Der Bundesrat hat in seiner 908. Sitzung am 22. März 2013 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat begrüßt die dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Intention, die Widerstandsfähigkeit des Finanz- und insbesondere des Bankensektors gegen künftige Krisensituationen weiter stärken zu wollen. Eines der wesentlichen Ziele des ordnungspolitischen Rahmens zur Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte muss dabei sein, die "too big to fail"-Problematik aufzulösen, um auch systemrelevante Kreditinstitute im Fall ihres Scheiterns an den Märkten ohne Gefahr für die Stabilität des gesamten Finanzsystems und ohne eine Inanspruchnahme des Steuerzahlers restrukturieren und abwickeln zu können. Die vorgeschlagenen Sanierungs- und Abwicklungspläne für als potentiell systemgefährdend eingestufte Kreditinstitute können einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten. Sie ergänzen das bereits gesetzlich geregelte, spezielle Sanierungs- und Reorganisationsverfahren für Banken. Diese Pläne sollen für mehr Transparenz im Finanzsektor sorgen sowie den Instituten und auch den zuständigen Behörden den Umgang mit Schieflagen im Bankensektor in Zukunft erleichtern.
- 2. Der Bundesrat begrüßt weiter, dass die Bundesregierung im Vorgriff auf eine europäische Regelung die Initiative ergriffen hat. Die Begrenzung der impliziten Staatsgarantie auf das reine Kundengeschäft ist ein wichtiges Ziel.
Gleichwohl weist der Bundesrat darauf hin, dass die notwendige Bändigung der globalen Finanzmärkte am effektivsten mit einem globalen Ansatz zu erreichen ist. Er erwartet von der Bundesregierung, sich mit mehr Nachdruck auf internationaler Ebene für stärkere Regulierungen einzusetzen. Es darf nicht hingenommen werden, dass sich bedeutende Finanzstandorte internationalen Regeln entziehen. Es muss dafür gesorgt werden, dass nicht nur Steueroasen, sondern auch Regulierungsoasen für Finanzmärkte ausgetrocknet werden.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich mit Nachdruck auf europäischer Ebene für einheitliche Lösungen im Rahmen der Bankenunion einzusetzen. Die Bundesregierung soll sich darüber hinaus dafür stark machen, dass die Vorschläge der Expertengruppe zu strukturellen Reformen im EU-Bankensektor zu einer Abtrennung des Eigenhandels und anderer signifikanter Handelsgeschäfte realisiert werden.
- 4. Der Bundesrat begrüßt außerdem, dass die Bundesregierung einen Vorschlag für ein Trennbankensystem vorgelegt hat. Sie greift dabei Forderungen und zum Teil Vorschläge auf, die seit langem debattiert werden.
- 5. Die Abtrennung riskanter Geschäfte vom Einlagengeschäft der Banken stellt einen wichtigen, aber nur einen ersten Schritt dar. Der Bundesrat hält es darüber hinaus für erforderlich, auf nationaler und europäischer Ebene Schritte zu unternehmen, um den Eigenhandel und andere riskante Geschäfte einerseits der Banken, andererseits aber auch im Schattenbankensektor einer angemessenen Regulierung zu unterwerfen. Es muss verhindert werden, dass Akteure am Finanzmarkt wie etwa Hedgefonds in der Lage sind, Unternehmen der Realwirtschaft, Staaten oder Währungen so unter Druck zu setzen, dass am Ende die Steuerzahler einspringen müssen. Eine angemessene Eigenkapitalunterlegung und angemessene Anforderungen an die Liquidität sollten nicht nur für Banken, sondern auch und gerade für Schattenbanken gelten. Der Bundesrat bittet deshalb, im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass Schattenbanken dem Anwendungsbereich des KWG unterworfen werden (Artikel 2 Nummer 2 des Gesetzentwurfs - § 1 Absatz 1a KWG-E).
- 6. Zu Artikel 1
Der Bundesrat erwartet von der Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren Vorschläge mit Blick auf die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Artikel 1), die
- a) sicherstellen, dass für Töchter und Niederlassungen ausländischer Banken keine geringeren Anforderungen als für Institute mit Sitz im Inland gelten;
- b) die unbestimmten Rechtsbegriffe wie z.B. "Darstellung von Szenarien für schwerwiegende Belastungen" (§ 47a Absatz 2 Nummer 6 KWG-E) oder aber die Definitionen der "wesentlichen" bzw. "kritischen" Geschäftsaktivitäten (§ 47a Absatz 6 KWG-E) konkretisieren.
