Der Bundesrat hat in seiner 966. Sitzung am 23. März 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Richtlinienvorschlag. Rund 17 Jahre nach ihrem Inkrafttreten bedarf die Richtlinie 2000/59/EG einer Anpassung, die unter anderem durch die Fortentwicklung des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) notwendig geworden ist.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Meeresverschmutzung mit Müll ein gravierendes ökologisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Problem darstellt. Es gilt, den Schutz der Meere insbesondere vor Vermüllung nachhaltig zu verbessern. In diesem Zusammenhang weist er auf die Aktionspläne zur Reduzierung von Meeresmüll hin, die im Rahmen der deutschen G7- und G20-Präsidentschaften beschlossen wurden und die einer konkreten Umsetzung auf regionaler wie internationaler Ebene bedürfen. Der Bundesrat erinnert daran, dass Kunststoffe mit ungefähr 75 Prozent den größten Anteil des Meeresmülls ausmachen und dass die Richtlinie 2008/56/EG vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie - MSRL) die Mitgliedstaaten auffordert, Einträge dahingehend zu regulieren, dass Eigenschaften und Mengen der Abfälle im Meer bis 2020 keine schädlichen Auswirkungen auf die Küsten- und Meeresumwelt ausüben.
- 3. Der Bundesrat unterstützt die Ziele der vorgeschlagenen Hafenauffangrichtlinie und von MARPOL Anlage V zur Verhütung einer Meeresverschmutzung durch schiffsbasierten Müll und sieht mit der Richtlinie die Grundsätze des EU-Umweltrechtes, insbesondere das Vorsorgeprinzip und das Verursacherprinzip, umgesetzt. Da die Schifffahrt eine internationale Branche ist, deren Tätigkeiten in internationalen Gewässern und Häfen weltweit durchgeführt wird, sind internationale und europaweit harmonisierte Regeln notwendig, um das Problem der Meeresverschmutzung, welches in allen europäischen Gewässern auftritt, wirksam zu bekämpfen. So kann vermieden werden, dass in den Häfen eine Vielzahl von unterschiedlichen Strategien für die Entladung der Abfälle von Schiffen verfolgt werden und dadurch ungleiche Wettbewerbsbedingungen für Häfen und Hafennutzer entstehen. Gleichzeitig sollte gewährleistet sein, dass die Größe eines Hafens und seine Wirtschaftsstruktur als wichtige Aspekte miteinbezogen werden. Den Vorschlag, die Hafenabgaben zur Entsorgung der Abfälle von Schiffen durch eine Konkretisierung des "No-Special-Fee"-System zu harmonisieren, und dass auch Kosten für die Entladung von Abfällen gemäß Anhang V des MARPOL-Übereinkommens einschließlich des Abfälle, die bei Fischfangtätigkeiten in Netzen gesammelt werden, in dieser Gebühr enthalten sind, hält der Bundesrat für zielführend.
- 4. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die deutschen Seehäfen bereits ein gut funktionierendes und etabliertes System zur Entsorgung von schiffbasiertem Müll aufgebaut haben, das keinen wesentlichen Änderungen unterworfen werden sollte.
- 5. Nach Auffassung des Bundesrates besteht grundsätzlicher Klärungsbedarf, welche Abfälle in den Hafenauffangeinrichtungen übergeben werden sollen. Es sollte klargestellt werden, ob nur Rückstände von Ladungen erfasst werden sollen, die in dem jeweiligen Hafen umgeschlagen werden, oder auch Rückstände von Ladungen, die in jedem beliebigen anderen Hafen entladen wurden oder bei der Reinigung der Laderäume auf See angefallen sind.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass zusätzlichem administrativen Aufwand bei den Wirtschaftsbeteiligten und den Überwachungsbehörden ein realer Nutzen für die Umwelt gegenübersteht und doppelte Nachweispflichten wie bei der Entsorgung von Ölschlamm ("Sludge") unterbleiben.
