Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers grundsätzlich überarbeitet wird.
- 2. Das Kreditwesengesetz (KWG) legt bereits jetzt der deutschen Kreditwirtschaft und der Deutschen Bundesbank weit reichende besondere organisatorische Pflichten im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr auf. Der vorliegende Verordnungsvorschlag enthält teilweise andere Regelungen als das geltende Kreditwesengesetz, die die Effektivität und Schnelligkeit des Zahlungsverkehrs in Frage stellen.
- 3. Die Banken dürfen nicht übermäßig bürokratisch belastet werden. Die FATF-Sonderempfehlung VII ist im deutschen Recht bereits durch § 25b KWG umgesetzt worden. Der von der Kommission angenommene Vorschlag sollte nicht über das dort bereits ausreichend Geregelte hinausgehen. Der Bundesrat hat insbesondere Zweifel, ob die Banken die ihnen in dem Verordnungsvorschlag auferlegten Pflichten in absehbarer Zeit technisch erfüllen können. Im Allgemeininteresse dürfen Effektivität und Schnelligkeit des Zahlungsverkehrs nicht beeinträchtigt werden.
- 4. Der Verordnungsvorschlag beziffert keine Kosten. Ein Folgenabschätzungsbogen und ein Finanzbogen sind nicht beigefügt. Es ist davon auszugehen, dass die Implementierungskosten in der Einführungsphase und die laufenden Betriebskosten die bilanzielle Aufwandsseite der Kreditinstitute belasten.
- 5. Zu den Einzelregelungen bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf folgende Änderungen hinzuwirken:
Zu Artikel 3
In Artikel 3 Nr. 3 sollte der Begriff "Auftraggeber" dahin gehend präzisiert werden, dass hierunter natürliche oder juristische Personen zu verstehen sind, die als überweisender Kontoinhaber oder als Bareinzahler auftreten.
Die Definition "Auftraggeber" im Verordnungsvorschlag umfasst bei Überweisungen nicht nur den Kontoinhaber, sondern gegebenenfalls auch Bevollmächtigte. Auf Grund des Artikels 4 würde dies bedeuten, dass der Auftraggeberdatensatz bei einer vom Kontobevollmächtigten getätigten Überweisung nicht den Namen des Kontoinhabers, sondern den Namen des Bevollmächtigten enthalten müsste, obwohl rechtlich und wirtschaftlich gesehen der Kontoinhaber der Überweisende ist. Dieser Ansatz entspricht nicht dem geltenden Überweisungsrecht auf nationaler und europäischer Ebene. Es wird bisher im Überweisungsdatensatz immer der Name des überweisenden Kontoinhabers eingetragen. Eine Übermittlung von Informationen über einen handelnden Bevollmächtigten ist überweisungsrechtlich nicht geboten.
Der Begriff "Drittländer" sollte genau definiert werden. Die Regelungen der Verordnung für die Gemeinschaft sollten auch auf den EWR ausgeweitet werden.
Zu Artikel 5
Artikel 5 Nr. 2 Abs. 1 konstituiert eine umfassende Überprüfungspflicht des überweisenden Kreditinstituts im Hinblick auf alle Überweisungsvorgänge. Diese Regelung ist zu weit gehend.
Eine erweiterte Prüfungspflicht sollte nur bei Einzahlungsvorgängen bestehen, bei denen die überweisende Bank den Auftraggeber der Zahlung mangels einer Kontoverbindung nicht kennt. Hat der Auftraggeber ein Konto bei der Bank, müssen die Angaben lediglich mit denen im Kontostammdatensatz übereinstimmen. Deren Echtheit ist bereits im Rahmen der Kontoeröffnung und der in Umsetzung der EU-Anti-Geldwäsche-Richtlinien nach dem Geldwäschegesetz erforderlichen Legitimationsprüfung festgestellt worden. Die bislang für kontounabhängige Überweisungen (vor allem Bareinzahlungen) geltenden Vorschriften, die eine Identifizierung des Auftraggebers erst ab einem Überweisungsbetrag von 15 000 Euro verlangten, werden hinfällig. Soweit nicht von Artikel 5 Nr. 2 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags Gebrauch gemacht werden kann, müssten diese Auftraggeber künftig ebenfalls im Sinne von § 1 Abs. 5 GwG identifiziert werden.
