890. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2011
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission "Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa" und teilt die Einschätzung, dass nur ein konsequenter Umstieg auf eine nachhaltige Bewirtschaftung der global zur Verfügung stehenden Ressourcen langfristig ein qualitatives Wachstum und für alle Menschen ein Leben in Würde ermöglicht. Dabei teilt der Bundesrat die Auffassung der Kommission, dass der vorliegende Fahrplan und die genannten Etappen nur ein erster Schritt sein können.
- 2. Die zur Erreichung dieses Ziels notwendigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft erfordern nach Auffassung des Bundesrates eine konsequente horizontale Einbindung der Ressourceneffizienz in alle Politikbereiche.
- 3. Grundsätzlich unterstützt der Bundesrat die formulierten Etappenziele für das Jahr 2020, weist aber auch darauf hin, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen, die auf regionaler und kommunaler Ebene umzusetzen sind, zum Teil sehr ambitioniert sind.
- 4. Der Bundesrat begrüßt das Ziel einer Steigerung der wirtschaftlichen Entwicklung unter gleichzeitiger Senkung des Ressourcenverbrauchs.
- 5. Der Bundesrat teilt die Einschätzung, dass eine effiziente Ressourcennutzung ein bedeutsamer Faktor der Wachstums- und Beschäftigungspolitik sein wird, und dass ein sparsamer Umgang mit Ressourcen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels und zur angestrebten Verringerung der Treibhausgasemissionen liefert.
- 6. Insbesondere der Ausbau regenerativer Energien, einhergehend mit einem auf diesem Sektor wachsenden Beschäftigungspotenzial, kann hierdurch weiteren Auftrieb erhalten.
- 7. Der Bundesrat unterstützt die Bemühungen der Kommission, Anreize für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in der europäischen Wirtschaft zu schaffen.
- 8. Der Bundesrat stellt fest, dass der Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa zahlreiche Maßnahmen enthält, zu deren Durchführung erhebliche finanzielle Mittel von Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der öffentlichen Hand aufgewandt werden müssten. Kostenschätzungen, Angaben zu Finanzierungsquellen und Kosten-Nutzen-Relationen liegen nicht vor.
- 9. Er bittet die Bundesregierung, bei der Umsetzung der in der Kommissionsmitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen folgende Gesichtspunkte in die Beratungen einfließen zu lassen:
- 10. Zum Einen sollte darauf hingewirkt werden, dass Kosten und Nutzen bei allen Maßnahmen in angemessener Relation zueinander stehen.
- 11. Angesichts der Sparzwänge auf allen staatlichen Ebenen der EU und zur Vermeidung unzumutbarer zusätzlicher Belastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft bittet der Bundesrat die Bundesregierung daher, sich bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Maßnahmen hinsichtlich ihrer Finanzierbarkeit nach Art, Höhe und Quelle unter dem Vorbehalt einer vertretbaren Kosten-Nutzen-Relation stehen.
- 12. Dazu gehört, dass die unterschiedlichen geografischen Gegebenheiten der Mitgliedstaaten sowie die zum Teil jetzt schon hohen Umweltschutzanforderungen einbezogen werden. Beispielsweise könnten sich in Deutschland mit seinem hohen technischen Standard bei der Wasserver- und -entsorgung durch noch strengere Anforderungen die Verbraucherpreise erhöhen, ohne dass eine relevante Nachhaltigkeitssteigerung bei der Ressource Wasser zu verzeichnen wäre. Im Rahmen der Umsetzung des EU-Fahrplans sollte daher geprüft werden, ob bei der Ausgestaltung der Indikatoren ein differenziertes Vorgehen sinnvoll ist.
- 13. Der finanzielle Spielraum der Mitgliedstaaten ist sehr begrenzt und wird sich in vielen Fällen noch verengen. Aus diesem Grund ist bei der jeweiligen Umsetzung der Ziele in konkrete Maßnahmen auf eine ausreichende Mittelausstattung von Seiten der EU zu achten.
- 14. Nationale Investitionen und der nationale Haushaltsgesetzgeber insgesamt dürfen nicht präjudiziert werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren sicherzustellen, dass die Umsetzung des Fahrplans für ein ressourcenschonendes Europa zu keinen zusätzlichen Belastungen der Länderhaushalte führt.