- 7. Er stellt fest, dass die Vorgaben des Richtlinienvorschlags erheblichen zusätzlichen administrativen Aufwand für die Hafenbetreiber verursachen, und bittet die Bundesregierung daher, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass der Richtlinienvorschlag an den folgenden Punkten überarbeitet wird.
- 8. Der Bundesrat begrüßt, dass nach dem Erwägungsgrund 5 in den Geltungsbereich der Richtlinie insbesondere auch Rückstände aus Abgasreinigungssytemen, die aus Schlamm und Abflutwasser bestehen, als Abfallkategorien aufgenommen werden sollen.
- 9. Er bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Abfallkategorien Schlamm und Abflutwasser auch in den Anhängen der Richtlinie unter der Rubrik "Rückstände aus Abgasreinigungssystemen" differenziert aufgeführt werden.
- 10. Aus seiner Sicht sollte die Verpflichtung in Artikel 5 Ziffer 6 des Richtlinienvorschlags zur Veröffentlichung bestimmter Angaben aus dem Abfallbewirtschaftungsplan und deren Meldung an das System der Union für den Austausch von Informationen für die Sicherheit des Seeverkehrs (SafeSeaNet) gestrichen werden. Dem Bundesrat erschließt sich nicht, warum die Meldung an das SafeSeaNet erfolgen soll. Die wesentlichen Informationen über die Organisation der Schiffsabfallentsorgung werden durch die Häfen in den jeweiligen "Port Information Guides" bereits bekannt gemacht. Die Eingaben der Daten in das SafeSeaNet verursachen einen zusätzlichen administrativen Aufwand für die Hafenbetreiber, ohne dass ein Nutzen für das Schifffahrtsgewerbe zu erkennen wäre.
- 11. Der Bundesrat bittet darum, dass Artikel 6 Ziffer 9 des Richtlinienvorschlags dahingehend angepasst wird, dass die Regelung zu den verpflichteten Schiffen mit der Regelung in Artikel 12 des Richtlinienvorschlags konsistent ist. Nach Artikel 6 Ziffer 9 des Richtlinienvorschlags unterliegen jetzt auch Sportboote und Fischereifahrzeuge über 45 m Länge der Meldeverpflichtung. Dagegen bestehen grundsätzlich keine Bedenken; allerdings ist das Kriterium "45 m Schiffslänge" inkonsistent mit dem Kriterium "Bruttoraumzahl von mindestens 100" in Artikel 12 des Richtlinienvorschlags. In Artikel 6 des Richtlinienvorschlags sollte daher auch das Kriterium aus Artikel 12 des Richtlinienvorschlags übernommen werden.
- 12. Er bittet die Bundesregierung ferner, sich in den Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Regelung in Artikel 7 Ziffer 14 des Richtlinienvorschlags gestrichen wird. Der Abfallentsorger soll verpflichtet werden, dem Schiff eine Abfallabgabebescheinigung nach Maßgabe des Musters der Internationalen Weltschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization - IMO) (Anhang 3 des Richtlinienvorschlags) auszuhändigen. Dies erscheint als Schritt zu einer weltweiten Harmonisierung zunächst sinnvoll; allerdings ist auch das IMO-Muster nicht verbindlich, sondern eine Empfehlung. Deswegen können die abfallrechtlich vorgeschriebenen Übernahmescheine nicht einfach durch das Formular der IMO ersetzt werden. In diesem Zusammenhang ist auf Artikel 17 und 35 der Abfallrahmen-Richtlinie (Richtlinie 2008/98/EG) hinzuweisen, deren Umsetzung die Verordnung über die Nachweisführung bei der Entsorgung von Abfällen dient. Da das IMO-Formular, anders als ein Übernahmeschein, nicht im Zusammenhang mit einem Entsorgungsnachweis steht, erfüllt es nicht die Anforderung der Nachweisverordnung. Bei der Entsorgung von "Sludge" müssten dann zwei Bescheinigungen ausgestellt werden, obwohl der Übernahmeschein alle Angaben enthält, die das Schiff zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Entsorgung benötigt. Der weitere Nachweis in Form des IMO-Formulars wäre ein zusätzlicher administrativer Aufwand, dessen Nutzen nicht zu erkennen ist.
