Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Der Bundesrat begrüßt den mit dem vorliegenden Grünbuch verfolgten Ansatz der Kommission, die bisherigen kollisionsrechtlichen Regelungen zu vereinfachen und für die Betroffenen sowie für die beteiligten Gerichte und Behörden transparenter zu gestalten. Gerade die zunehmende Mobilität der Unionsbürger innerhalb der Mitgliedstaaten macht eine Harmonisierung des Kollisionsrechts sowie eine gemeinschaftsrechtliche Regelung der gerichtlichen Zuständigkeiten in diesem Bereich erforderlich.
Kompetenzgrundlage für gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen für die im Grünbuch angesprochenen Fragen des internationalen Erbrechts ist Artikel 61 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 65 Buchstabe a und b EGV. Darin werden für die abstrakt formulierten Rechtsbereiche die maßgeblichen Kompetenzausübungsvoraussetzungen festgelegt. Notwendig sind danach ein grenzüberschreitender Bezug und die Erforderlichkeit der Maßnahme für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen in diesem Bereich können sich nur auf das internationale Privatrecht in Gestalt der Kollisionsnormen und auf die Beseitigung von Hindernissen für Zivilverfahren beziehen. Der Bundesrat kritisiert daher die Aussage in dem Grünbuch, dass eine vollständige Angleichung des materiellen Erbrechts der Mitgliedstaaten nicht in Frage komme, und weist darauf hin, dass auch eine nur teilweise Angleichung der Normen des materiellen Erbrechts von den Kompetenznormen nicht gedeckt wäre. Die Regelungen des primären Gemeinschaftsrechts sprechen nämlich durchgehend nur von Vorschriften des Zivilverfahrens- und des Kollisionsrechts.
Der Bundesrat betont in diesem Zusammenhang, dass aus deutscher Sicht bei der Harmonisierung der Kollisionsnormen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene die grundlegenden Strukturentscheidungen des deutschen materiellen Erbrechts beachtet werden müssen, soweit sie von Verfassungs wegen vorgegeben sind.
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass zunächst nur Kollisionsregeln im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander getroffen werden sollten und dass es den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleibt, ob diese die Kollisionsregeln im Rahmen ihres autonomen Rechts auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwenden oder nicht. Artikel 61 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 65 Buchstabe b EGV geben lediglich eine Kompetenz zur Regelung dieses Bereichs in den Mitgliedstaaten.
Im Einzelnen nimmt der Bundesrat zu den Fragen wie folgt Stellung:
Frage 1
Der Bundesrat befürwortet eine umfassende kollisionsrechtliche Regelung aller erbrechtlichen Aspekte. Für die praktische Handhabung bei Erbfällen mit Auslandsberührung sind die Fragen der Abwicklung und Teilung des Nachlasses neben der Bestimmung der Erben und ihrer Rechte von großer Bedeutung. Eine kollisionsrechtliche Regelung auf Gemeinschaftsebene sollte daher auch die Abwicklung oder Teilung des Nachlasses einbeziehen.
Frage 2
Nach Auffassung des Bundesrates sollte aus Gründen der Praktikabilität ein möglichst einheitlicher Anknüpfungspunkt gewählt werden. In Betracht kommen die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz sowie der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes.
Eine Sonderanknüpfung für unbewegliches Vermögen nach dem Recht der belegenen Sache mit der damit verbundenen Nachlassspaltung weist auf der einen Seite zwar erhebliche Nachteile auf, weil sie das Nachlassverfahren komplizierter gestaltet; auf der anderen Seite ist der Wirtschaftsverkehr auf eine möglichst geringe Fehleranfälligkeit gerade im Bereich des Immobiliarrechts angewiesen. Die Anwendung des Rechts der belegenen Sache sichert im Gegenzug ein reibungsloses Zusammenspiel mit dem dort geltenden Registerwesen.
