Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft

A. Zielsetzung

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 17.12.2013 (1 BvL 6/10) die Regelungen über behördliche Vaterschaftsanfechtungen für nichtig erklärt. Das behördliche Anfechtungsrecht war mit Wirkung vom 01.06.2008 eingeführt worden, damit rechtsmissbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen, deren Ziel die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile ist, überprüft werden können.

Um in Zukunft gegen rechtsmissbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorgehen zu können, soll die Möglichkeit für ein behördliches Anfechtungsrecht entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eingeführt werden. Das behördliche Anfechtungsrecht soll dabei eng auf Fälle des Rechtsmissbrauchs begrenzt werden. In diesem Zusammenhang sollen auch die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen im Bereich des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden.

B. Lösung

Es wird vorgeschlagen die Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch über das Recht der Vaterschaftsanfechtung entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu ergänzen. Die Möglichkeit der Behördenanfechtung wird von ihren materiellen Anforderungen so gestaltet, dass sie auf spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Fälle begrenzt bleibt. Der Zeitrahmen für behördliche Vaterschaftsanfechtungen wird so ausgeformt, dass ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur in Betracht kommt, wenn das Kind nur relativ kurze Zeit auf die deutsche Staatsangehörigkeit vertraut hat. Zudem wird für die behördliche Vaterschaftsanfechtung ein ausdrücklicher Verlusttatbestand hinsichtlich der deutschen Staatsangehörigkeit geschaffen, der den Eintritt von Staatenlosigkeit gegen den Willen der Betroffenen vermeidet und mehrjähriges Vertrauen in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit schützt. Im Übrigen werden im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts explizite Verlusttatbestände im Staatsangehörigkeitsgesetz auch für andere Verlustgründe geschaffen, die dort bislang nicht näher geregelt waren.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen und Bürokratiekosten

Für die Einrichtung der Anfechtungsbehörden sowie die Vorbereitung und Durchführung des Anfechtungsverfahrens könnten für die öffentlichen Haushalte zusätzliche Kosten entstehen. Nachdem die Strukturen für das behördliche Anfechtungsrecht bereits für das 2008 in Kraft getretene Gesetz geschaffen worden waren und die Voraussetzungen für eine behördliche Anfechtung nur bei einer eng begrenzten Zahl von Fällen vorliegen werden, dürfte der finanzielle Aufwand bei Behörden und Gerichten geringer sein, als bei der erstmaligen Einführung des behördlichen Anfechtungsrechts. In welchem Umfang konkret Mehrkosten entstehen, ist nicht abschätzbar.

Jedenfalls dürfte diesen Mehrkosten eine erhebliche Kostenersparnis im Bereich der Sozialkosten gegenüberstehen. Bei den Fällen, in denen eine Anfechtung vor allem in Betracht kommt, handelt es sich um im Zeitpunkt der Anerkennung ausreisepflichtige Mütter, die ohne Vaterschaftsanerkennung nicht mit einer Aufenthaltsgenehmigung und damit verbundenen Sozialleistungen rechnen könnten, sondern eine Abschiebung erwarten müssten.

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft

Der Bayerische Ministerpräsident München, 22. Juli 2014

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil

Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines ... Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.

Ich bitte, den Gesetzentwurf den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer

Entwurf eines ... Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 1600 wird wie folgt geändert

2. In § 1600b Absatz 1a Satz 3 werden die Wörter "nach Ablauf von fünf Jahren" durch die Wörter "nach Ablauf von drei Jahren" und die Wörter "spätestens fünf Jahre" durch die Wörter "spätestens drei Jahre" ersetzt.

Artikel 2
Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes

Das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGBl. I S. 583), das durch ... zuletzt geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 17 erhält folgende Fassung:

2. § 35 wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Zitiergebot

Dieses Gesetz schränkt das Recht aus Art. 16 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes ein.

Artikel 4
Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

I. Allgemeines

II. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 Buchstabe a)

Die vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte Regelung, nach der eine von den Ländern zu bestimmende anfechtungsberechtigte Behörde die Vaterschaft in Fällen der Anerkennung der Vaterschaft anfechten kann, wird mit dem gleichen Wortlaut wie bisher wieder in Kraft gesetzt. Der Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben wird dadurch hergestellt, dass die Voraussetzungen für die behördliche Vaterschaftsanfechtung geändert und an die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 17.12.2013 angepasst werden.

Durch die wortgleiche Übernahme der ursprünglichen Fassung des § 1600 Absatz 1 Nr. 5 BGB wird sichergestellt, dass die bisherigen Verweise auf diese Vorschrift in bundes- und landesrechtlichen Regelungen, die aufgrund der Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht ins Leere liefen, wieder Geltung beanspruchen.

