938. Sitzung des Bundesrates am 6. November 2015
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt das von der Bundesregierung vorgelegte Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungsprogramm) zur Kenntnis.
Er begrüßt, dass die Bundesregierung die aufgestellten Grundsätze zur Entsorgung radioaktiver Abfälle explizit unter Revisionsvorbehalt stellt. Nur so ist es möglich, etwaige anderslautende Empfehlungen der "Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlagerkommission)" zu berücksichtigen und damit der Arbeit der Kommission gebührend Rechnung zu tragen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt das von der Bundesregierung vorgelegte Nationale Entsorgungsprogramm, mit dem die verantwortungsvolle sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle festgelegt wird.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei ihren Planungen aus Gründen des Bevölkerungsschutzes sicherzustellen, dass bereits im Inland zwischengelagerte radioaktive Abfälle bis zur Verbringung in ein Endlager/Eingangslager am derzeitigen Standort verbleiben können.
- 4. Der Bundesrat hält eine intensive Befassung der Bundesregierung mit der Frage der weiteren Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle einschließlich bestrahlter Brennelemente über bisherige Genehmigungszeiträume hinaus für dringend geboten, da die Suche und Inbetriebnahme eines Endlagers für insbesondere hoch radioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz absehbar noch Jahrzehnte dauern wird. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, die erforderlichen Voraussetzungen für die absehbare Verlängerung der Zwischenlagerung zu erarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass diese verlängerte Zwischenlagerung auf den dafür notwendigen Zeitraum beschränkt bleibt.
- 5. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass die zügige Errichtung eines Eingangslagers mit entsprechender Konditionierungsanlage nach Festlegung des Endlagerstandortes entsprechend den Vorgaben des Standortauswahlgesetzes eine notwendige Voraussetzung für eine schnelle Räumung der Zwischenlager ist.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die vorgesehene Inbetriebnahme des Endlagers Konrad für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung im Jahr 2022 weiter mit höchster Priorität zu verfolgen, um auch eine zügige Räumung von entsprechenden Zwischenlagern zu ermöglichen.
- 7. Der Bundesrat stimmt mit der Bundesregierung darin überein, dass die Entsorgung von radioaktiven Abfällen grundsätzlich in nationaler Verantwortung durch eine Endlagerung im Inland erfolgen muss. Für bestrahlte Brennelemente aus Forschungs-, Versuchs- und Demonstrationsreaktoren, die nicht der gewerblichen Erzeugung von Elektrizität dienen oder dienten, bittet der Bundesrat die Bundesregierung auch zum Erhalt der nationalen Spitzenforschung, z.B. im medizinischen Bereich, die entsprechenden gesetzlichen Regelungen für eine Verbringung in einen Staat, der den Brennstoff geliefert hat oder in dem diese Brennelemente bereitgestellt oder hergestellt werden oder wurden, weiterhin aufrecht zu erhalten.
- 8. Im Übrigen stellt der Bundesrat fest, dass Kapitel I.2 ("Genehmigungspflicht der grenzüberschreitenden Verbringung") des Berichts der Bundesrepublik Deutschland für die fünfte Überprüfungskonferenz im Mai 2015 nicht an die durch die Richtlinie 2011/70/EURATOM geänderte Rechtslage angepasst ist und diese deshalb unvollständig wiedergibt.
- 9. Der Bundesrat hält vor dem Hintergrund der bislang nicht abschließend geklärten Lagerungsmöglichkeiten von Abfällen aus der Urananreicherungsanlage Gronau einen Weiterbetrieb der Anlage für nicht vertretbar. Ausweislich des Nationalen Entsorgungsprogramms soll das bei der Anreicherung anfallende abgereicherte Uran primär bei der Standortauswahlsuche für das Endlager nach dem Standortauswahlgesetz (S. 5 NAPRO) berücksichtigt werden.
Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass durch einen unbefristeten Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage in Gronau und der dadurch nicht abschätzbaren absoluten Müllmenge bis zum Betriebsende mit Planungsschwierigkeiten bei der Suche nach einem Endlager zu rechnen ist, da die notwendigen Kapazitäten nicht abgeschätzt werden können. Ebenso führt eine nicht abschließend geklärte Bedarfslage zu einem Glaubwürdigkeitsproblem des Auswahlverfahrens und der Öffentlichkeitsbeteiligung.
Er fordert daher die Bundesregierung dazu auf, die erforderlichen Maßnahmen zur rechtssicheren Beendigung der Urananreicherung in Gronau einzuleiten, um so den Beratungen in der Endlagerkommission eine verlässliche Planungsgrundlage zu geben und Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung entgegenzuwirken.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, über den Sachstand der Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern bezüglich der Verwaltungsvereinbarungen für den Rückbau, die Entsorgung und sichere Aufbewahrung von Materialien aus kerntechnischen Anlagen, die nicht der Erzeugung von Elektrizität dienen oder gedient haben, dem Bundesrat schriftlich zu berichten.*
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD findet sich die Formulierung:
"[...] Für den Rückbau, die Entsorgung und sichere Aufbewahrung von Materialien aus kerntechnischen Anlagen, die nicht der Erzeugung von Elektrizität dienen oder gedient haben, werden Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern geführt, wobei auf der Basis von entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen auch die Aufteilung der Kosten neu geregelt wird. [...]".
Die Sächsische Staatsregierung beabsichtigt, in diese Gespräche zwischen Bund und Ländern auch den Forschungsreaktor Rossendorf einzubeziehen mit dem Ziel, eine bundeseinheitliche Verantwortung und Kostentragung für alle Forschungsreaktoren zu erreichen.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Gespräche über Verwaltungsvereinbarungen für den Rückbau, die Entsorgung und sichere Aufbewahrung von Materialien aus kerntechnischen Anlagen, die nicht der Erzeugung von Elektrizität dienen oder gedient haben, schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode ist vereinbart worden, dass "für den Rückbau, die Entsorgung und sichere Aufbewahrung von Materialien aus kerntechnischen Anlagen, die nicht der Erzeugung von Elektrizität dienen oder gedient haben, ... Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern geführt [werden], wobei auf der Basis der entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen auch die Aufteilung der Kosten neu geregelt wird." (Nr. 1.4., Ausstieg aus der Kernenergie, S. 60).
Die Sächsische Staatsregierung beabsichtigt, in diese Gespräche zwischen Bund und Ländern auch den Forschungsreaktor Rossendorf einzubeziehen mit dem Ziel, eine bundeseinheitliche Verantwortung und Kostentragung für alle Forschungsreaktoren zu erreichen.
- *. Wird bei Annahme mit Ziffer 11 redaktionell zusammengefasst.