Frage 3
Der Bundesrat spricht sich wie bereits bei der Antwort auf die Frage 2 dafür aus, dass auch für Fragen der allgemeinen Testierfähigkeit etc. bei der Schaffung einer gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsnorm grundsätzlich ein einheitlicher Anknüpfungspunkt gewählt werden sollte. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage der Testierfähigkeit und der Gültigkeit von Verfügungen von Todes wegen sollte der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Erblassers oder seine Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Errichtung sein. Die kollisionsrechtliche Regelung sollte sich im Übrigen an den Regelungen im Haager Übereinkommen über das auf die Formen letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5. Oktober 1961 (BGBl. II 1965 S. 1145, II 1966 S. 11) anlehnen.
Die gemeinschaftsrechtliche Kollisionsnorm sollte nach Auffassung des Bundesrates keine Änderung des Anknüpfungspunkts für den Zeitraum zwischen Errichtung der letztwilligen Verfügung und dem Eintritt des Erbfalls vorsehen. Gründe der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sprechen dagegen. Diesen beiden Gesichtspunkten kommt aber überragende Bedeutung bei der Frage zu, welcher kollisionsrechtliche Anknüpfungspunkt gewählt werden soll. Zwischen der Errichtung der letztwilligen Verfügung und dem Eintritt des Erbfalls kann ein erheblicher Zeitraum liegen, innerhalb dessen der Erblasser beispielsweise seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat. Nicht selten wird er sich des Problems des für die Wirksamkeit seiner letztwilligen Verfügung geltenden Rechts nicht (mehr) bewusst sein.
Im Übrigen sollte bei einer gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsregelung der Grundsatz berücksichtigt werden, dass die letztwillige Verfügung im Interesse der Testierfreiheit des Erblassers möglichst als wirksam behandelt wird, auch wenn sich die in Betracht kommenden Anknüpfungstatsachen in dem Zeitraum zwischen Errichtung und Tod verändert haben sollten.
Frage 4
Der Bundesrat befürwortet hier eine Lösung, nach der beide Personen als gleichzeitig verstorben gelten, wenn nicht feststellbar ist, wer zuerst verstorben war.
Frage 5
Der Bundesrat lehnt Rechtswahlmöglichkeiten durch die Erben ab. Rechtswahlmöglichkeiten für den Erblasser müssen jedenfalls so ausgestaltet sein, dass der Schutz der Pflichtteilsberechtigten oder Noterbberechtigten nicht umgangen werden kann. Eine unbeschränkte Rechtswahl durch den Erblasser könnte im Einzelfall zu Ergebnissen führen, die mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des deutschen materiellen Erbrechts nicht vereinbar sind. Das künftige gemeinschaftsrechtliche Kollisionsrecht darf nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben für das materielle Erbrecht durch ein Wahlrecht des Erblassers unterlaufen werden können.
Dies könnte für das Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers der Fall sein. Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 19. April 2005 entschieden, dass die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass durch die Erbrechtsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 GG gewährleistet wird (1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03, NJW 2005, 872 bis 878). Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen an das materielle Erbrecht könnte ein Erblasser durch Einräumung einer Wahlmöglichkeit umgehen: Nach englischem Recht beispielsweise kann der Erblasser grundsätzlich über sein gesamtes Vermögen frei verfügen.
Jedenfalls sollte ein Wahlrecht des Erblassers hinsichtlich des Erbstatuts nur insoweit in Betracht kommen, als er verfassungsrechtlich zwingende erbrechtliche Regelungen - wie beispielsweise das Pflichtteilsrecht seiner Kinder - damit nicht umgehen kann. Ob eine solche Ausgestaltung der Kollisionsregeln überhaupt praktikabel ist, muss bezweifelt werden, denn im konkreten Erbfall müsste die bei der vorangegangenen Ausübung des Wahlrechts durch den Erblasser derogierte nationale Erbrechtsordnung auf ihre dispositiven Elemente hin überprüft werden. Dies dürfte der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wohl kaum zuträglich sein.