Zu Nummer 1 Buchstabe b)

Die bislang in Absatz 4 enthaltene Definition der sozialfamiliären Beziehung für die Fälle der Vaterschaftsanfechtungen des biologischen Vaters gemäß § 1600 Absatz 1 Nr. 2 BGB wird aus Gründen des Sachzusammenhangs in den Absatz 2 aufgenommen.

Zu Nummer 1 Buchstabe c)

Die wesentlichen Voraussetzungen für eine behördliche Vaterschaftsanfechtung werden in Anlehnung an den bisherigen § 1600 Absatz 3 BGB unter Berücksichtigung der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2013 genannten zusätzlichen Gesichtspunkte geregelt:

In Absatz 3 Nr. 1 werden als Gründe, die einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde entgegenstehen, eine bestehende oder frühere Ehe des Anerkennenden mit der Mutter des Kindes sowie ein Zusammenleben des Anerkennenden mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft genannt. Dies entspricht inhaltlich der früheren Rechtslage. Anders als nach der bisherigen Regelung wird insoweit allerdings nicht mehr der Begriff der "sozialfamiliären Beziehung" verwendet. Damit wird dem vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Gesichtspunkt Rechnung getragen, dass für die Anfechtung durch den biologischen Vater und die behördliche Anfechtung nicht auf ein einheitliches Tatbestandsmerkmal der sozialfamiliären Beziehung abgestellt werden kann, weil ein solches einheitlich zu interpretierendes Tatbestandsmerkmal bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine völlig andere Funktion hat als bei der Anfechtung durch die Behörde und deshalb nicht zur hinreichend zuverlässigen Begrenzung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung auf spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennungen geeignet ist. Als weiterer der Behördenanfechtung entgegenstehender Grund wird - ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - die Übernahme tatsächlicher Verantwortung für das Kind "in anderer Weise" aufgenommen. Damit werden Fälle erfasst, in denen der Anerkennende Verantwortung für das Kind trägt, ohne mit diesem in häuslicher Gemeinschaft zusammenzuleben. Eine Verantwortungsübernahme in anderer Weise ist insbesondere anzunehmen bei Übernahme typischer Elternrechte oder -pflichten, wie etwa bei regelmäßigem Umgang mit dem Kind, bei Übernahme von Betreuung und Erziehung des Kindes oder bei Leistung von Unterhalt.

Nach Absatz 3 Nr. 2 ist für eine Behördenanfechtung wie bisher erforderlich, dass durch die Vaterschaftsanerkennung die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise bzw. den erlaubten Aufenthalt des Anerkennenden, der Kindsmutter oder des Kindes geschaffen werden.

Neues und zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das sicherstellt, dass die Regelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist nach Absatz 3 Nr. 3, dass die Vaterschaftsanerkennung durch das Ziel der Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile bestimmt ist, wobei alle anderen denkbaren Motive völlig in den Hintergrund treten. Notwendig ist diese zusätzliche Einschränkung, um sicherzustellen, dass die Anerkennung einer Vaterschaft nur dann angefochten werden kann, wenn es dem Anerkennenden gerade um die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile geht und die Übernahme der Rolle als Vater demgegenüber weitestgehend ohne Bedeutung bleibt. Dabei ist zugrunde zu legen, dass die Anerkennung der Vaterschaft rechtlich an keine näheren Voraussetzungen gebunden ist und deswegen nur solche Fälle einer behördlichen Anfechtung aus aufenthaltsrechtlichen Gründen unterliegen können, bei denen die Vaterschaftsanerkennung ausschließlich Mittel für aufenthaltsrechtliche Ziele ist und die Vaterschaft hierfür nur unvermeidbare Nebenfolge ist, ohne dass rechtliche oder soziale Funktionen eines Vaters tatsächlich wahrgenommen werden sollen. Die Vaterschaftsanerkennung stellt sich in diesen Fällen als unredlicher Erwerb einer Rechtsstellung und somit als rechtsmissbräuchliches Handeln dar (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 03.03.2005 Az. 13 S 3035/04). Als konkrete Beispiele, bei denen eine behördliche Vaterschaftsanfechtung in Betracht kommen kann, sind zu nennen die Fälle, dass mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt oder Geldzahlungen oder geldwerte Vorteile anlässlich der Anerkennung der Vaterschaft gewährt werden.