- 7. Zu Artikel 1 Nummer 8a - neu - (§ 48r Absatz 1 Satz 1 KWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, inwieweit die Regelungen zum Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in dem bereits geltenden § 48r Absatz 1 Satz 1 KWG im Hinblick auf die Klagefrist sowie auf den Ausschluss der Revision an § 47j Satz 1 KWG-E angeglichen werden können.
Begründung:
Mit Gesetz vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1900) ist im dritten Abschnitt des Kreditwesengesetzes (KWG) der Unterabschnitt über die Maßnahmen der Bundesanstalt gegenüber Kreditinstituten bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems (§§ 48a ff. KWG) eingeführt worden. Bestandteil dieses Unterabschnitts ist § 48r KWG, nach dessen Absatz 1 Satz 1 von dem Kreditinstitut binnen vier Wochen gegen Übertragungsanordnungen der Bundesanstalt um Rechtsschutz vor dem für den Sitz der Bundesanstalt in Frankfurt am Main zuständigen Oberverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug nachgesucht werden kann. Nach § 47j Satz 1 KWG-E soll Rechtsschutz gegen Aufforderungen, Feststellungen und Maßnahmen der Bundesanstalt innerhalb eines Monats vor dem für den Sitz der Bundesanstalt in Frankfurt am Main zuständigen Oberverwaltungsgericht möglich sein. Bei den Maßnahmen der Bundesanstalt handelt es sich jeweils um Instrumente zur Finanzmarktstabilisierung, zwischen denen keine rechtsschutzrelevanten Unterschiede bestehen. Es erscheint daher angemessen, die Vorschriften zu harmonisieren. Dabei sollte insbesondere geprüft werden, ob § 48r Absatz 1 Satz 1 KWG an die Neuregelung des § 47j Satz 1 KWG-E angepasst werden kann. Zum einen stellt die Vier-Wochen-Frist des § 48r Absatz 1 Satz 1 KWG einen verwaltungsprozessualen Fremdkörper dar. Zum anderen sind hinreichende Gründe für einen Ausschluss der Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich; auch im Gesetzgebungsverfahren sind solche Gründe seinerzeit nicht vorgetragen worden (vgl. BT-Drs. 17/3024, S. 70).
- 8. Zu Artikel 2
Der Bundesrat erwartet von der Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren Vorschläge mit Blick auf die Abtrennung riskanter Geschäfte (Artikel 2), die Verstöße gegen das Verbot des Eigenhandels und anderer riskanter Geschäfte mit strafrechtlichen Konsequenzen für die Geschäftsleitung versehen.
- 9. Zum Gesetzentwurf im Übrigen
Der Bundesrat hält es für zwingend geboten, etwaige Auswirkungen der Regelungen zur Abschirmung von Risikosphären innerhalb von Kreditinstituten auf die deutsche Wirtschaft zu prüfen und dabei insbesondere umfassend zu untersuchen, welche Geschäftstätigkeiten von Instituten als riskant für das Finanzsystem einzustufen sind und sinnvoll in Finanzhandelsinstitute ausgelagert werden können.
- 10. Der Bundesrat hält eine Klarstellung für erforderlich, ob bei Überschreiten der in Artikel 2 Nummer 3 § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 KWG vorgeschlagenen Schwellenwerte sämtliche als spekulativ einzustufenden Geschäftsaktivitäten von Kreditinstituten in ein eigens hierfür zu errichtendes Finanzhandelsinstitut auszulagern sind oder nur der die Schwellenwerte übersteigende Umfang dieser Geschäfte.
- 11. Der Bundesrat hält es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für erforderlich, im Gesetzentwurf Vorgaben zu verankern, die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bei einem nur unwesentlichen Überschreiten der in Artikel 2 Nummer 3 § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 KWG aufgeführten Schwellenwerte eine flexible Anwendung der Bestimmungen zur Abschirmung von Risikosphären innerhalb von Kreditinstituten in der Übergangsphase erlauben.
- 12. Der Bundesrat hält eine klarere Ausgestaltung des rechtlichen Verhältnisses von Einlagenkreditinstitut und neuem Finanzhandelsinstitut nach Artikel 2 Nummer 4 § 25f KWG für erforderlich, um die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der angestrebten Abschirmung von Risiken innerhalb von Kreditinstituten und Finanzgruppen - insbesondere der Frage der Haftungsverhältnisse des Kreditinstituts für ein ausgelagertes Finanzhandelsinstitut - rechtssicher vorzugeben.