Gleichfalls aus Gründen der Rechtssicherheit wird vom Bundesrat die Möglichkeit für die potenziellen Erben, nach dem Tode des Erblassers das Erbstatut zu wählen, abgelehnt. Andernfalls könnten die Erben das jeweils für sie günstigste materielle Erbrecht wählen. Dies dürfte weder im Sinne der Rechtssicherheit noch im Sinne des - mutmaßlichen - Willens des Erblassers sein: Es wäre nicht auszuschließen, dass die Erben den Willen des Erblassers, wie er Ausdruck in seiner letztwilligen Verfügung gefunden hat, dadurch (teilweise) umgehen könnten, dass sie beispielsweise eine Erbrechtsordnung wählen, die gewisse erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie das nationale Erbrecht kennt, nicht beinhaltet. Dadurch könnte der Erblasserwille durch postmortale Maßnahmen umgangen werden. Schließlich ist auch hier das Pflichtteilsrecht der Erblasserkinder von Bedeutung: Ein Erbe könnte sich des gegen ihn gerichteten Pflichtteilsanspruchs einfach dadurch entledigen, dass er eine Erbrechtsordnung wählt, die ein entsprechendes Pflichtteilsrecht der Erblasserkinder nicht enthält.
Frage 6
Der Bundesrat tritt dafür ein, dass im Falle einer Wahlmöglichkeit des Erblassers diese beschränkt werden muss auf das Erbrecht seines Heimatstaats, seines Wohnsitzes oder seines ständigen Aufenthaltsorts. Der Bundesrat spricht sich im Falle der Einführung eines entsprechenden Wahlrechts dafür aus, dass dessen Ausübung der notariellen Beurkundung unterliegt. Dadurch würde gewährleistet, dass der Erblasser eine entsprechende rechtliche Beratung erhält, die ihn auf die Konsequenzen seiner Rechtswahl hinweist.
Frage 7
Der Bundesrat befürwortet eine gemeinschaftsrechtliche Kollisionsregelung, die auf das Vorhandensein des für die Rechtswahl relevanten Anknüpfungspunkts zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung abstellt. Diese Wahl sollte nach Ansicht des Bundesrates auch bei einer nachträglichen Änderung oder dem Wegfall des Anknüpfungspunkts Gültigkeit haben.
Frage 8
Lässt man eine Wahlmöglichkeit des Erblassers unter bestimmten Voraussetzungen zu, so sollte diese Möglichkeit nach Auffassung des Bundesrates auch bei gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen bestehen. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt für das von den Beteiligten gewählte Erbstatut bestehen sollte. Hinsichtlich der Form der Rechtswahl kann Artikel 14 Abs. 4 EGBGB als Vorbild dienen.
Frage 9
Der Bundesrat spricht sich gegen die Wahl des Ehegüterrechts als Erbstatut aus, da dies zu mehr Rechtsunsicherheit führen würde.
Frage 10
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass sich die in dieser Frage angesprochene Problematik in der Praxis überwiegend nicht stellen dürfte, weil die meisten Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ein Pflichtteilsrecht - entweder in der Ausgestaltung eines Noterbrechts oder eines Geldanspruchs - als Rechtsinstitut kennen. Es bestehen daher grundsätzlich keine Bedenken, wenn das kollisionsrechtlich bestimmte Recht den Pflichtteilsanspruch lediglich anders ausgestaltet. Im Übrigen könnten im
Hinblick auf die Gewährleistung des Pflichtteilsrechts der Erblasserkinder durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnisse vermieden werden, wenn die kollisionsrechtliche Regelung einen ordrepublic-Vorbehalt enthalten würde, der - in Anlehnung an die Regelung in Artikel 6 Satz 2 EGBGB - auf die Verfassungsüberlieferungen in den Mitgliedstaaten Bezug nimmt.
Frage 11
Eine spezielle Kollisionsregelung für Trusts wird derzeit nicht befürwortet. Allenfalls könnten solche Sachvorschriften für anwendbar erklärt werden, die das
Rechtsinstitut des Trusts kennen.
Frage 12
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass eine Rückverweisung - wie in Artikel 4 Abs. 1 EGBGB im deutschen Kollisionsrecht bereits geregelt - grundsätzlich zugelassen werden sollte.