Zu Nummer 1 Buchstabe d)

Die bisherige gemeinsame Legaldefinition der sozialfamiliären Lebensgemeinschaft in Absatz 4 für behördliche Vaterschaftsanfechtungen und für eine Vaterschaftsanfechtung des biologischen Vaters nach § 1600 Absatz 1 Nr. 2 BGB wird gestrichen.

Zu Nummer 1 Buchstabe e)

Die Änderung erfolgt aus redaktionellen Gründen.

Zu Nummer 2

Mit dieser Regelung wird die Ausschlussfrist für die behördliche Anfechtung der Vaterschaft von ursprünglich fünf auf nunmehr drei Jahre verkürzt. Hierdurch wird der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2013 Rechnung getragen,

wonach verfassungsrechtlich - zumindest für Kinder, die älter als fünf Jahre sind - eine deutliche Verkürzung der Anfechtungsfristen geboten ist.

Zu Artikel 2

Zu Nummer 1

Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 17.12.2013 festgestellt, dass der Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Absatz 1 Satz 2 GG verletzt ist, weil die behördliche Vaterschaftsanfechtung nicht ausdrücklich in der Aufzählung der Verlustgründe des § 17 Absatz 1 StAG genannt ist, sondern sich nur aus ungeschriebenen Rechtsregeln ergibt. Es ist deshalb eine klar erkennbare ausdrückliche Regelung zu diesem Verlustgrund im Staatsangehörigkeitsgesetz erforderlich. Der Regelungsbedarf hinsichtlich einer ausdrücklichen Nennung des Verlustgrundes erstreckt sich auf weitere Verlusttatbestände, die bislang nicht ausdrücklich als Verlustgründe im Staatsangehörigkeitsgesetz genannt sind. Diese bislang nicht normierten Verlustgründe werden daher in Absatz 1 in den neuen Nummern 7 bis 11 normiert.

Zu Nummer 1 (§ 17 Absatz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz)

Die Nummern 1 bis 6 entsprechen der bisherigen gesetzlichen Regelung.

Nr. 7 regelt den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund einer (negativen) Feststellungsentscheidung hinsichtlich der Staatsangehörigkeit. Eine solche Feststellungsentscheidung gemäß den §§ 29 Abs. 6 und 30 StAG hat konstitutive Wirkung. Bei bislang materiell tatsächlich bestehender deutscher Staatsangehörigkeit führt eine negative Feststellungsentscheidung zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.

Nr. 8 entspricht im Wortlaut teilweise der bisherigen Nr. 7. Der bisherige Verlusttatbestand der Rücknahme bestimmter Entscheidungen wird erweitert um den Verlusttatbestand der Feststellung der Nichtigkeit bestimmter Entscheidungen. Dies betrifft Einbürgerungen, Beibehaltungsgenehmigungen und Entscheidungen, die die deutsche Staatsangehörigkeit feststellen. Aufgrund der Änderung des § 35 StAG und die Verweisung auf diese geänderte Fassung wird zudem auch der Verlustgrund der Rücknahme der rechtswidrigen Feststellung der Staatsangehörigkeit genannt und damit auch insoweit dem Gebot der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Verlustes der Staatsangehörigkeit Rechnung getragen.

Nr. 9 regelt den Verlust der Staatsangehörigkeit in den Fällen, in denen das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 StAG erworben hat, wenn die für die Begründung der Staatsangehörigkeit maßgeblichen Aufenthaltsrechte der Eltern oder das Aufenthaltsrecht des ggf. allein maßgeblichen Elternteils zurückgenommen oder für nichtig erklärt werden. Nach § 4 Absatz 3 StAG erwirbt das Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt bzw. als Schweizer oder Familienmitglied eines Schweizers Freizügigkeit genießt.

Ein verfassungsrechtlich unzulässiger Entzug der Staatsangehörigkeit des Kindes liegt in einem solchen Fall nicht vor, da die zumutbaren Einflussmöglichkeiten der Eltern zum Zeitpunkt des Staatsangehörigkeitserwerbs des Kindes auch beim Verlust der Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen sind. Dazu gehört beispielsweise der Verzicht, sich auf durch Täuschungshandlungen erreichte unbefristete Aufenthaltsrechte bei der Geburt des Kindes zu berufen. Soweit der Verzicht auf eine Berufung auf rechtswidrig erlangte Aufenthaltsrechte bei der Geburt des Kindes im Einzelfall nicht zumutbar war, ist dies bereits bei der Rücknahmeentscheidung hinsichtlich des unbefristeten Aufenthaltsrechts zu berücksichtigen und hat wegen des Verbots der Entziehung der Staatsangehörigkeit zur Folge, dass ein rechtswidrig erlangtes unbefristetes Aufenthaltsrecht dann nicht mehr zurückgenommen werden kann.