- 13. Der Bundesrat wendet sich darüber hinaus gegen die Regelung in Artikel 7 Ziffer 15 des Richtlinienvorschlags. Diese verpflichtet den Kapitän oder seinen Beauftragten, die Angaben aus der Abfallabgabebescheinigung vor Auslaufen des Schiffes über das "National Single Window" (NSW) in das SafeSeaNet zu melden. Nach Ziffer 16 des Richtlinienvorschlags müssen die Originale der Abfallabgabebescheinigungen an Bord aufbewahrt und für Kontrollen zugänglich gemacht werden. Die für die Überwachung erforderlichen Daten sind somit an Bord der Schiffe vorhanden und können bei Kontrollen an Bord eingesehen werden. Die Verpflichtung des Kapitäns bzw. seines Vertreters zur Eingabe der Daten in das SafeSeaNet führt zu einem zusätzlichen administrativen Aufwand bei den Wirtschaftsbeteiligten und den Überwachungsbehörden. Die Behörden müssten kontrollieren, ob diese Meldungen tatsächlich erfolgen und ob die gemeldeten Angaben richtig sind und mit den Angaben in den Originaldokumenten übereinstimmen. Eine wirksame Kontrolle der ordnungsgemäßen Entsorgung kann nur durch Abgleich mit den an Bord befindlichen Originaldokumenten erfolgen, da die Eingaben im SafeSeaNet fehlerhaft sein können. Zur Durchsetzung der Regelungen müssten überdies fehlende und falsche Meldungen sanktioniert werden. Bei der Sanktionierung ergibt sich aber das Problem, dass die Feststellung des Verstoßes zumeist erst erfolgen kann, nachdem das Schiff ausgelaufen ist. Die Sanktionierung im nächsten Anlaufhafen ist jedoch kaum möglich, da die Ordnungswidrigkeit nicht im Zuständigkeitsbereich der im nächsten Hafen angesiedelten Behörde begangen wurde.
- 14. Aus Sicht des Bundesrates sollte darüber hinaus die Regelung in Artikel 7 Ziffer 18 des Richtlinienvorschlags gestrichen werden. Diese Regelung schränkt den Ermessensspielraum der zuständigen nationalen Behörden ohne erkennbaren Grund ein.
- 15. Er ist insbesondere der Auffassung, dass die Berechnungsmethode für die Berechnung der genügenden spezifischen Lagerkapazität nicht durch einen delegierten Rechtsakt mit Zustimmung des Ausschusses für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe (COSS) zu erlassen ist, da insbesondere dieses Vorgehen den Ermessensspielraum der zuständigen Behörden zu stark einschränkt.
- 16. Auch Artikel 7 Ziffer 19 des Richtlinienvorschlags ist aus Sicht des Bundesrates problematisch: Alle Abfälle, die nicht ins Meer eingeleitet werden dürfen, müssen zwingend abgegeben werden, wenn der nächste Anlaufhafen außerhalb der EU liegt, zum Beispiel in Großbritannien. Diese unflexible Regelung hätte zur Folge, dass ein Schiff, das im vorletzten europäischen Hafen alle an Bord befindlichen Abfälle abgegeben hat, nun im letzten europäischen Hafen noch das abgeben muss, was auf der kurzen Reise zwischen den letzten beiden Häfen angefallen ist, beispielsweise 0,6 m3 "Sludge" und eine Leuchtstoffröhre. Da die Leuchtstoffröhre nicht mit ungefährlichen hausmüllähnlichen Abfällen vermischt werden darf, müsste für diese einzige Leuchtstoffröhre eine Entsorgung gefährlicher Abfälle mit entsprechender abfallrechtlicher Dokumentation durchgeführt werden. Auch die Entsendung eines Entsorgungsfahrzeuges für die Übernahme von 0,6 m3 "Sludge" wäre unverhältnismäßig, da die Kosten für die An- und Abfahrt des Fahrzeugs und für die Übernahme der Abfälle deutlich höher wären als die Kosten für die Verwertung bzw. Beseitigung der Abfälle.