Frage 13
Der Bundesrat hält es für sachgerecht, dass für die Vorfragen nicht an das Erbstatut angeknüpft wird, sondern das Recht anzuwenden ist, welches für die Vorfrage auch ohne den Erbfall Anwendung finden würde.
Frage 14
Der Bundesrat befürwortet eine weit reichende Harmonisierung der kollisionsrechtlichen Regelungen und der Zuständigkeitsnorm. Damit könnte ein anzustrebender Gleichlauf erzielt werden: Das Gericht, das mit der Nachlassangelegenheit befasst würde, könnte die materiellen Erbrechtsvorschriften der lex fori anwenden.
Soweit für den Nachlass in Immobilien eine Nachlassspaltung zu befürworten ist, wäre eine entsprechende Zuständigkeit des Belegenheitsstaates zu schaffen. Jedenfalls müsste es aber eine Zuständigkeit für vorläufig sichernde Maßnahmen geben, um dem Sicherungsinteresse des Erben Genüge zu tun.
Frage 15
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass ein etwaiges Gerichtswahlrecht der Erben an enge Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft wird. Insbesondere sollte Einigkeit unter den an einer Erbschaftsstreitigkeit beteiligten Personen bestehen, dass ein anderes als das gemeinschaftsrechtlich bestimmte Gericht angerufen wird. Auch sollte eine Wahl nur dann möglich sein, wenn es einen objektiven Anknüpfungspunkt für den von den Parteien gewählten Gerichtsstand - z.B. die Belegenheit des Nachlasses - gibt.
Frage 16
Der Bundesrat befürwortet die Möglichkeit der Zulassung einstweiliger Sicherungsmaßnahmen an Erbschaftsgegenständen durch das "Belegenheitsgericht". Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, die auch im Gemeinschaftsrecht verankert ist, legt die Schaffung einer solchen Rechtsschutzmöglichkeit nahe. Gerade dann, wenn sich ein Bedürfnis für Eilmaßnahmen ergibt, wird der Schutz regelmäßig dann schneller zu verwirklichen sein, wenn er mit den am Ort vorhandenen und bekannten Instrumentarien umgesetzt werden kann. Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch Regelungen geschaffen werden müssen, die das Verhältnis zwischen dem "Belegenheitsgericht" und dem an sich zuständigen Gericht regeln. Es wäre beispielsweise daran zu denken, dass das im Wege des Eilrechtsschutzes in Anspruch genommene Gericht das nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Gericht über die getroffene Maßnahme unterrichten muss. Ferner spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass durch klare kollisionsrechtliche Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen den eingeschalteten Gerichten sichergestellt wird, dass möglichst keine gleichzeitigen, inhaltlich divergierenden Sicherungsmaßnahmen erlassen werden.
Frage 17
Eine solche Verweisungsmöglichkeit sollte nach Ansicht des Bundesrates - falls sie in Erwägung gezogen wird - an restriktive Voraussetzungen gebunden werden. Insbesondere sollte dies von einem übereinstimmenden Antrag der an dem gerichtlichen Verfahren beteiligten Personen abhängig gemacht werden. Da einer Inanspruchnahme der Gerichte in der Regel ein Streit über das Erbrecht zwischen den Erbprätendenten oder ein Streit zwischen Erben über die Art und Weise der Abwicklung des Nachlasses zu Grunde liegen wird, bestünde andernfalls die Gefahr, dass die Verweisung an ein Gericht erfolgen könnte, zu dem eine der Prozessparteien aus rein tatsächlichen Gründen (Entfernung, Sprache etc.) einen schlechteren Zugang hat. Diese Benachteiligung von Prozessparteien gilt es aber nach Möglichkeit zu vermeiden. Eine Verweisung sollte daher nur dann in Betracht kommen, wenn das angerufene Gericht nach der Zuständigkeitsregelung nicht zuständig ist und wenn ein Gleichlauf mit den anwendbaren Sachvorschriften durch eine solche Verweisung erreicht werden kann und die Verfahrensbeteiligten mit einer solchen Verweisung einverstanden sind.