Zu Artikel 6
Die in Artikel 6 Abs. 1 vorgesehene Beschränkung des Auftraggeberdatensatzes auf Name und Kontonummer bei Überweisungen innerhalb der EU sollte auf die EWR-Staaten ausgedehnt werden. Die Verordnung wird voraussichtlich, wie die "EG-Verordnung Nr. 2560/2001 über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro", von den EWR-Staaten Liechtenstein, Island und Norwegen übernommen werden. Vorteil des reduzierten Datensatzes auch bei EWR-Überweisungen wäre, dass für Euro-Zahlungen in die EWR-Staaten weiterhin die von der Kreditwirtschaft eingeführte "EU-Standard-Überweisung" genutzt werden könnte. Diese ist auf Grund der Begrenzung der Auftraggeberangaben auf Name und Kontonummer (IBAN) kostengünstig (Preis einer vergleichbaren Inlandszahlung) und automatisiert verarbeitbar. Problematisch ist, dass bei Überweisungen innerhalb der EU die alleinige Übermittlung der Kontonummer des Auftraggebers ausreichend sein soll. Ohne die bisherige Übermittlung des Namens des Auftraggebers wird für den Begünstigten die Zuordnung des Überweisungsbetrags erheblich erschwert.
Zu Artikel 7
Der Anwendungsbereich ist mit der Formulierung "an Begünstigte in Drittländer" ungenau beschrieben, weil damit Zahlungsvorgänge erfasst sein könnten, bei denen zwar der Begünstigte seinen ständigen Aufenthaltsort oder Wohnsitz im Drittland hat, aber das Konto des Begünstigten im Inland oder innerhalb der EU geführt wird.
Zu Artikel 8
In Anlehnung an die oben geforderten Änderungen der Artikel 3 und 6 sollte die vereinfachte Kontrollpflicht auch auf Überweisungen von EWR-Staaten ausgeweitet werden.
Zu Artikel 9
In Artikel 9 sollten eindeutige Regelungen getroffen werden, zu welchem Zeitpunkt die begünstigte Bank einen Betrag für die Dauer der Prüfung einbehalten darf. Auch wäre festzulegen, was bei einem Geldwäscheverdacht konkret zu geschehen hat - etwa eine Einbehaltung oder Zurückleitung der Zahlung oder Auskehrung an die Strafverfolgungsbehörden. Die vorgesehenen Regelungen werden das nationale Girovertragsrecht überlagern und den Herausgabeanspruch des Begünstigten gegen die begünstigte Bank einschränken oder ausschließen, wenn der Auftraggeberdatensatz unvollständig ist. Das ist ein starker Eingriff in die Rechte des Begünstigten. Ein Wahlrecht der begünstigten Bank, den Betrag einzubehalten oder auszuzahlen, ist nicht sinnvoll, weil damit Streitigkeiten mit dem Begünstigten vorprogrammiert sind, ob die Bank ihr Wahlrecht sachgerecht ausgeübt hat.
Artikel 9 Nr. 2 ist unangemessen, weil Zahlungseingänge zu retournieren wären, die vollständige Auftraggeberdatensätze aufweisen. Auch ist die Grenze unklar, wann ein "mehrfacher" Verstoß vorliegt, der die geregelten Rechtsfolgen auslöst. Die zweite Handlungsoption des Artikels 9 Nr. 2 - Beendigung der Geschäftsbeziehungen zu dem Auftraggeberinstitut - ist angesichts der Korrespondenzbankketten im Drittstaaten-Zahlungsverkehr und der rein passiven Rolle des Empfängerinstituts in der Überweisungskette praxisfremd und nicht umsetzbar.
Zudem dürfte die in Artikel 9 enthaltene Handlungsvorgabe der Anforderung des vollständigen Datensatzes beim Zahlungsverkehrsdienstleistungsunternehmen auf Grund der Vielzahl von unvollständigen Auftraggeberdaten bei Überweisungen aus Drittstaaten zu erheblichen Mehraufwendungen für das Institut des Begünstigten führen. Denn es ist nicht berücksichtigt, dass die FATF-Sonderempfehlung VII in Verbindung mit ihrer jüngst überarbeiteten Interpretationsnote den FATF-Mitgliedstaaten erlaubt, für Überweisungen bis zu l 000 Dollar oder dem Gegenwert in Euro von der Pflicht zur vollständigen Übermittlung der Auftraggeberdaten abzusehen. Dies bedeutet, dass Überweisungen unterhalb dieses Schwellenbetrags aus Drittstaaten, die von dieser Ausnahmemöglichkeit Gebrauch machen, regelmäßig unvollständig sein werden und die europäischen Empfängerinstitute Überweisungen aus diesen Ländern entsprechend Artikel 9 Nr. 2 nach mehrfacher Unvollständigkeit der Angaben nicht mehr annehmen dürften. Folglich bedarf es einer entsprechenden Ausnahmeregelung.