- 17. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Artikel 8 des Richtlinienvorschlags angepasst wird. Entsprechend der bisher gängigen Praxis wurde eine Abfallhöchstmenge definiert, deren Entsorgung durch die allgemeine Abgabe abgedeckt war. Wenn die Entsorgung von Abfällen entsprechend der Anlage V des MARPOL-Abkommens (Schiffsmüll) in unbegrenzter Höhe über eine von allen Schiffen zu tragende Abgabe finanziert werden soll, müssten bei der Berechnung der Abgaben Reserven einkalkuliert werden, um auch große Mengen gegebenenfalls von gefährlichen Abfällen, die von einzelnen Schiffen entsorgt werden, im Rahmen dieser von allen Schiffen aufgebrachten Abgabe berücksichtigen zu können. Die Mehrzahl der Schiffe, die ein gutes Abfallmanagement betreiben, hätte dies dann über eine erhöhte Abgabe mitzufinanzieren. Der Bundesrat würde eine Abfallhöchstmenge in Höhe von bis zu 4 m3 bevorzugen und konkretisieren, dass die Entsorgung fester Ladungsrückstände, die neben den Schiffsbetriebsabfällen ebenfalls der Anlage V unterliegen, nicht im Rahmen der von allen Schiffen zu zahlenden Abgabe entsorgt werden, sondern individuell in Rechnung gestellt werden dürfen. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat auf Ziffer 25 des Richtlinienvorschlags hin, nach der Schiffe, die geringere Abfallmengen erzeugen, geringere Gebühren bezahlen sollen, sowie auf die Vorgabe unter Ziffer 26 des Richtlinienvorschlags, der zufolge die Entsorgungskosten "fair, transparent und nichtdiskriminierend" sein sollen.
- 18. Er vertritt allerdings die Auffassung, dass die Regelung in Artikel 8 Ziffer 25 des Richtlinienvorschlags gestrichen werden sollte. Ziffer 25 des Richtlinienvorschlags enthält eine Bestimmung zur Reduzierung der Gebühren für sogenannte umweltfreundliche Schiffe. Die Kriterien für die "Umweltfreundlichkeit" sollen von der Kommission durch delegierte Rechtsakte ohne Beteiligung der Mitgliedstaaten festgelegt werden. Ein solcher Eingriff in die Gebührenautonomie der Häfen ist nicht zulässig. Die Reduzierung der Gebühren für "umweltfreundliche Schiffe" würde das Gebührenaufkommen verringern, so dass die übrigen Schiffe eine erhöhte Gebühr zu zahlen hätten, damit das Gesamtsystem kostendeckend bleibt. Diese übrigen Schiffe würden, auch wenn sie alle Vorschriften einhalten, durch erhöhte Gebühren dafür bestraft, dass sie nicht auf freiwilliger Basis ein System zur Abfallvermeidung etabliert haben. Die Abfallvermeidung ist zwar oberstes Ziel in der Abfallhierarchie, allerdings besteht bei der Schiffsabfallentsorgung die Besonderheit recht hoher Vorhaltekosten für die Auffanganlagen. Da sich diese Vorhaltekosten durch eine reduzierte Abfallmenge nicht verringern, wäre es ungerecht, wenn sogenannte umweltfreundliche Schiffe einen geringeren Anteil zur Finanzierung der Vorhaltekosten leisten. Eine Gebührenreduzierung käme daher nur im Hinblick auf die direkten Entsorgungskosten in Betracht. Bei den Abfallarten, bei denen nur 30 Prozent aus der allgemeinen Gebühr getragen werden (hierunter fällt die besonders kostenintensive Entsorgung von "Sludge"), hat ein Schiff, das die "Sludge"-Menge reduziert, bereits geringere Entsorgungskosten. Der Rahmen für eine darüber hinausgehende Gebührenreduzierung ist daher beschränkt auf die Gebühren für die MARPOL-V-Abfälle und bleibt somit gering. Der administrative Aufwand für die Einführung der Kriterien für eine Gebührenreduzierung und für die Kontrolle der Einhaltung der Kriterien durch die Behörden ist möglichweise höher als die Ersparnis, die das begünstigte Schiff erhält. Der mögliche Nutzen für die Umwelt ist nicht bewertet. Diese Bewertung sollte jedoch erfolgen, bevor über die Einführung eines solchen Systems entschieden wird.