Frage 18
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass in einem solchen Fall die Staatsangehörigkeit des Erblassers der maßgebliche Anknüpfungspunkt für das Kollisionsrecht und bei der Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit sein soll. Denkbar erscheint dem Bundesrat auch eine Anknüpfung der gerichtlichen Zuständigkeit an den letzten Wohnsitz des Erblassers in einem Mitgliedstaat.
Frage 19
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass es zur Antwort auf diese Frage einer gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeitsvorschrift bedarf, die in diesem Fall auch zur internationalen Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats führt. Jedoch sollte es den Parteien überlassen bleiben, ob sie in diesem Fall das Gericht eines Mitgliedstaats oder, weil eine Entscheidung dieses Gerichts im Drittstaat nicht anerkannt würde, das Gericht des Drittstaats anrufen.
Frage 20
Da es sich bei Immobilien regelmäßig um Vermögensgegenstände von erheblichem Wert handelt, spricht sich der Bundesrat im Interesse der Sicherheit, Richtigkeit und Schnelligkeit der Registerführung dafür aus, dass es grundsätzlich bei der Zuständigkeit der Behörden des Belegenheitsstaats bleiben soll, wenn es um die Ausfertigung der notwendigen Schriftstücke für die Änderung der betreffenden Register geht. Diese Behörden haben die größere Sachnähe sowohl in rechtlicher wie in sachlicher Hinsicht im Hinblick auf die jeweiligen Anforderungen, die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Register erfüllt sein müssen. In jedem Fall sollte es bei der Durchführung der für eine Registereintragung erforderlichen Verwaltungshandlungen bei der Zuständigkeit der Behörden des Belegenheitsstaats bleiben.
Frage 21
Der Bundesrat hält es grundsätzlich für möglich, auf europäischer Ebene einheitliche Vordrucke für Erbscheine, Nachlassverzeichnisse, Testamentsvollstreckerzeugnisse und Formulare für die Testamentseröffnung sowie zur Erbausschlagung einzuführen. Jedoch weist der Bundesrat insbesondere zur Einführung eines Europäischen Erbscheins im Gemeinschaftsrecht darauf hin, dass dann auch gemeinschaftsrechtlich geregelt werden müsste, welche Rechtswirkungen ein solcher Erbschein haben soll, insbesondere inwieweit durch ihn das Erbrecht einer Person verbindlich festgestellt und unter welchen Voraussetzungen sowie von welcher
Behörde oder welchem Gericht er erteilt werden kann. Die Einführung entsprechender Erbscheinsvordrucke setzt damit die Schaffung eines europäischen Erbscheinsrechts oder die Harmonisierung der nationalen Erbscheinsrechtsordnungen voraus. Bestimmungen zu einem Europäischen Erbschein müssten sich aber aus Kompetenzgründen auf verfahrensrechtliche Fragen und grenzüberschreitende Fälle beschränken. Für Regelungen rein nationaler Fälle fehlt nach Ansicht des Bundesrates der erforderliche Binnenmarktbezug.
Frage 22
Der Bundesrat beurteilt eine harmonisierte Zuständigkeitsnorm, die auch für andere Stellen gelten soll, kritisch. Für diese bestehen unter Umständen völlig andere Zuständigkeitsregelungen, die mit den Grundsätzen der Gerichtszuständigkeit nicht ohne Weiteres gleichgesetzt werden können. Es sollte daher den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, die örtliche und sachliche Zuständigkeit dieser Stellen zu regeln.
Frage 23
Der Bundesrat steht einer solchen Regelung positiv gegenüber, die es einem Unionsbürger erlauben würde, gewisse Förmlichkeiten bei den Behörden eines anderen Mitgliedstaats als dem zu erledigen, der nach der allgemeinen Kollisionsnorm zuständig ist. Diese Möglichkeit sollte jedoch konkret ausgestaltet werden, insbesondere sind die Förmlichkeiten genauer zu regeln. Zu denken ist in erster Linie an Erklärungen über die Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft, an die Abgabe von Anfechtungserklärungen und an die Abgabe von sonstigen fristgebundenen Erklärungen sowie an die Aufnahme von Erbscheinsanträgen.