- 15. Weiterhin sollten bei den Maßnahmen zum nachhaltigen Schutz der Ökosystemdienstleistungen unverhältnismäßige Kostensteigerungen - unter anderem bei Verkehrsinfrastrukturplanungen und beim Ausbau der Energienetze - vermieden und Potenzial zur Planungsbeschleunigung genutzt werden. Deutschland besitzt bereits durch die nationale Eingriffsregelung ein Instrument zur Kompensation der Inanspruchnahme von Naturhaushaltsflächen. Im Zuge der EU-weiten Einführung der so genannten Ökosystemdienstleistungen ist der Beibehalt dieser nationalen Regelung auf der Zulassungsebene in Frage zu stellen, um Doppelregelungen und einen erhöhten oder komplexeren Prüfaufwand für Vorhabenträger zu vermeiden.
- 16. Die derzeitige nationale Eingriffsregelung ist nach Auffassung des Bundesrates insbesondere auf Grund des darin begründeten Vorrangs der "Naturalkompensation" gegenüber der Ersatzgeldzahlung nachteilig für Vorhabenträger. Durch die Verpflichtung zur Planung und aktiven Durchführung ökologischer Maßnahmen entstehen hohe zeitliche und finanzielle Aufwendungen bei Infrastrukturplanungen sowie hohe Folgekosten - wie etwa für Monitoring, Pflege oder Kontrolle der Maßnahmenflächen. Im Zuge der Umsetzung der EU-Strategien zum Erhalt der Biodiversität und des Ressourcenschutzes sollte daher die Gleichrangigkeit beider Kompensationsformen forciert werden, ebenso eine 1:1-Umsetzung in Deutschland. Würden in Zukunft Ökosystemdienstleistungen monetär bewertet und ausgeglichen, trüge dies wesentlich zur Planungsvereinfachung und -beschleunigung bei.
- 17. Der Bundesrat bestärkt die Kommission darin, geeignete Indikatoren für die Messung der Effizienz und Nachhaltigkeit der eingesetzten Ressourcen und Ökosystemdienstleistungen zu entwickeln. Er fordert die Kommission darüber hinaus auf, auch Indikatoren zu entwickeln, die unabhängig vom materiellen und monetären Wachstum gesellschaftliche Mehrwerte messen.
- 18. Der Bundesrat begrüßt die Benennung von systemimmanenten Steuerungsinstrumenten, mit denen der Ressourcenverbrauch gebremst werden kann, und das Vorhaben, ökologische Kosten der Produktion so in den Marktpreis einzupreisen, dass die wahren Kosten der intensiven Wirtschaftsweise für alle Marktteilnehmer transparent werden und somit Anreize für ein Umsteuern schaffen. Zudem sollten umweltschädliche Subventionen so schnell wie möglich abgebaut werden, um negative Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten nachhaltiger Produktionsformen zu vermeiden.
- 19. Der Bundesrat stellt fest, dass in Zeiten knapper werdender Ressourcen der Einsatz für Ressourceneffizienz auch volkswirtschaftlich große Bedeutung hat. Er schafft und sichert Arbeitsplätze, fördert Innovationen und kann einen wesentlichen Beitrag für eine langfristige Versorgungssicherheit leisten.
- 20. Der Bundesrat unterstreicht die Notwendigkeit, dass die scheinbar unbegrenzt und kostenlos zur Verfügung stehenden Ökosystemleistungen und die Biodiversität eines stärkeren Schutzes bedürfen und ihrem wahren Wert gemäß bewertet werden müssen.
- 21. Der Berücksichtigung von Ökosystemleistungen sollte unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz künftig mehr Bedeutung zukommen. Der Verlust der Leistungsfähigkeit von Ökosystemen wird neben einer Beeinträchtigung der Natur und Umwelt auch einen Anstieg von betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten zur Folge haben.
- 22. Um die Förderung der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch effizienter und wirkungsvoller zu gestalten, sollten neben Anreizen zur Förderung umweltfreundlicher Innovationen auch die hierfür bereits vorhandenen Instrumente, wie z.B. die Ökodesign-Richtlinie [und die nachhaltige öffentliche Beschaffung], besser genutzt werden.
