881. Sitzung des Bundesrates am 18. März 2011
A
- 1. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
B
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
- 2. Der Bundesrat sieht sich durch das dynamische Wachstum bei den Erneuerbaren Energien, insbesondere auch bei der Photovoltaik, darin bestätigt, dass mit dem Umlageverfahren des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) ein erfolgreiches Instrument zur Förderung einer umwelt- und klimaverträglichen Energieversorgung und zur Sicherung der Wertschöpfung in Deutschland besteht. Das EEG ist die Grundlage dafür, dass heute rund 17 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien stammt, dass inzwischen 340.000 Menschen in der Erneuerbaren-Energien-Branche arbeiten und aktuell rund 20 Milliarden Euro jährlich in neue Erneuerbare-Energien-Anlagen investiert werden. In vielen Regionen Deutschlands sind Erneuerbare Energien mittlerweile der Hauptwirtschaftsfaktor. Nutznießer sind auch die Kommunen, denen die Nutzung Erneuerbarer Energien 6,8 Mrd. Euro in die Kassen bringt, etwa durch Pachteinnahmen, Steuern oder Beteiligung an Windparks.
- 3.
- a) Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kann eine beispiellose Erfolgsbilanz vorweisen. Seit über zehn Jahren besteht ein geeignetes und flexibles Instrument, um den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Energieversorgung kontinuierlich zu steigern und Innovationsimpulse zu setzen. Der Bundesrat setzt sich nachdrücklich für einen ambitionierten Ausbau der Erneuerbaren Energien ein.
- b) Die aktuellen Aufschläge beim Strompreis lassen sich nicht ausschließlich mit der EEG-Umlage begründen, da der Erhöhung der Umlage erhebliche Kostensenkungen bei der Strombeschaffung gegenüberstehen. Erneuerbare Energien wirken über den Merit Order Effekt an der Börse strompreisdämpfend. Insbesondere die Photovoltaik spielt künftig in der Mittagszeit bei hoher Stromnachfrage eine wichtige Rolle bei der Verdrängung von teuren Gaskraftwerken. Dauerhaft werden die Strompreise durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien sinken, da brennstofffreie Erneuerbare-Energien-Technologien durch Fortschritte und Massenproduktion billiger und andere Energieträger durch Verknappung und oligopolartige Marktstrukturen teurer werden.
- c) Die Photovoltaik hat in den vergangenen Jahren in Deutschland eine weltweit beispiellose Entwicklung genommen. Mit aktuell über 17 GW installierter Leistung deckt die Photovoltaik inzwischen ca. 3 Prozent des deutschen Strombedarfs. Allein der Zubau in 2010 generiert eine Stromerzeugung in der Größenordnung eines großen Kohle- oder Kernkraftwerksblocks. Die Solarbranche erwirtschaftet zudem eine Wertschöpfung in mehrfacher Milliardenhöhe und bietet über 130.000 Menschen Arbeit.
- d) Das weltweite Wachstum der Photovoltaik hat ein schnelles Durchschreiten der Lernkurve und damit deutliche Kostensenkungen ermöglicht. Sollte der Photovoltaik-Zubau in 2011 7,5 GW erreichen, sänke die Einspeisevergütung ab 1. Januar 2012 für kleine Dachanlagen auf 21,84 ct./kWh, die Vergütung für sonstige Freiflächen auf 16,04 ct./kWh. Damit wäre bei Dachanlagen schon 2012 die Grid parity zum Haushaltsstromtarif erreicht. Freiflächenanlagen könnten mit den Kosten pro kWh schon 2013 unter das Niveau von Offshore-Windstrom kommen.
- e) Die Höhe der Photovoltaik-Differenzkosten bis 2030 ist weitestgehend durch den bisherigen Zubau bestimmt und damit heute schon festgelegt. Der künftige Ausbau der Photovoltaik wird auf Grund der mit der Höhe des jährlichen Zubaus steigenden Degression der Einspeisevergütungen für die Höhe der Photovoltaik-Differenzkosten keine Relevanz mehr haben.