Frage 24
Auf die Antwort zur Frage 11 wird Bezug genommen. Frage 25
Der Bundesrat steht einer Abschaffung des Exequaturverfahrens zur Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen positiv gegenüber. Durch die Einführung harmonisierter Regelungen zur Frage des anwendbaren Rechts und der gerichtlichen Zuständigkeit wäre sichergestellt, dass einem Nachlassgericht in den Mitgliedstaaten eine zentrale Zuständigkeit für alle erbrechtlichen Fragen zukommt. Weiterer Formalitäten für die Anerkennung seiner Entscheidungen bedarf es dann grundsätzlich nicht mehr. An Stelle eines Exequaturverfahrens zur Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen im Bereich des Erbschaftsrechts sollten Regelungen getroffen werden, die denjenigen in der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und derjenigen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und den Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 entsprechen. Man sollte also eine exlege-Anerkennung und ein Verfahren auf Vollstreckbarerklärung vorsehen, dabei aber auf einen ordrepublic-Vorbehalt nicht verzichten.
Frage 26
Der Bundesrat begrüßt entsprechende Überlegungen zur Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Erbsachen ohne Durchführung eines besonderen Anerkennungsverfahrens. Da es bei der Umschreibung von Grundbüchern regelmäßig um Vorgänge geht, die bedeutende Vermögenspositionen betreffen, erscheint es sachgerecht, in Anlehnung an die Regelung in Artikel 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 einem Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, eine gerichtliche Entscheidung über die Anerkennung oder die Nichtanerkennung der Entscheidung herbeizuführen, die Grundlage für die Umschreibung des Grundbuchs sein soll.
Frage 27
Der Bundesrat hält die Erstreckung der Vorschriften auch auf andere erbrechtliche Urkunden grundsätzlich für möglich. Die Regelung in Artikel 46 der Verordnung (EG) Nr. 2001/2003 ist dafür ein geeignetes Vorbild. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass § 35 GBO im Grundbuchverfahren zum Nachweis der Erbfolge die Vorlage eines Erbscheins oder einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, sowie die Niederschrift über die Eröffnung derselben vorsieht. Es erscheint angesichts der unterschiedlichen grundbuch- und nachlassrechtlichen Normen in den Mitgliedstaaten sachgerecht, dass der Europäische Erbschein bei einem Erbfall mit internationalen Bezügen die alleinige Grundlage für eine entsprechende Änderung von Grundbüchern sein sollte.
Frage 28
Der Bundesrat hält besondere Vorschriften, die die Anerkennung und Vollstreckung von in einem anderen Mitgliedstaat errichteten Testamenten erleichtern, nicht für
erforderlich. Bei der Frage der Anerkennung eines Testaments handelt es sich um die Frage seiner materiellen Wirksamkeit. Diese wiederum richtet sich nach dem Erbstatut.Frage 29
Der Bundesrat befürwortet eine gemeinschaftsrechtliche Regelung, die die Anerkennung der Bestellung und die Befugnisse eines Nachlassverwalters in den jeweiligen Mitgliedstaaten regelt.
Frage 30
Aus der Sicht des Bundesrates wäre die Einführung einer einheitlichen Bescheinigung für den Nachlassverwalter, in der seine Bestellung bescheinigt und seine Befugnisse umschrieben werden, im Interesse der Rechtssicherheit und der vereinfachten Abwicklung eines Erbfalls zu begrüßen.
Fragen 31 und 32
Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Frage nach der "Anerkennung eines Erbschaftstrusts" eine solche des materiellen Rechts ist. Die Eintragung eines - nach dem maßgeblichen Erbstatut anerkannten - Erbschaftstrusts würde von dessen Rechts- und Grundbuchfähigkeit abhängig sein. Dies sind jedoch Fragen des nationalen materiellen (Erb-)Rechts. Für eine Anerkennung von Erbschaftstrusts im Rahmen der Harmonisierung der Kollisionsnormen ist daher wegen der fehlenden gemeinschaftsrechtlichen Kompetenz kein Raum.
