Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 5309 - vom 27. Oktober 2005. Das Europäische Parlament hat die
Entschließung in der Sitzung am 29. September 2005 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Abhängigkeit vom Erdöl
Das Europäische Parlament,
- gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
- 1. nimmt mit Besorgnis den anhaltenden Anstieg des Rohölpreises in der jüngsten Zeit und dessen Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie das wirtschaftliche Wohlergehen der Bevölkerung im Allgemeinen zur Kenntnis, und stellt fest, dass dies negative Auswirkungen auf das Wachstumsniveau hat und damit das Erreichen der Lissabonziele gefährdet;
- 2. ist der Auffassung, dass die Abhängigkeit Europas vom Erdöl und von Öleinfuhren Anlass zu großer Besorgnis ist; ist der Auffassung, dass Europa zur Sicherung der Energieversorgung die Energie- und Lieferquellen diversifizieren und seine Strategie zur Förderung von Energiesparmaßnahmen und dezentralisierten erneuerbaren Energiequellen umgehend verstärken sollte;
- 3. fordert angesichts des sehr hohen Ölverbrauchs in den USA und des zunehmenden Ölverbrauchs in besonders großen aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien eine umfassende und kohärente globale Strategie zur Förderung von Energieeinsparungen und Energieeffizienz sowie die Nutzung alternativer Energiequellen; fordert die EU auf, möglichst bald die Initiative für einen Weltgipfel der größeren Ölverbraucher- und -erzeugerländer zu ergreifen;
- 4. fordert die Kommission auf, den Entwicklungsländern und den aufstrebenden Volkswirtschaften durch die Einbeziehung nachhaltiger Energieversorgung in seine Politik der Entwicklungszusammenarbeit zu helfen, um ihre Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe zu verringern und die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen, und ruft die EU auf, durch die Förderung des Transfers von neuen energiesparenden und erneuerbaren Technologien ein angemessenes Gleichgewicht zwischen ihrem Energiebedarf und den Umweltbelangen zu gewährleisten;
- 5. unterstreicht die geostrategischen Aspekte der Abhängigkeit Europas von Energieeinfuhren; fordert eine Intensivierung des Dialogs mit allen europäischen Energiepartnern mit dem Ziel, Versorgungssicherheit, Markttransparenz sowie weitere Investitionen zu fördern; erinnert daran, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik die Möglichkeit für eine umfassende Vereinbarung mit mehreren von diesem Problem betroffenen Ländern bietet;
- 6. stellt fest, dass die logischste Antwort auf die hohen Ölpreise darin liegt, sich auf die Nutzung alternativer Energiequellen umzustellen; unterstreicht die Bedeutung von Maßnahmen zur Verringerung der Energieintensität durch den Einsatz von weniger Energie für dieselbe Wirtschaftsleistung (unter Hinweis auf den Umfang der Reduzierung in Europa seit den siebziger Jahren);
- 7. unterstreicht mit Nachdruck die Notwendigkeit von Followup-Strategien und konkreten Maßnahmen im Hinblick auf die Förderung von Forschung und Entwicklung, eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und die Förderung der Energieeffizienz, um eine geringere Abhängigkeit der Wirtschaft von fossilen Brennstoffen zu erreichen und fordert die Kommission auf, die EU dahin zu führen, dass sie bis 2020 die am wenigsten von fossilen Brennstoffen abhängige und energieeffizienteste Volkswirtschaft der Welt wird;
- 8. stellt mit Besorgnis fest, dass die Verbraucher die höheren Preise nicht nur infolge der hohen Rohölkosten, sondern auch aufgrund erhöhter Mehrwertsteuersätze und der auf die Endprodukte erhobenen Energiesteuern zahlen müssen und dass diese Steuern in der gesamten EU sehr unterschiedlich sind und eine Verzerrung des Marktes bewirken können, unterstützt aber die Schlussfolgerungen der informellen Tagung des ECOFIN-Rates vom 9. und 10. September 2005 in Manchester, auf der die Minister übereingekommen sind, dass verzerrende steuerliche Maßnahmen und sonstige politische Interventionen, die die erforderlichen Anpassungen verhindern, vermieden werden sollten;
