Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten
(GVVGÄnderungsgesetz - GVVG-ÄndG)

Der Bundesrat hat in seiner 931. Sitzung am 6. März 2015 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 89c Absatz 1 Satz 2 StGB)

In Artikel 1 Nummer 3 sind in § 89c Absatz 1 Satz 2 die Wörter "die Bevölkerung" durch die Wörter "Teile der Bevölkerung" zu ersetzen.

Begründung:

§ 89c StGB-E ("Terrorismusfinanzierung") ist in seiner Struktur dem § 129a StGB ("Bildung einer terroristischen Vereinigung") nachgebildet. Auch dort ist als tatbestandliche Voraussetzung normiert, dass die näher bezeichneten Tathandlungen bestimmt sein müssen, "die Bevölkerung" auf erhebliche Weise einzuschüchtern.

Fraglich ist, wie das Tatbestandsmerkmal "Bevölkerung" auszulegen ist.

Im gleichen (Siebenten) Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs lautet eine der Tatbestandsalternativen des § 130 StGB ("Volksverhetzung") die Aufstachelung "zum Hass gegen Teile der Bevölkerung" (§ 130 Absatz 1 Nummer 1 erste Alternative StGB). Wenn der Gesetzgeber im gleichen Abschnitt des Strafgesetzbuchs einerseits von "Teilen der Bevölkerung" und andererseits von der "Bevölkerung" spricht, bringt er damit zum Ausdruck, dass die Tatbestandsmerkmale nicht deckungsgleich zu verwenden sind (wie hier: Schäfer in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage 2012, § 129a Rn. 47). "Die Bevölkerung" in diesem Sinne muss daher als der zumindest überwiegende Teil der Population des betreffenden Staats verstanden werden.

Diese Tatbestandsvoraussetzung in § 89c StGB-E wird jedoch der mit dem Gesetzentwurf verfolgten Zielrichtung nicht gerecht.

In dem Gesetzentwurf soll durch § 89c StGB-E die Finanzierung terroristischer Straftaten allgemein unter Strafe gestellt werden. Dies umfasst insbesondere auch solche Straftaten, die außerhalb des Bundesgebiets begangen werden (§ 89c Absatz 3 Satz 1 StGB-E).

In zahlreichen Staaten, namentlich auch des Nahen und Mittleren Ostens, lebt eine multiethnische Bevölkerung mit zum Teil unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen derart unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sind nicht selten. Hieraus wird deutlich, dass das Handeln einer Vereinigung, das darauf ausgerichtet ist, durch Handlungen im Sinne des § 129a Absatz 1 StGB eine bestimmte (religiös und/oder ethnisch abgrenzbare) Bevölkerungsgruppe auf erhebliche Weise einzuschüchtern, nicht notwendigerweise auch bestimmt ist, die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit (oder auch nur in ihrem überwiegenden Teil) einzuschüchtern. Nach der Zielrichtung des Gesetzentwurfs sind auch solche Handlungen unter Strafe zu stellen, die der Finanzierung terroristischer Handlungen nur gegen abgrenzbare Teile der Bevölkerung dienen (zum Beispiel: gegen die kurdische und die schiitische Minderheit in Syrien, gegen die christliche Minderheit in Ägypten).

Dabei ist ergänzend zu berücksichtigen, dass auch § 129a StGB die Tatbestandsvoraussetzung der Einschüchterung der Bevölkerung in erheblicher Weise nur auf die Tathandlungen des § 129a Absatz 2 Satz 1 StGB bezieht, die als Tathandlungen des § 129a Absatz 1 StGB (unter anderem Mord, Totschlag, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen) nicht dieser Einschränkung unterworfen sind.

§ 89c StGB-E unterwirft jedoch auch solche Tathandlungen der zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Einschüchterung der Bevölkerung in erheblicher Weise.

2. Zu Artikel 1 Nummer 3a - neu - (§ 129a Absatz 2 Satz 1 StGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in § 129a Absatz 2 Satz 1 StGB die Wörter "die Bevölkerung" durch die Wörter "Teile der Bevölkerung" ersetzt werden können.

Begründung:

In § 129a Absatz 2 StGB ("Bildung einer terroristischen Vereinigung") ist als tatbestandliche Voraussetzung normiert, dass die dort näher bezeichneten Tathandlungen bestimmt sein müssen, "die Bevölkerung" auf erhebliche Weise einzuschüchtern.

Im gleichen (Siebenten) Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs lautet eine der Tatbestandsalternativen des § 130 StGB ("Volksverhetzung")

die Aufstachelung "zum Hass gegen Teile der Bevölkerung" (§ 130 Absatz 1 Nummer 1 erste Alternative StGB).

Wenn der Gesetzgeber im gleichen Abschnitt des Strafgesetzbuchs zum einen von "Teilen der Bevölkerung" und zum anderen von der "Bevölkerung" spricht, bringt er damit zum Ausdruck, dass diese Tatbestandsmerkmale nicht deckungsgleich zu verwenden sind (wie hier: Schäfer in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage 2012, § 129a Rn. 47). "Die Bevölkerung" in diesem Sinne muss daher als der zumindest überwiegende Teil der Population des betreffenden Staats verstanden werden.

Diese Tatbestandsvoraussetzung wird jedoch der verfolgten Zielrichtung einer effektiven Bekämpfung auch des internationalen Terrorismus nicht gerecht.

Mit dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten sollen insbesondere auch solche terroristischen Straftaten, die außerhalb des Bundesgebiets begangen werden, effektiver verfolgt werden können.

Der aktuelle Tatbestand des § 129a Absatz 2 StGB, der in seiner Formulierung erkennbar noch nicht die neuere Entwicklung des internationalen Terrorismus vor Augen hatte, ist insoweit zu eng gefasst.

In zahlreichen Staaten, namentlich auch des Nahen und Mittleren Ostens, lebt eine multiethnische Bevölkerung mit zum Teil unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen derart unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sind nicht selten. Hieraus wird deutlich, dass das Handeln einer Vereinigung, das darauf ausgerichtet ist, durch Handlungen im Sinne des § 129a Absatz 1 StGB spezifisch eine bestimmte (religiös und/oder ethnisch abgrenzbare) Bevölkerungsgruppe auf erhebliche Weise einzuschüchtern, nicht notwendigerweise auch bestimmt ist, die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit (oder auch nur in ihrem überwiegenden Teil) einzuschüchtern.

Es ist aber auch die Gründung einer Vereinigung oder die Mitgliedschaft in einer Vereinigung unter Strafe zu stellen, deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten der in § 129a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 5 StGB bezeichneten Art nur gegen abgrenzbare Teile der Bevölkerung (zum Beispiel: gegen die kurdische und die schiitische Minderheit in Syrien, gegen die christliche Minderheit in Ägypten) zu begehen.