973. Sitzung des Bundesrates am 14. Dezember 2018
A
- 1. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages einberufen wird.
Begründung:
Mit der dritten Änderung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2013 wurde das Ausstiegsdatum aus der betäubungslosen Ferkelkastration auf den 31. Dezember 2018 festgelegt.
Die im damaligen Gesetzentwurf ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehene Frist 31. Dezember 2016 ist folglich bereits um zwei Jahre verlängert worden.
In der somit von vornherein länger gefassten Übergangszeit von insgesamt fünf Jahren hätten die im Jahr 2016 im Bericht der Bundesregierung aufgeführten, in Praxisreife vorliegenden Alternativen zur betäubungslosen Kastration in den letzten zwei Jahren deutlich effektiver zur flächendeckenden Anwendungsreife gebracht sowie mit einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit und Verbraucherkommunikation unterstützt werden müssen.
Eine Verlängerung der Ausstiegsfrist um weitere zwei Jahre ist wegen des hiermit verbundenen Verstoßes gegen Artikel 20a des Grundgesetzes verfassungsrechtlich bedenklich. Angesichts vorhandener Alternativen ist die Verlängerung der Frist unverhältnismäßig. Sie ist auch ethisch nicht akzeptabel und ohne eine konkrete Strategie der Bundesregierung faktisch unbegründet.
Stattdessen sollten die bereits jetzt zur Verfügung stehenden tierschutzgerechten Alternativen (Jungebermast, Immunokastration, Kastration unter Narkose - Isofluran ist seit dem 19. November 2018 in Deutschland für die schmerzfreie Ferkelkastration zugelassen -) nun sehr kurzfristig und verbindlich in die praktische Anwendung gebracht werden.
B
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
- 2. Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung die fünfjährige Übergangsfrist nicht ausreichend genutzt hat, um auf die praktische Umsetzung einer tierschutzkonformen Ferkelkastration ab Januar 2019 hinzuwirken. Bereits im Jahr 2016 hat sie über den Stand der Entwicklung alternativer Verfahren und Methoden berichtet und festgestellt, dass die Durchführung des Eingriffs unter Narkose, die Immunokastration und die Jungebermast vor dem Hintergrund des Tierschutzes, der Arzneimittelsicherheit und des Verbraucherschutzes geeignet sind, die Praxis der betäubungslosen Ferkelkastration abzulösen. Vorhandene Bedenken, insbesondere der Vermarktung von Eberfleisch mit und ohne Impfung, hätten frühzeitig mit den betroffenen Verbänden ausgeräumt werden können. Diese große Chance wurde verpasst.
- 3. Der Bundesrat hat hinsichtlich der Fristverschiebung verfassungsrechtliche Bedenken. Mit der vorgesehenen Fristverschiebung wird die bestehende Situation beibehalten, obwohl der Tierschutzstandard deutlich verbessert werden kann. Das vorliegende Gesetz steht somit dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag für jedes einzelne Tier in Artikel 20a des Grundgesetzes entgegen.
- 4. Vor dem Hintergrund der bereits jetzt zur Verfügung stehenden Alternativen lehnt der Bundesrat die Fristverschiebung ab.
- 5. Unabhängig davon erachtet der Bundesrat die mit der Änderung des Tierschutzgesetzes geplante Verschiebung um zwei Jahre für deutlich zu lang. Damit droht die längst überfällige Unterstützung des Einsatzes der tierschutzgerechten Methoden wieder auf die lange Bank geschoben zu werden. Der Bundesrat hält die Begründung in dem dem Gesetz zugrundeliegenden Gesetzentwurf nicht für sachgerecht und vermisst Aussagen darüber, mit welcher Strategie ein Inkrafttreten des Verbots bis spätestens zum 1. Januar 2021 sicher gewährleistet werden soll.
- 6. Der Bundesrat hält es zudem für erforderlich, die Sauenhaltung und Ferkelaufzucht in eine überzeugende, verbindliche staatliche Tierhaltungskennzeichnung einzubeziehen, um darüber eine Marktdifferenzierung für die Ferkelerzeugung zu ermöglichen.