- 9. fordert die Kommission auf, Vorschläge zu unterbreiten und darin zu erläutern, wie die soziale Verantwortung der Unternehmen auf EU-Ebene dafür genutzt werden kann, mehr durch die gegenwärtigen Zufallsgewinne in der Ölindustrie finanzierte private Investitionen in Energiesparprogramme und alternative Energietechnologien sowie die Forschung und Entwicklung in diesem Sektor zu tätigen; ist der Auffassung, dass dies entweder auf der Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung mit den Ölgesellschaften oder alternativ durch eine EU-weite koordinierte politische Initiative geschehen sollte;
- 10. stellt fest, dass durch Spekulation auf höhere Preise der Ölpreisanstieg noch weiter verstärkt wird; fordert die Kommission auf, die Hedgefonds weiterhin zu überwachen und zu prüfen, wie größere Transparenz zu stabileren Erdölmärkten beitragen könnten;
- 11. erinnert an die Bedeutung der geltenden Rechtsvorschriften zur Verringerung der Energienachfrage in der EU und stellt fest, dass bis 2020 Energieeinsparungen von mindestens 23% erreicht werden könnten, wenn die geltenden und die noch zu erlassenden Rechtsakte vollständig umgesetzt werden;
- 12. fordert die Kommission auf, umgehend Maßnahmen im Verkehrssektor, auf den 70% des gesamten Ölverbrauchs der EU entfallen, zu entwickeln, nicht nur im Hinblick auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit für Ölprodukte, sondern auch aus ökologischen Gründen, so z.B. die Verwendung von mehr benzinsparenden Motoren und die Umstellung auf alternative Kraftstoff- und Antriebstechnologien;
- 13. stimmt mit der Kommission darin überein, dass Biokraftstoffe unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern werden, und fordert die Kommission auf, die Herstellung von Rohstoffen für Biokraftstoffe zu fördern;
- 14. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen sowie von Wasserstoff-Brennstoffzellen zu beschleunigen;
- 15. fordert die Kommission daher auf:
- - den europäischen Aktionsplan für Energieeffizienz, der dem Grünbuch folgt, zu beschleunigen (KOM (2005) 0265),
- - den Druck im Hinblick auf die vollständige und rasche Umsetzung der Richtlinie über Gesamtenergieeffizienz (Richtlinie 2005/91/EG) durch die Mitgliedstaaten zu verstärken,
- - sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass auf der Tagung des Rates "Energie" im Dezember eine Einigung über die Richtlinie für den Bereich der Energiedienstleistungen erzielt wird,
- - durch eine verbesserte Sammlung und Zusammenstellung von Informationen die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Ölmärkte zu verstärken,
- - die Mitgliedstaaten zu drängen, ihre Ziele für den Bereich der erneuerbaren Energien, die in der Richtlinie über die Förderung des aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stroms (Richtlinie 2001/77/EG) festgelegt sind, zu erfüllen,
- - Vorschläge für die Entwicklung sauberere Kraftfahrzeuge mit geringerem Benzinverbrauch durch die Automobilhersteller zu unterbreiten,
- - zusammen mit den Mitgliedstaaten der Gefahr einer verstärkten sozialen Ausgrenzung aufgrund der höheren Ölpreise entgegenwirken und die negativen Auswirkungen des Ölpreisanstiegs auf die schwächsten Gruppen der Gesellschaft abzumildern;
- - auf eine verstärkte Nutzung umweltfreundlicher Energie auf Kohlebasis hinzuarbeiten,
- 16. bedauert jedoch, dass die Kommission in ihrer Mitteilung vom 6. September 2005 zu dem Fünf-Punkte-Plan als Reaktion auf den raschen Anstieg der Erdölpreise den Verkehrssektor überhaupt nicht erwähnt;
- 17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.