964. Sitzung des Bundesrates am 2. Februar 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat widerspricht der Einschätzung der Kommission (siehe Erwägungsgrund 2), dass die Forschung im Nuklearbereich zur ökologischen Nachhaltigkeit und potenziell zur langfristigen sicheren und effizienten Senkung der Kohlenstoffdioxid-Emissionen des Energiesystems beitragen kann. Zur Senkung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen - auch im Energiebereich - bedarf es der Konzentration aller Anstrengungen auf Technologien, die tatsächlich langfristig sicher und ökologisch nachhaltig sind. Hierbei sind beispielsweise die erneuerbaren Energien zu nennen, die Nutzung der Atomkernkraft zur Stromerzeugung gehört nicht dazu.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass zahlreiche Unfälle in kerntechnischen Anlagen (hier sind vor allem die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima zu benennen) zu erheblichen Kontaminationen und damit zu Umwelt- und Gesundheitsschäden geführt haben. Dies hat gezeigt, dass die Nutzung der Atomkraft zur Stromerzeugung unsicher und mit großen Risiken verbunden ist. Zudem ist die Frage der sicheren Endlagerung für die bei der Energieerzeugung mit Atomkernenergie entstehenden hochradioaktiven Abfälle nach wie vor ungeklärt.
- 3. Die Nutzung der Atomkernkraft zur Stromerzeugung hat sich aus Sicht des Bundesrates auf Grund von Nuklearkatastrophen - wie zuletzt der in Fukushima im Jahr 2011 - und zahlreichen Zwischenfällen und meldepflichtigen Ereignissen weltweit als prinzipiell unsicher und mit großen Unwägbarkeiten verbunden erwiesen. Darüber hinaus gibt es weltweit noch kein sicheres Endlager für die bei der Energieerzeugung mit Atomkernenergie entstehenden hochradioaktiven Abfälle. Dies alles trägt zu erheblichen und zum Teil unwägbaren Umweltrisiken bei, die durch die Atomkernkraftnutzung erzeugt werden.
- 4. Die isolierte Einschätzung der Klimafreundlichkeit der Kernenergie führt dazu, dass finanzielle Mittel auch für Forschung und Entwicklung neuer Kernreaktoren eingesetzt werden können. Dies hätte zur Folge, dass Mitgliedstaaten, die die Nutzung der Kernenergie ablehnen oder diese nur noch übergangsweise zulassen, indirekt den Ausbau der Kernenergie in anderen Staaten über ihre Mitgliedsbeiträge mitunterstützen.
- 5. Der Grundsatz, dass jeder Mitgliedstaat entscheiden kann, ob er die Kernenergie nutzen möchte, beinhaltet auch, dass er für alle damit in Zusammenhang stehenden Kosten einschließlich Ausbildung, Forschung und Entwicklung selbst aufkommen muss. Daher ist sicherzustellen, dass keine EU-Mittel direkt oder indirekt in die Forschung, die Entwicklung oder den Bau neuer Kernreaktoren fließen.
- 6. Die Bewertung der erheblichen tatsächlichen und potenziellen negativen Umweltauswirkungen und -risiken der Nutzung der Atomkernenergie zur Stromerzeugung hat nach der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 dazu geführt, dass der deutsche Gesetzgeber im Konsens mit fast allen gesellschaftlichen Gruppen einen Ausstieg aus der Nutzung von Atomkraftwerken in Deutschland beschlossen hat.
- 7. Die Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 hat dazu geführt, dass der deutsche Gesetzgeber, im Konsens mit fast allen gesellschaftlichen Gruppen, den Ausstieg aus der Nutzung von Atomkraftwerken in Deutschland beschlossen hat.
- 8. Die Gründe, die zu dieser nationalen Entscheidung führten, sollten aus Sicht des Bundesrates auch bei der Beurteilung der Methoden herangezogen werden, die zur Minderung der Treibhausgasemissionen in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden.
- 9. [Der Bundesrat ist sich bewusst, dass] im Rahmen des geltenden Gemeinschaftsrechts über den Energiemix der Energieerzeugung die Mitgliedstaaten national entscheiden. Er bittet die Bundesregierung, in diesem Rahmen dafür zu werben, dass möglichst viele andere Mitgliedstaaten sich zumindest mittelfristig für einen Ausstieg aus der Atomkernenergienutzung entscheiden, dies auch vor dem Hintergrund, dass sich die Auswirkungen atomarer Unfälle nicht an die [Grenzen von Mitgliedstaaten] bzw. {Ländergrenzen} halten.
- 10. Die im Rahmen von EURATOM geförderten Atomkernforschungsgebiete sollten sich nach Auffassung des Bundesrates in Zukunft ausschließlich auf medizinische Forschungen, die physikalische Grundlagenforschung jenseits der Kraftwerkstechnik, Forschungen zu den Risiken, dem Rückbau und dem Ausstieg aus der Atomkernenergienutzung, zur nuklearen Sicherheit, zur Endlagerung und zum Strahlenschutz beschränken.
- 11. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass die Atomkernfusionsenergie einen relevanten und wirtschaftlichen Beitrag zur Energiegewinnung und Energieversorgung Europas in absehbarer Zeit leisten könnte. Selbst die Machbarkeit und den unklaren Erfolg des ITER-Projekts unterstellt, würde kommerzielle Energiegewinnung durch die Kernfusionsenergie erst zu einer Zeit erfolgen können, zu der die Wende zur Energieerzeugungs-Technologie aus erneuerbaren Energien - schon aus Klimaschutzgründen - abgeschlossen sein muss. Diese für die Kernfusionsforschung und -technologie vorgesehenen Mittel können wesentlich effizienter zum Wohl der Gemeinschaft zur Weiterentwicklung von ökologisch nachhaltigen Technologien wie beispielsweise erneuerbaren Energien eingesetzt werden.
- 12. Die Bundesregierung wird gebeten, darauf hinzuwirken, dass zeitnah klargestellt wird, dass die Atomkernenergienutzung zur Energieerzeugung (sowohl in Form von Kernspaltungs- als auch Fusionskraftwerken) nicht mehr als "sichere und nachhaltige CO₂-arme Technologie" im Europäischen Strategieplan für Energietechnologien (SET-Plan) gelten soll.
- 13. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, dafür einzutreten, dass sich die EU aus der Finanzierung des internationalen Kernfusionsforschungsreaktors ITER und der im Rahmen des Verordnungsvorschlags langfristig angesiedelten und als risikoreich eingeschätzten (vergleiche Nummern 3 fortfolgende der Erwägungsgründe) Forschung und Entwicklung im Bereich der Kernfusionsenergie zurückzieht und die weitere Finanzierung auf das auf Grund nicht kündbarer völkerrechtlich bindender Vereinbarungen absolut notwendige Minimum beschränkt.
- 14. Der Bundesrat verweist im Übrigen auf seine Entschließung vom 30. März 2012 zur Änderung des EURATOM-Vertrages (BR-Drucksache 276/11(B) ) und auf seine Stellungnahme vom 29. November 2013 zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Änderung der Entscheidung 2007/198/Euratom/Euratom des Rates (BR-Drucksache 674/13(B) ).
- 15. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
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- 16. Der Ausschuss für Kulturfragen empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.