Der Verordnungsvorschlag lässt weiterhin unberücksichtigt, welche Auswirkungen die für Sammelüberweisungen auf der Auftraggeberseite geltende Ausnahmevorschrift (Artikel 7 Nr. 2), die sich auch in der FATF-Sonderempfehlung VII wiederfindet, auf Seiten des Empfängerinstituts hat. Da Sammelüberweisungen vor ihrem Eintreffen beim jeweiligen Kreditinstitut des Begünstigten regelmäßig "entbündelt" werden, treffen beim Kreditinstitut des Begünstigten stets Einzelüberweisungen mit unvollständigen Auftraggeberdaten ein, soweit nicht die Daten beim Entbündeln auf alle Einzelüberweisungen übertragen wurden, wozu bislang jedoch keine Verpflichtung besteht.
Zu Artikel 14 und 15
In Artikel 14 sollten die Absätze 1 und 2 entfallen.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass für die vorgeschlagene Verordnung insoweit keine Zuständigkeit der EG besteht, als Artikel 14 Auskunftspflichten der Zahlungsverkehrsdienstleister gegenüber den Behörden regelt, die für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zuständig sind, und zudem Begrenzungen in Bezug auf die Verwendung der erlangten Information durch diese Behörden normiert.
Die vorgesehene Regelung verstößt auch gegen das verfassungsmäßige Rechtsstaatsprinzip. Kritisch ist die Pflicht zur Zusammenarbeit mit Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zu sehen. Die Vorschrift würde sämtlichen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden ohne einen konkreten Straftatverdacht erlauben, die entsprechenden Auftraggeberdaten von jedem Kreditinstitut zu erfragen. Es sollte eine mit den üblichen strafprozessualen Regelungen übereinstimmende Regelung für die Auskunftspflicht festgelegt werden.
Es besteht auch insoweit keine Zuständigkeit der EG, als nach Artikel 15 die Mitgliedstaaten zum Erlass strafrechtlicher Sanktionen bei Verstößen gegen die Verordnung verpflichtet werden. Die in Artikel 95 EGV vorgesehene Binnenmarktkompetenz ermächtigt die Gemeinschaft nicht zum Erlass von strafprozessualen Bestimmungen wie Artikel 14 oder strafrechtlichen Bestimmungen wie Artikel 15.
Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine entsprechenden Stellungnahmen vom 23. Mai 2003 (BR-Drucksache 179/03(Beschluss) ) zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte und vom 13. Juli 2001 (BR-Drucksache 390/01(Beschluss) ) zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (KOM (2001) 139 endg.). Zu letzterem hat auch der Rat mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Gemeinschaft nicht über eine Kompetenz für den Erlass dieser Richtlinie verfügt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 des Rahmenbeschlusses 2003/80/JI des Rates vom 27. Januar 2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht, Abl. L 20 vom 25. Februar 2003, S. 55).
Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Handlungsformen und der Verfahrensregelungen im EUV kann offen bleiben, ob und inwieweit die in Rede stehenden strafrechtlichen und strafprozessualen Bestimmungen auf die Artikel 31, 34 EUV gestützt werden könnten.
Zu Artikel 16
Anstelle der Kommission sollte die Kompetenz weiterhin dem Verordnungsgeber, also Rat und Parlament, vorbehalten bleiben.
Die Einräumung einer Kompetenz für die Kommission, alleine den Anwendungsbereich der Verordnung ändern zu dürfen, ist abzulehnen.
Zu Artikel 20
Was das In-Kraft-Treten der Verordnung anbetrifft, sollte ein Zeitraum von zwei Jahren nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU ins Auge gefasst werden. Zur Umsetzung der Verordnung - insbesondere von Artikel 8 - braucht die Kreditwirtschaft mindestens einen Zeitraum von zwei Jahren, um die erforderlichen technischen und personellen Vorkehrungen zu treffen.