- 24. Für eine dauerhafte, effiziente und verantwortungsvolle Ressourcennutzung sind der Erhalt der Bodenfunktionen und ein deutlich reduzierter Flächenverbrauch besonders wichtig. Das Ziel, "netto" kein Land mehr neu in Anspruch zu nehmen, muss angesichts der demographischen Entwicklung und der vielfältigen Potenziale zur Innenentwicklung wesentlich früher als im Jahr 2050 erreicht werden (Zielvorstellung 2025, spätestens 2030). Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich für anspruchsvollere Ziele bei der Reduzierung des Flächenverbrauchs einzusetzen. Die Förderpolitik der EU ist bereits ab 2014 zu überprüfen und auf die Vermeidung von bodenbelastenden und flächenverbrauchenden Förderungen auszurichten.
- 25. Der Bundesrat spricht sich für hohe Ressourceneffizienzstandards für die Renovierung und den Neubau von Gebäuden aus. Durch Investitionen in Energieeinsparungen im Gebäudebereich werden klimapolitische Ziele umgesetzt und zugleich wirtschaftliche Impulse gesetzt. Die dadurch zu erreichenden Energieeinsparungen führen zu einer finanziellen Entlastung der privaten Haushalte.
- 26. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass sich eine bessere Bauweise und Nutzung von Gebäuden in der EU positiv auf den Endenergieverbrauch, die Treibhausgasemissionen und den Einsatz von Werkstoffen auswirkt.
- 27. Jedoch lehnt der Bundesrat die im Etappenziel "Besser bauen" enthaltene Vorgabe einer jährlichen Sanierungsquote von 2 Prozent ab. Der Bundesrat hatte sich wiederholt gegen die Einführung einer Sanierungsquote verwehrt und dies so auch in den umfangreichen Bundesratsstellungnahmen zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Energieeffizienzplan 2011, vgl. BR-Drucksache 142/11(B) vom 27. Mai 2011 - und zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Energieeffizienz und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG, vgl. BR-Drucksache 379/11(B) (2) vom 14. Oktober 2011, zum Ausdruck gebracht.
- 28. Die Vorgabe einer konkreten Sanierungsquote, ohne Differenzierung zwischen staatlichen und anderen Gebäuden, lässt sich als Vorbote für die Einführung einer umfassenden Sanierungspflicht verstehen: Dies widerspricht dem Wirtschaftlichkeitsvorbehalt der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und ist nach wie vor abzulehnen.
- 29. Der Bundesrat begrüßt das Ziel, Abfall als Ressource zu begreifen und sich dafür ambitionierte Ziele beim Recycling und bei der Wiederverwertung von Abfällen zu setzen. Hierzu sind insbesondere die spezifischen Bedürfnisse der deutschen Industrie an Sekundärrohstoffen zu erheben und bei der Festsetzung der Recyclingziele zu berücksichtigen.
- 30. Der Bundesrat unterstützt das Ziel, dass Abfall spätestens ab dem Jahr 2020 als Ressource bewirtschaftet werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt sollte über ein Deponierungsverbot verwertbarer und biologisch abbaubarer Abfälle europaweit nachgedacht werden. Der Bundesrat gibt aber zu bedenken, dass einer Ausweitung der Wiederverwendung und des Recyclings dort Grenzen gesetzt sind, wo eine Anreicherung von Schadstoffen in Konsumgütern oder im Boden zu befürchten sind. Diese Risiken sind bei Lebenszyklusbetrachtungen angemessen zu berücksichtigen.
- 31. Um eine Steigerung der Wiederverwendung und des Recyclings von Abfällen zu erreichen, regt der Bundesrat an, dass Hersteller vor dem Inverkehrbringen von komplexen Produktgruppen Angaben zu deren Recyclingfähigkeit unterbreiten sollten.
- 32. Die Zielsetzungen der Kommission zur Erhaltung und Verbesserung der Luftqualität werden vom Bundesrat ausdrücklich begrüßt. Der Bundesrat hält eine frühzeitige Vorgabe von erforderlichen Emissionsminderungsmaßnahmen für relevante Emittentengruppen für erforderlich, um die Erreichung der vorgegebenen Luftqualitätsziele zu gewährleisten.
- 33. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, EU-Forschungsmittel auf Schlüsselziele der Ressourceneffizienz zu konzentrieren. Er weist darauf hin, dass neben der Forschung häufig auch der Techniktransfer und die Markteinführung der Unterstützung bedürfen.
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- 34. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.