- 19. Der Bundesrat sieht Klärungsbedarf, wie die Abstimmung von Ausnahmegenehmigungen für Schiffe mit regelmäßigen Hafenanläufen zwischen den beteiligten Häfen erfolgen soll, und befürchtet einen hohen administrativen Aufwand.
Artikel 9 Ziffer 27 des Richtlinienvorschlags enthält die Regelungen für Ausnahmen für Schiffe mit regelmäßigen Hafenanläufen. In Verbindung mit den Begriffsbestimmungen in Artikel 2 des Richtlinienvorschlags ergibt sich, dass Schiffe, die in einem regelmäßigen Fahrplan zwischen verschiedenen bestimmten Häfen verkehren und jeden Hafen mindestens einmal in 14 Tagen anlaufen, eine Ausnahme erhalten können. Hierunter fallen auch Schiffe, die aus einem bestimmten Hafen auslaufen und in denselben wieder zurückkehren. Die Ausnahme erstreckt sich aber kumulativ auf die Abgabe der Meldungen nach Artikel 6 des Richtlinienvorschlags, auf die Verpflichtung zur Abfallabgabe nach Artikel 7 des Richtlinienvorschlags und auf die Zahlung der Gebühr nach Artikel 8 des Richtlinienvorschlags. Ausnahmen von Teilregelungen dieser Artikel sind nicht vorgesehen. Die Ausnahme wird durch die Behörde in demjenigen Hafen erteilt, in dem alle Abfälle aufgrund eines Entsorgungsvertrags abgegeben werden. Die Behörden aller anderen auf der Route liegenden Häfen müssen der Ausnahme zustimmen. Dies impliziert, dass die Ausnahme nicht erteilt werden kann, wenn eine einzelne beteiligte Behörde nicht zustimmt, und ungültig wird bzw. abgeändert werden muss, wenn sich die Reiseroute ändert und ein neuer Hafen hinzukommt. Der Bundesrat hält es für praxisnäher, wenn jeder Hafen eine eigene Ausnahme erteilt.
- 20. Der Vorschlag der Kommission in Artikel 11 des Richtlinienvorschlags, die Einhaltung der Vorschriften nach Artikel 6 (Abfallmeldung), Artikel 7 (Entsorgung der Abfälle) und Artikel 9 (Ausnahme) des Richtlinienvorschlags der Hafenstaatkontrolle zu übertragen, und die Kontrollen durch das Informationssystem für die Hafenstaatkontrolle (THETIS) zu unterstützen, ist aus Sicht des Bundesrates aus folgenden Gründen problematisch:
- - Die Richtlinie 2009/16/EG vom 23. April 2009 über die Hafenstaatkontrolle (EU-Hafenstaatkontroll-Richtlinie) erfasst nicht alle zu kontrollierenden Schiffe. Daher sieht der vorliegende Richtlinienvorschlag neben den Kontrollen nach Artikel 11, die in Deutschland von der beim Bund angesiedelten Dienststelle Schiffsicherheit durchzuführen wären, weitere Kontrollen nach Artikel 12 des Richtlinienvorschlags vor, für die ein zweites Kontrollregime zu etablieren wäre. Dieses zweite Kontrollregime wäre in Deutschland durch die landesrechtlich zuständigen Behörden sicherzustellen. Zwei parallele Kontrollsysteme verursachen einen höheren administrativen Aufwand gegenüber einem System, das alle Schiffe umfasst.