Fragen 33 bis 35
Der Bundesrat steht der Einführung eines Europäischen Erbscheins positiv gegenüber. Seine Einführung würde bei Erbfällen mit internationalem Bezug dem erleichterten Nachweis der Erbenstellung in anderen Mitgliedstaaten dienen. Er sollte sich inhaltlich weit gehend an dem Erbschein orientieren, wie er in den - in der Praxis bewährten - Normen des BGB geregelt ist. Demzufolge sollte er Angaben zur Person des Erblassers, dem zuständigen Gericht, den Erben und der Art der Erbfolge sowie zum anwendbaren Recht enthalten. Der Europäische Erbschein sollte von dem nach den harmonisierten Zuständigkeitsnormen zuständigen Nachlassgericht entsprechend den dort gültigen Verfahrensvorschriften und in materieller Hinsicht auf der Grundlage des anwendbaren Erbstatuts ausgestellt werden. Einem solchen Erbschein sollten die folgenden Wirkungen zukommen:
- - Legitimationswirkung (Nachweisfunktion gegenüber Privaten und Behörden),
- - Beweiswirkung entsprechend § 2365 BGB und
- - Gutglaubenswirkung.
Frage 36
Die Einführung eines Zentralregisters zur Registrierung von Testamenten in den jeweiligen Mitgliedstaaten ist grundsätzlich zu befürworten. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass die Errichtung nationaler Register allein Sache der Mitgliedstaaten ist. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass auch die Einführung eines solchen Registers diejenigen Fälle nicht erfassen wird, in denen es der Erblasser unterlassen hat, sein Testament entsprechend registrieren zu lassen.
Wegen des damit verbundenen Verwaltungs- und Zentralisierungsaufwands steht der Bundesrat der Einführung eines Europäischen Zentralregisters ablehnend gegenüber. Vorzugswürdig erscheint hier die Schaffung eines gemeinschaftsrechtlichen Instrumentariums, das die Abfrage zwischen den jeweiligen Testamentsdateien der Mitgliedstaaten regelt.
Frage 37
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass bei der Einsichtnahme in eine Testamentsdatei ein ausreichendes Datenschutzniveau sichergestellt werden muss. Der Zugang zu dem Register sollte daher nur den für das Nachlassverfahren zuständigen Gerichten und Behörden gewährt werden. Sollte ein Erbprätendent oder eine andere an einem Nachlassverfahren beteiligte Person Auskunft aus dem Register begehren, so sollte sie ihr Ersuchen an die für das Nachlassverfahren zuständigen Stellen richten. Eine Auskunft sollte nur in Betracht kommen, wenn ein berechtigtes Interesse gegenüber dem Nachlassgericht oder einer anderen am Nachlassverfahren beteiligten Behörde glaubhaft gemacht wird.
Frage 38
Der Bundesrat hält die Schaffung einer Möglichkeit, von Apostillen und Legalisationen im Bereich des Erbrechts abzusehen, für sinnvoll. Er gibt jedoch zu bedenken, dass es in Einzelfällen zu Schwierigkeiten kommen könnte, wenn die ausstellenden Behörden keine Gerichte sind und die Frage ihrer Berechtigung zur Ausstellung von Urkunden in anderen Mitgliedstaaten zweifelhaft sein kann. Für solche Zweifelsfälle sollte die Möglichkeit einer Bestätigung der Echtheit der öffentlichen Urkunde nach wie vor vorgesehen werden. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs und die Gefahr von Fälschungen erlauben nach dem derzeitigen Stand der Integration keinen vollständigen Verzicht auf den Echtheitsnachweis, sei es durch Legalisation oder durch Apostille.
Frage 39
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass vorrangig die Harmonisierung der Kollisionsnormen und die Zuständigkeit der Nachlassgerichte geregelt werden sollten. Darüber hinaus kommt die Einführung eines europäischen Erbscheins in Betracht.
Eine umfassende Regelung aller Fragen erscheint zwar denkbar. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass dies nicht zu einer Harmonisierung des materiellen Erbrechts der Mitgliedstaaten führen darf. Hierzu fehlt der Gemeinschaft die Kompetenzgrundlage.