- f) Eine Begrenzung des Photovoltaikausbaus wegen der Höhe der Differenzkosten ist daher sachlich nicht begründet. Vielmehr gilt es, den weltweiten Ausbau der Photovoltaik zu beschleunigen, um so weiterhin kurzfristig große Kostensenkungen zu erschließen und damit die Photovoltaik schnellstmöglich wettbewerbsfähig zum Endkundenpreis zu machen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kostensenkungspotenziale bei Produktion und Installation von Solarmodulen durch eine außerplanmäßige Absenkung der Solarvergütung ausgeschöpft werden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die umwelt- und klimaverträgliche Photovoltaiktechnologie dauerhaft zu sichern. Die im EEG von jeher eingezogene Kostenbremse hat bisher zu einer Halbierung der Erzeugungskosten für Solarstrom geführt.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Weiteren dafür Sorge zu tragen, zukünftige Investitionen und Arbeitsplätze nicht zu gefährden und die Innovationsfähigkeit der Solarbranche zu stärken. Dafür sind langfristige Planbarkeit und Kontinuität für Unternehmen und Kunden der Solarbranche zwingende Voraussetzung. Eine unterstützende Maßnahme wäre es, die Absenkung der Vergütungssätze nicht an einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen, sondern sie zeitlich zu staffeln, um eine durchgehende und zeitnahe Anpassung an die jeweilige Marktentwicklung zu ermöglichen. Damit können zugleich Vorzieheffekte verhindert werden, die große Marktschwankungen zu Lasten der Unternehmen und Arbeitnehmern bewirken.
- 6. Der Bundesrat spricht sich angesichts der zum 1. Januar 2012 anstehenden Novelle des EEG für eine Weiterentwicklung aus, welche Investitionssicherheit durch planbare Einspeisevergütungen bietet und den Einspeisevorrang Erneuerbarer Energien sicherstellt. Dabei sind die folgenden Ziele und Eckpunkte maßgeblich zu berücksichtigen:
- a) Zur Integration großer PV-Leistungen in das Netz soll im EEG-2012 die Erbringung von Systemdienstleistungen auch für Photovoltaik vorgeschrieben werden (z.B. Erbringung von Blindleistung etc.). Regelbare Ortsnetztransformatoren sollten zum Standard entwickelt und von der Netzregulierung vorgeschrieben werden.
- b) Das EEG-2012 sollte an einer Maximierung des Eigen- und Direktverbrauchs ausgerichtet werden. Dies minimiert Netzausbau- und EEG-Differenzkosten und leistet einen Beitrag zur Reduzierung der Stromrechnungen für Privathaushalte wie Unternehmen.
- c) Hersteller, Projektentwickler, Investoren und nicht zuletzt das Handwerk benötigen langfristige Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen. Außerplanmäßige Zusatzdegressionen irritieren den Markt, indem sie ihn entweder unnötig anheizen oder zum Erliegen bringen. Nachhaltiges Wachstum setzt daher eine Absenkung der Vergütungssätze in planbaren Schritten voraus.
- d) Im EEG-2012 ist eine eigenständige Vergütungsstufe für gebäudeintegrierte Photovoltaik und Hybridkollektoren (gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme) einzuführen. Dies macht Solarenergie zu einem integralen Bestandteil der Architektur, stärkt die innovationsstarke heimische Solarbranche und ist ein entscheidender Beitrag zur Umsetzung des "nearly zero emission Building", dem in der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie ab 2020 EU-weit geltenden Energiestandard.
- e) Das Grünstromprivileg nach § 37 EEG muss als Instrument zur Direktvermarktung von EEG-Strom erhalten bleiben. Ziel der Weiterentwicklung muss es sein, die Direktvermarktung und damit die Systemintegration von Erneuerbaren Energien voranzutreiben bei gleichzeitiger Begrenzung der EEG-Umlage.
- 7.
- a) Der Bundesrat bedauert, dass die Förderung der erneuerbaren Wärmeenergie, insbesondere nach dem Marktanreizprogramm, auch weiterhin einem "Stop and Go" unterworfen ist. Für das Marktanreizprogramm ist eine deutliche Erhöhung der Haushaltsansätze notwendig, damit die notwendige Planungssicherheit für Investitionen gewährleistet ist. Das Marktanreizprogramm ist ein unverzichtbares Förderinstrument zum Ausbau Erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung. Es leistet auch eine wichtige Unterstützung für kommunale Investitionen in eine Wärmeversorgung mit Erneuerbaren Energien.
- b) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, für eine ausreichende Finanzausstattung des CO₂-Gebäudesanierungsprogramms der KfW zu sorgen und die Mittelausstattung gegenüber den bisherigen Haushaltsansätzen deutlich aufzustocken. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, das KfW-CO₂- Gebäudesanierungsprogramm zumindest mit dem in 2009 zur Verfügung stehenden Finanzvolumen fortzuführen. Das Programm soll gezielt auch den Kommunen zugute kommen, damit sie ihrer Vorbildfunktion nach dem Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien gerecht werden können.