- - Im System der Hafenstaatkontrolle werden die zu kontrollierenden Schiffe von THETIS definiert, basierend auf durch das System festgestellte Unstimmigkeiten in den Abfallmeldungen der Schiffe. Eine physische Kontrolle an Bord des Schiffes würde nicht stattfinden, wenn die Meldungen in sich plausibel erscheinen. An Bord vorhandene, aber nicht deklarierte Abfallmengen würden so nicht auffallen; eine illegale Entsorgung der nicht erfassten Abfälle würde somit nicht verhindert. Dies stellt eine Verschlechterung der Kontrolleffizienz gegenüber der derzeitigen Rechtslage dar, nach der die landesrechtlich zuständigen Behörden verdachtsunabhängige physische Kontrollen an Bord der Schiffe durchführen.
- - In Deutschland ergibt sich möglicherweise auch ein verfassungsrechtliches Problem, wenn die Aufgaben nach Artikel 6, 7 und 8 des Richtlinienvorschlags der Dienststelle Schiffsicherheit übertragen werden. Denn dann würde eine Bundesbehörde in einigen Fällen landesrechtliche Aufgaben wahrnehmen. Aus dem Seeaufgabengesetz ergibt sich die Zuständigkeit des Bundes für die Überwachung der Einhaltung des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), MARPOL und anderen internationalen Schifffahrtsvorschriften. In Artikel 7 des Richtlinienvorschlags sind jedoch Bestimmungen enthalten, die über die MARPOL-Vorschriften hinausgehen. Nach MARPOL dürfen bestimmte Abfälle nicht ins Meer eingeleitet werden, weshalb Häfen entsprechend Auffangeinrichtungen bereithalten müssen. Der Schiffsleitung ist dabei freigestellt, in welchem Hafen die Abfälle abgegeben werden. Ausgenommen sind hiervon lediglich bestimmte Ladungsrückstände nach MARPOL II, die im Entladehafen abgegeben werden müssen. Der Richtlinienvorschlag sieht hingegen vor, dass alle Abfälle im jeweiligen Anlaufhafen abgegeben werden müssen, wenn die Lagerkapazität an Bord als nicht ausreichend eingeschätzt wird. Wird in einem derartigen Fall die Entsorgung angeordnet, erfolgt diese Anordnung nicht im Rahmen der Durchführung des MARPOL-Übereinkommens (da hier keine Abgabepflicht in einem bestimmten Hafen besteht), sondern im Rahmen der Durchführung der vorgeschlagenen Hafenauffanganlagenrichtlinie. Das bedeutet, dass die deutsche Vorschrift zur Umsetzung dieser Richtlinie die Dienststelle Schiffsicherheit ermächtigen müsste, diese Anordnungen zu erteilen. Dies ist dann problematisch, wenn diese Richtlinie wie bisher durch landesrechtliche Regelungen umgesetzt wird.
Ein einheitliches Kontrollsystem nach Maßgabe des Artikels 12 des Richtlinienvorschlags, das nicht nach dem Geltungsbereich der EU-Hafenstaatkontroll-Richtline differenziert, ließe das beschriebene Problem erst gar nicht entstehen.
- 21. Die Regelungen in Artikel 21 des Richtlinienvorschlags zu Änderungen der EU-Hafenstaatkontroll-Richtline wären infolgedessen hinfällig.