Der Bundesrat hat in seiner 891. Sitzung am 16. Dezember 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente vom 21. April 2004 (Markets in Financial Instruments Directive - "MiFID") im Wege eines Legislativpakets zu überarbeiten. Das Legislativpakt umfasst neben dem Verordnungsvorschlag auch einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ( BR-Drucksache 694/11 (PDF) ). Der Bundesrat unterstützt die Zielsetzung der Kommission, die MiFID mit dem Legislativpaket im Lichte der seit ihrem Inkrafttreten gewonnenen praktischen Erfahrungen, veränderter Handelspraktiken, neuer technologischer Entwicklungen und unter Berücksichtigung der im Verlauf der Finanzmarktkrise erkannten Defizite zu aktualisieren, um regulatorischem Anpassungsbedarf Rechnung zu tragen. Da die MiFID ein zentrales Element der EU-Finanzmarktregulierung darstellt, hat ihre Überarbeitung wesentliche Bedeutung für den europäischen Finanzbinnenmarkt und seine künftige Gestaltung.
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verlauf der Verhandlungen in den Gremien der EU eine Prüfung zu veranlassen, ob die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Transparenzvorschriften für den Anleihehandel angemessen sind und möglicherweise die Gefahr besteht, dass es zu einer "Austrocknung" der Liquidität im Anleihehandel kommt. Der Kauf und Verkauf von Anleihen geschieht in der Regel über bilaterale Geschäfte. Kreditinstitute geben dem Markt durch An- und Verkauf Liquidität und nehmen hierzu Risiken in die eigenen Bücher. Bei einer Verpflichtung zu einer verfrühten Offenlegung entstünde das Risiko, dass sie nicht in der Lage wären, ihre Positionen zu angemessenen Preisen zu schließen. Dies kann dazu führen, dass Kreditinstitute derartige Risiken nicht mehr eingehen. Folge könnte eine "Austrocknung" der Liquidität sein. Dies hätte negative Auswirkungen auf Emittenten von Anleihen (Unternehmen, Kreditinstitute, öffentlichrechtliche Körperschaften). Es sollte daher geprüft werden, wie die erforderliche Transparenz unter Vermeidung der beschriebenen Problematik hergestellt werden kann. Möglicherweise liegt ein Lösungsansatz in der Schaffung einer angemessenen Möglichkeit für eine verzögerte Nachhandelstransparenz.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Rechtsetzungsverfahren darauf hinzuwirken, dass die Auswirkungen der Verordnung auf die Kosten und den Umfang des Risikomanagements von Industrie- und Gewerbeunternehmen mit Hilfe von OTC-Derivaten zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung evaluiert werden und das Ergebnis der Evaluation veröffentlicht wird.
Je nach Ausgestaltung der technischen Details durch die Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA kann die neue Regulierung zu einer Verteuerung der Absicherung von Preisänderungsrisiken bei Rohstoffen, Zinsen oder Währungen durch Industrieunternehmen führen. Diese Preissteigerung des Risikomanagements für Industrie- und Gewerbeunternehmen mittels OTC-Derivaten kann entsprechende Absicherungen unwirtschaftlich machen, so dass sie unterbleiben. Dann würde die Erhöhung der Absicherungskosten zwar eine Reduzierung von Risiken im Finanzsektor bewirken, aber auch eine entsprechende Risikoerhöhung in der Realwirtschaft. Deshalb sollte die neue Regulierungspraxis in ihrer Auswirkung auf die Kosten und den Umfang des Risikomanagements von Industrie- und Gewerbeunternehmen evaluiert werden. Die nach Artikel 43 Absatz 3 vorgesehene allgemeine Berichterstattungspflicht der Kommission genügt insoweit nicht.