954. Sitzung des Bundesrates am 10. März 2017
A
1. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Artikel 1 (§ 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 StGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob für extremistische Anlasstaten eine Möglichkeit zur unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht nach § 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 StGB zu schaffen ist.
Begründung:
Die Höchstdauer der Führungsaufsicht beträgt nach § 68c Absatz 1 Satz 1 StGB grundsätzlich fünf Jahre. Eine Möglichkeit, die Führungsaufsicht aufgrund der zum Ablauf dieser Frist (fort-)bestehenden Gefährlichkeit des Probanden unbefristet zu verlängern, sieht das geltende Recht bislang nur bei zur Bewährung entlassenen Maßregelprobanden nach § 63 StGB (§ 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 StGB) sowie - unter bestimmten formellen Voraussetzungen - bei solchen Probanden vor, die aufgrund eines Sexualdelikts nach § 181b StGB (§ 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a StGB), eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit oder eines Verbrechens nach den §§ 250, 251 StGB, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 StGB (§ 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b StGB), unter Führungsaufsicht stehen. Dabei dient die Möglichkeit der unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht ebenso wie das Instrument der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) dem besonderen Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Straftaten, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, insbesondere der wiederholten Begehung von schweren Sexual- und Gewaltdelikten (BT-Drucksache 17/3403, Seite 1 f.).
Wie der vorliegende Gesetzentwurf zutreffend anerkennt, können gerade auch von verurteilten extremistischen Straftätern, die nach dem Ende ihrer Strafhaft weiterhin radikalisiert sind, schwerwiegende Gefahren für die Allgemeinheit im vorgenannten Sinne ausgehen. Vor diesem Hintergrund werden im Gesetzentwurf mehrere Straftatbestände aus dem Terrorismusbereich als zusätzliche Katalogtaten der EAÜ bzw. fakultativen Sicherungsverwahrung ausgestaltet. Zudem wird die Strafmaßschwelle für die Anordnung einer EAÜ bei allen einer derartigen Weisung zugänglichen Straftaten aus dem Ersten und Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB herabgesetzt.
Ausgehend hiervon ist es nur konsequent, extremistische Straftaten zumindest in dem Umfang, in dem sie taugliche Anlasstaten für eine EAÜ sind, auch in den Katalog des § 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 StGB aufzunehmen mit der Folge, dass der über fünf Jahre hinaus fortbestehenden Gefährlichkeit eines extremistischen Straftäters gegebenenfalls auch durch eine entsprechende Verlängerung der Führungsaufsicht - und damit auch der EAÜ - Rechnung getragen werden könnte. Es ist im Ergebnis nicht einsichtig, warum diese Möglichkeit etwa bei einem wiederholungsgefährdeten Täter einer räuberischen Erpressung, nicht aber bei einem Probanden bestehen soll, der nach Vorbereitung eines terroristischen Anschlags gemäß § 89a StGB verurteilt worden ist. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der religiös oder weltanschaulich bedingten Gefährlichkeit von Extremisten besonders häufig um einen Zustand handeln wird, dem sich nur durch langfristige Resozialisierungsmaßnahmen entgegenwirken lässt. Auch die Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses der Justizministerkonferenz "Einsatzmöglichkeiten der Elektronischen Überwachung" hat die Prüfung einer Erweiterung des § 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 StGB um Terrorismusdelikte aufgrund dieser Erwägungen dringend empfohlen (vgl. Seite 54 und 56 des Abschlussberichts).
B
2. Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.