Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments über die Reflexionsphase: Struktur, Themen und Kontext für eine Bewertung der Debatte über die Europäische Union

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 19. Januar 2006 angenommen.

Entschließung des Europäischen Parlaments über die Reflexionsphase: Struktur, Themen und Kontext für eine Bewertung der Debatte über die Europäische Union (2005/2146(INI))

Das Europäische Parlament,


1 ABl. C 247 E vom 6.10.2005, S. 88.
2 Punkte 9.1 und 9.2 P6_PV(2005)09-06.
3 AdR 250/2005 endg., noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.
4 0WA/025 - EWSA 1249/2005, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.
5 Deutschland , Griechenland, Spanien, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, Österreich, Slowenien, Slowakei.

A. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa wurde von den Staats- und Regierungschefs der 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 29. Oktober 2004 unterzeichnet und vom Europäischen Rat in seiner Erklärung vom 18. Juni 2005 erneut bestätigt

B. Die Verfassung wurde vom Europäischen Konvent ausgearbeitet, der, verglichen mit früheren Verfahren zur Ausarbeitung neuer Verträge, ein neues Maß an Offenheit, Pluralismus und demokratischer Legitimität erreichte,

C. Das Europäische Parlament billigte in seiner Entschließung vom 12. Januar 2005 die Verfassung mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln als "einen guten Kompromiss und eine erhebliche Verbesserung der bestehenden Verträge" und vertrat die Auffassung, dass diese Verfassung "einen stabilen und dauerhaften Rahmen für die künftige Entwicklung der Europäischen Union bieten wird, der weitere Beitritte ermöglicht und gleichzeitig Mechanismen für eine erforderliche Revision vorsieht",

D. Mit den in der Verfassung erwähnten Reformen ist unter anderem beabsichtigt, die Folgen der Erweiterung der Union vom 1. Mai 2004 zu bewältigen, und das Gelingen dieser und zukünftiger Erweiterungen wird ohne die Ratifizierung eines Verfassungsvertrags gefährdet sein,

E. Dreizehn Mitgliedstaaten5, die eine Mehrheit der Mitgliedstaaten der Union repräsentieren haben seitdem die Verfassung nach ihren eigenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ratifiziert, u.a. auch durch Volksabstimmungen in Spanien und Luxemburg,

F. Frankreich und die Niederlande haben die Ratifizierung aufgrund der Volksabstimmungen vom 29. Mai bzw. 1. Juni 2005 abgelehnt - mit dem Ergebnis, dass der Ratifizierungsprozess danach in den meisten der restlichen zehn Mitgliedstaaten ins Stocken geraten ist,

G. Artikel 48 des Vertrags über die Europäische Union sieht vor, dass die Verfassung erst dann in Kraft treten wird, wenn sie von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist,

H. Die dem Vertrag über eine Verfassung für Europa beigefügte Erklärung Nr. 30 sieht vor, "dass der Europäische Rat befasst wird, wenn nach Ablauf von zwei Jahren nach der Unterzeichnung des Vertrags über eine Verfassung für Europa vier Fünftel der Mitgliedstaaten den genannten Vertrag ratifiziert haben und in einem Mitgliedstaat oder mehreren Mitgliedstaaten Schwierigkeiten bei der Ratifikation aufgetreten sind",

I. Es ist notwendig, die Mitgliedstaaten und ihre Völker, die die Verfassung ratifiziert haben sowie diejenigen, die sie nicht ratifiziert haben, zu respektieren, und die Gründe für die negativen Ergebnisse in Frankreich und den Niederlanden sorgfältig zu analysieren J. Die Nein - Stimmen waren offensichtlich mehr ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Zustand der Union als ein konkreter Einwand gegen die Verfassungsreformen, jedoch bedeutet das "Nein" paradoxerweise die Aufrechterhaltung des Status quo und eine Blockade der Reform,

K. Der Europäische Rat hat diese Analyse bestätigt und in seiner Erklärung vom 18. Juni 2005 die Auffassung vertreten, dass durch diese Ergebnisse "das Engagement der Bürger für das europäische Aufbauwerk nicht in Frage gestellt wird", dass "die Bürger jedoch Bedenken und Ängste zum Ausdruck gebracht haben, denen Rechnung getragen werden muss"; der Europäische Rat hat daher beschlossen, dass eine "Zeit der Reflexion in jedem unserer Länder für eine ausführliche Diskussion genutzt" wird, "an der die Bürger, die Zivilgesellschaft, die Sozialpartner, die nationalen Parlamente sowie die politischen Parteien teilnehmen werden"; die Regierungschefs kamen überein, im ersten Halbjahr 2006 "eine Bewertung aller einzelstaatlichen Diskussionen vorzunehmen und den weiteren Fortgang des Ratifizierungsprozesses zu vereinbaren",

L. In dieser Erklärung stellten die Regierungschefs fest, dass der Ratifizierungsprozess fortgesetzt werden kann, und kamen überein, dass der ursprüngliche Zeitplan für das Inkrafttreten der Verfassung (1. November 2006) ausgedehnt werden muss,

M. Dem Europäischen Rat gelang es jedoch nicht, eindeutige Vorgaben für die Reflexionsphase zu entwerfen oder die Methoden sowie den Rahmen, in dem Schlussfolgerungen aus dieser Debatte gezogen werden können, zu definieren, und seither mangelt es ihm offensichtlich sowohl am politischen Willen als auch an der Fähigkeit, den europäischen Dialog wieder in Gang zu bringen und zu gestalten,

N. der Europäische Rat hat im Dezember 2005 die Kommission beauftragt, im Zeitraum 2008/2009 eine vollständige und umfassende Überprüfung aller Aspekte der EU-Ausgaben, einschließlich der GAP, und der Eigenmittel einschließlich des Rabattes für das Vereinigte Königreich vorzulegen,

O. Die Reflexionsphase hat mit Debatten über den Kontext und nicht über den Text begonnen mit Fragen wie Zukunft des europäischen Sozialmodells, wirtschaftliche Aussichten Europas, Tempo der Erweiterung, mittelfristige Finanzplanung und Binnenmarkt im Dienstleistungsbereich - Themen, die ausnahmslos im Vordergrund stehen P. Die Kommission hat ihren Beitrag zur Reflexionsphase mit dem Ziel veröffentlicht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Union dadurch wiederherzustellen, dass nationale Debatten und die Förderung von Initiativen auf Gemeinschaftsebene unterstützt werden was jedoch nicht die Bündelung der Bemühungen aller europäischen politischen Institutionen oder die Ausübung einer Führungsrolle überflüssig macht, die die strategische Bedeutung der Verfassung und die politische Realität der Vorbedingungen für ihren Erfolg ernst nimmt,

Q. es liegt in der Verantwortung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments, ihre Rolle in der Reflexionsphase vollständig wahrzunehmen, insbesondere durch eine Reihe gemeinsamer parlamentarischer Foren, die den europäischen Dialog fördern lenken und strukturieren werden6,