts eingebunden werden.
- 7. Die Struktur des ETI soll laut Kommission neben einem Verwaltungsrat aus "Wissensgemeinschaften" bestehen, in denen sich Forscherteams aus bestehenden Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen zusammenschließen. Diese Wissensgemeinschaften sollen einen eigenständigen rechtlichen Status erhalten und nur gegenüber dem Verwaltungsrat rechenschaftspflichtig sein. Die Herauslösung von Teilen der Universitäten und Forschungseinrichtungen unter Mitnahme von Ressourcen stößt auf erhebliche Bedenken. Aus Sicht des Bundesrates ist weder für Hochschulen noch für Unternehmen ein Anreiz gegeben, hochkarätige Forschergruppen zu finanzieren, ohne diese unmittelbar in den Hochschulen bzw. in den Unternehmen zu verankern.
- 8. In ihrer Mitteilung geht die Kommission nicht weiter auf die Frage der Finanzierung eines ETI ein. Sie stellt zwar dar, dass diese aus einer Kombination privater und öffentlicher Gelder erfolgen soll, es ist aber nicht erkennbar, welche öffentlichen und planbaren privaten Geldquellen hierfür zur Verfügung stehen sollen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang darauf hinzuwirken, dass die Errichtung und der Betrieb des ETI nicht zu Lasten anderer Bereiche des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms oder des CIP-Programms erfolgen.
- 9. Die Rechtsgrundlage des ETI bleibt in der Mitteilung offen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass eine eindeutige rechtliche Grundlage geschaffen wird.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, darauf hinzuwirken, dass der Ansatz der Errichtung eines ETI nur dann weiterverfolgt wird, wenn sichergestellt ist, dass das ETI einen überzeugenden und klar definierten Mehrwert bringt, die Mitgliedstaaten die Errichtung eines solchen Instituts mittragen und zur anteiligen Finanzierung eines solchen willens und in der Lage sind. Bevor an die Gründung einer weiteren europäischen Einrichtung gedacht werden kann, muss geprüft werden, ob der angestrebte europäische Mehrwert nicht mit weniger administrativem und finanziellem Aufwand erreicht werden kann.
- 11. Der Bundesrat bedauert, dass die Aktivitäten zur Errichtung des ETI nicht von der für Forschungsangelegenheiten primär zuständigen Generaldirektion betrieben werden. Aus Gründen der Sachnähe wäre es begrüßenswert, wenn die Generaldirektion Forschung unmittelbar die Federführung bei der Entwicklung und Ausarbeitung der Konzepte für ein solches Institut übernehmen würde. Dort wäre eine adäquate Betrachtung - in Abstimmung und Abhängigkeit von den anderen Forschungsvorhaben der Kommission und in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten - möglich.
- 12. Der Bundesrat behält sich nach Vorliegen des von der Kommission für 2006 angekündigten Rechtsinstruments und nach Vorlage aussagekräftiger Informationen zur Finanzierung des geplanten Instituts eine weitere Stellungnahme vor.