908. Sitzung des Bundesrates am 22. März 2013
A
- 1. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
- 2. Der Bundesrat begrüßt die klare Vorrangregelung im Regelungstext des § 1 Absatz 3 der Verordnung, wonach "besondere" Anforderungen an die Verwendung der durch die Elektrostoffverordnung beschränkten Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten auf Grund anderer Rechtsvorschriften den Vorgaben der Elektrostoffverordnung vorgehen. Damit ist insbesondere spezielleren Anforderungen des Batteriegesetzes an in Elektro- und Elektronikgeräten eingebauten und diesen beigefügten Batterien Vorrang eingeräumt. Eine entsprechende Vorrangregelung sieht auch die Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Neufassung) (ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 88) in Artikel 2 Absatz 3 und Erwägungsgrund 14 für die spezifischen Vorschriften der Richtlinie 2006/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren und zur Aufhebung der Richtlinie 91/157/EWG (ABl. L 266 vom 26.9.2006, S. 1) vor.
Die Begründung zur Verordnung ist diesbezüglich aber missverständlich formuliert ("Es gilt die jeweils weitergehende Anforderung"). Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, im Weiteren (z. B bei einer Neufassung der Verordnung) klarzustellen, dass § 1 Absatz 3 ElektroStoffV einen Anwendungsvorrang der jeweils spezielleren Regelung festlegt und nicht der jeweils strengeren Anforderung.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Während der Regelungstext einen Vorrang speziellerer Vorschriften vor den Anforderungen der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung festlegt, räumt die Begründung zur Vorschrift missverständlich der "jeweils weitergehenden Anforderung" den Vorrang ein. Soweit "weitergehend" als "strenger" oder "niedrigere Grenzwerte" verstanden würde, könnte daraus der Schluss gezogen werden, die niedrigeren Grenzwerte der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung müssten auch von Batterien eingehalten werden, die in Geräte eingebaut oder diesen beigefügt sind. Dies würde aber EU-Recht widersprechen. Auch die in § 1 Absatz 1 des aktuellen Batteriegesetzes gewählte Formulierung (das Elektro- und Elektronikgerätegesetz "bleibt unberührt") ist insoweit rechtlich nicht eindeutig.
- 3. Der Bundesrat geht davon aus, dass die in § 4 Absatz 5 Satz 1, § 7 Absatz 2 Satz 1 und § 8 Absatz 2 Satz 1 vorgesehenen Pflichten des Herstellers, Importeurs bzw. Vertreibers zur Produktrücknahme oder zum Produktrückruf im Falle der Nonkonformität eines Elektro- oder Elektronikgerätes mit den Anforderungen des § 3 nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gelten und entsprechend von den Behörden vollzogen werden.
Der Bundesrat legt die Regelungen daher so aus, dass nicht jeder Verstoß gegen die Stoffbeschränkungen der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung zwangsläufig eine Produktrücknahme bzw. einen Produktrückruf bereits in Verkehr befindlicher nonkonformer Produkte nach sich zieht, wenn andere Maßnahmen zur Herbeiführung der Konformität nicht möglich sind. Vielmehr ist in einer Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen, dass Produktrücknahme oder -rückruf mit erheblichem Aufwand verbunden sind. Das gilt in besonderem Maße für eine Rückführung von Produkten, die sich bereits beim Endverbraucher befinden. In vielen Fällen wird ein Austausch der betroffenen Bauteile technisch nicht möglich oder unwirtschaftlich sein. In diesen Fällen müssen dann funktionsfähige und neuwertige Produkte entsorgt werden. Dies ist auch aus Umweltsicht in einer Gesamtabwägung nicht zielführend.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine solche Auslegung auch auf Grund von EU-Recht geboten ist. Die entsprechenden Regelungen in Artikel 7 Buchstabe i, Artikel 9 Buchstabe f und Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 2011/65/EU verlangen eine Produktrücknahme oder einen Produktrückruf nur "gegebenenfalls". Noch klarer verlangt die englische Fassung ("if appropiate" also "soweit angemessen") eine Abwägung der Folgen einer Pflicht mit dem zu erreichenden Ziel.
- 4. Der Bundesrat geht davon aus, dass der Begriff "erforderlichenfalls" in § 8 Absatz 2 Satz 1 im Hinblick auf die nicht parallelen Regelungen in § 4 und § 7 auf Grund eines redaktionellen Versehens fehlt. Er bittet die Bundesregierung, dies in künftigen Fassungen zu korrigieren. Anders wäre keine richtlinienkonforme Umsetzung des Artikels 10 Buchstabe c der Richtlinie 2011/65/EU gegeben, der eine Produktrücknahme oder einen Produktrückruf nur "gegebenenfalls" vorsieht. Da die Richtlinie auf Artikel 114 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union beruht, sind nur in sehr engen Grenzen strengere mitgliedstaatliche Anforderungen erlaubt, die hier nicht einschlägig sind.
Begründung zu Ziffern 3 und 4 (nur gegenüber dem Plenum):
Die Begründung der Bundesregierung zu § 4 Absatz 5 und § 7 Absatz 2 geht ausdrücklich davon aus, dass in Abstimmung mit den Marktüberwachungsbehörden auch alternative Maßnahmen zur Produktrücknahme und zum Produktrückruf ergriffen werden können. Sie selbst stuft die Produktrücknahme und den Produktrückruf damit als nicht zwingend ein. Eine Betrachtung des Einzelfalls und der konkret in Frage stehenden Konsequenzen ist vorgesehen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei der Anordnung jeder Pflicht zwingend zu beachten, auch wenn dies nicht ausdrücklich angeordnet ist. Ein Produktrückruf wird in der Regel daher nur verlangt werden können, wenn für den Endverbraucher eine konkrete Gefahr durch ein unsicheres Produkt besteht oder von dem einzelnen Produkt bei seiner Entsorgung für die Umwelt eine konkrete Gefahr bzw. auf Grund der jeweiligen Menge der Serie bzw. Charge nonkonformer Produkte die Zielerreichung der ElektroStoffV bzw. RoHS-Richtlinie in Frage gestellt wird.
Soweit ein Austausch des betroffenen Bauteiles technisch nicht möglich oder unwirtschaftlich ist, werden zurückgenommene nonkonforme Produkte entsorgt. Der Zweck, die gefährlichen Stoffe aus dem Wirtschaftskreislauf fernzuhalten, kann bei diesen nonkonformen Geräten ohnehin nicht mehr erreicht werden; der Zeitpunkt der Entsorgung wird vorgezogen.
Die von der ElektroStoffV gewählten Begriffe "erforderlichenfalls", die unklare Formulierung der deutschen Übersetzung der RoHS-Richtlinie ("gegebenenfalls") sind insoweit im Wege der Auslegung klarstellungsbedürftig.