Nr. 10 regelt den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, soweit eine Bescheinigung nach § 15 BVFG zurückgenommen oder für nichtig erklärt wird. Mit Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG erwerben Spätaussiedler und in den Aufnahmebescheid einbezogene Familienangehörige gemäß § 7 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine Rücknahme muss daher auch den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge haben. Ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Absatz 1 Satz 1 GG ist damit nicht verbunden, da sich der Betroffene sein Verhalten bei Erlangung der Bescheinigung auch hinsichtlich des Verlusts zurechnen lassen muss. Soweit das Verhalten des Betroffenen bei Erlangung einer rechtswidrigen Bescheinigung nach den Maßstäben des Staatsangehörigkeitsrechts im Rahmen des Art. 16 Absatz 1 Satz 1 GG nicht vorwerfbar ist, scheidet eine Rücknahme der Bescheinigung nach § 15 BVFG aus (vgl. BVerwG vom 24.05.2012 Az. 5 C 18.11).

Nr. 11 regelt den Verlust der Staatsangehörigkeit für die Fälle einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung oder einer sogenannte qualifizierten Drittanerkennung. Die Regelung hat nur Bedeutung, soweit ein Kind seine deutsche Staatsangehörigkeit im Rahmen des Geburtserwerbs ausschließlich vom Vater ableitet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2013 ausgeführt, dass für eine erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung der Verlust der Staatsangehörigkeit nicht klar erkennbar gesetzlich geregelt ist, weil sich der Wegfall der Staatsangehörigkeit lediglich aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln ergibt, an die die behördliche Vaterschaftsanfechtung anknüpft.

Die Notwendigkeit einer klar erkennbaren Regelung besteht jedoch nicht nur für behördliche Anfechtungen der Vaterschaft, sondern generell für alle Entscheidungen und Tatbestände, aufgrund derer eine ursprünglich angenommene Vaterschaft nachträglich entfällt. In all diesen Fällen erscheint es sachgerecht, von einem grundsätzlichen Verlust der Staatsangehörigkeit auszugehen, wenn die Person, von der sich nach dem Abstammungsprinzip die Staatsangehörigkeit ausschließlich ableitet, nachträglich als Vater wegfällt. Dies entspricht der bisherigen Praxis hinsichtlich eines Verlusts der Staatsangehörigkeit. Eine Änderung der tatsächlichen Verfahrensweise ist damit nicht verbunden.

Solche weiteren Tatbestände sind im Einzelnen folgende Fälle des nachträglichen Wegfalls des die Staatsangehörigkeit vermittelnden Vaters. Sie setzen eine rechtskräftige Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft nach § 1599 Abs. 1 BGB oder eine sogenannte qualifizierte Drittanerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB voraus:

Für alle genannten Tatbestände ist davon auszugehen, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit mit Art. 16 Absatz 1 Satz 1 GG vereinbar ist und keinen Entzug der Staatsangehörigkeit, also einen Verlust der Staatsangehörigkeit durch hoheitliche Maßnahmen ohne Einflussmöglichkeit durch die Betroffenen darstellt. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit entspringt hier nicht einem einseitigen Willensakt des Staates, sondern ist jeweils Folge der Anfechtung durch Vater, Mutter oder Kind bzw. einer einvernehmlichen Entscheidung in Betracht kommender Väter und der Mutter.

Bei der qualifizierten Drittanerkennung sowie bei Vaterschaftsanfechtungen durch die Mutter bzw. das Kind ist dem Vater bzw. dem Kind oder seiner Mutter bekannt, dass damit ggf. der Verlust der Staatsangehörigkeit verbunden ist. Der Verlust tritt damit bereits mit Willen des Kindes bzw. seiner Eltern ein, so dass ein Entzug der Staatsangehörigkeit schon deswegen nicht vorliegt.

Aber auch bei Vaterschaftsanfechtungen durch den Ehemann der Mutter, der nicht biologischer Vater ist, durch einen Mann, der seine frühere Vaterschaftsanerkennung selbst anficht, weil er nicht biologischer Vater ist und durch den biologischen Vater gegenüber dem rechtlichen Vater ist es das Handeln eines Elternteils und nicht staatliches Handeln ohne Einflussmöglichkeit der Betroffenen, was den Verlust der Staatsangehörigkeit zur Folge hat. Es ist jeweils die Anfechtung des bisherigen rechtlichen Vaters oder des künftigen rechtlichen Vaters, die zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Dieses Handeln ist dem Kind zuzurechnen. Ein Entzug der Staatsangehörigkeit liegt damit nicht vor.

Bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung liegt in der konkreten Ausgestaltung kein Entzug der Staatsangehörigkeit des Kindes vor, da nur Vaterschaftsanerkennungen betroffen sind, die ausschließlich das Ziel der Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile haben. Der Verlust der Staatsangehörigkeit tritt hier nicht ein ohne Einflussmöglichkeiten der Eltern. Das Kind muss sich in einem solchen Fall auch für den späteren Verlust der Staatsangehörigkeit das Verhalten seiner Eltern beim Erwerb der Staatsangehörigkeit zurechnen lassen. Insbesondere ist es den Eltern zuzumuten, auf Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten, die ausschließlich aufenthaltsrechtliche Ziele haben. Ein Verzicht auf derartige Anerkennungen ist eine zumutbare Einflussmöglichkeit auch hinsichtlich eines späteren Verlusts der Staatsangehörigkeit (vgl. BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 1 BvL 6/10 Rn. 37 und 38).

Zu Nummer 1 (§ 17 Absatz 2 Staatsangehörigkeitsgesetz)

Satz 1 Nr. 1 legt fest, dass eine Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, eine qualifizierte Drittanerkennung oder eine Rücknahme eines die Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 StAG begründenden Aufenthaltsrechts nicht den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge haben, wenn sonst Staatenlosigkeit eintreten würde. Die Regelung ist erforderlich um zu verhindern, dass unfreiwillig entgegen Art. 16 Absatz 1 Satz 2 GG Staatenlosigkeit eintritt. Für die anderen neu eingeführten Verlusttatbestände bedarf es keiner derartigen Regelung, weil Rücknahmeentscheidungen und die Feststellung der Nichtigkeit von Verwaltungsakten ausgeschlossen sind, sobald entgegen Art. 16 Absatz 1 Satz 2 GG Staatenlosigkeit eintreten würde.

Satz 1 Nr. 2 regelt, dass bei Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft oder der Rücknahme eines unbefristeten Aufenthaltsrechts als Grundlage für einen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit fortbesteht, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat. Dies entspricht der Regelung im bisherigen § 17 Abs. 3 Satz 1 StAG und trägt dem Ziel Rechnung, einen unverhältnismäßigen Verlust der Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Qualifizierte Drittanerkennungen werden aus tatsächlichen Gründen nur ausnahmsweise von dieser Regelung erfasst sein, da hier das Kind während der Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren sein und die Anerkennung innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung erfolgen muss.

Satz 2 regelt abweichend von Satz 1 Nr. 2 für behördliche Vaterschaftsanfechtungen, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht schon dann fortbesteht, wenn das Kind im Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist, das fünfte Lebensjahr vollendet hat, sondern nur dann, wenn das Kind im Zeitpunkt der Anfechtung nach seinem fünften Lebensjahr die deutsche Staatsangehörigkeit drei Jahre lang innehatte.

Für die behördliche Vaterschaftsanfechtung mit der Rechtsfolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit ergeben sich zusammengefasst damit folgende zeitliche Begrenzungen:

Zu Nummer 1 (§ 17 Absatz 3 Staatsangehörigkeitsgesetz)

Absatz 3 regelt entsprechend dem bisherigen § 17 Absatz 2 StAG, dass die Rücknahme und Feststellung der Nichtigkeit bei Verwaltungsakten, die Dritten einen gesetzlichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eröffnet haben, bei diesen nicht zum Verlust der Staatsangehörigkeit führen, wenn sie das fünfte Lebensjahr vollendet haben. Für die Fälle des neuen § 17 Absatz 1 Nr. . 9 und 11 StAG gilt Absatz 2 als Spezialregelung.

Zu Nummer 2 Buchstabe a)

In § 35 StAG werden die rücknahmefähigen Verwaltungsakte klarstellend erweitert um die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit. Die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 29 Absatz 6 und § 30 StAG stellt einen die deutsche Staatsangehörigkeit ggf. selbstständig begründenden Verwaltungsakt dar. Er kann bislang nach den Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts zurückgenommen werden. Es gelten hier jedoch die gleichen einschränkenden Maßgaben, die § 35 StAG auch für die Rücknahme von Einbürgerungen vorsieht. Durch die Aufnahme in § 35 StAG wird das deutlich gemacht. Gleichzeitig ist durch die Verweisung im neuen § 17 Absatz 1 Nr. 8 StAG auf den neu gefassten

§ 35 StAG ein Verlustgrund für die Staatsangehörigkeit ausdrücklich normiert und entsprechend den Anforderungen des Art. 16 Absatz 1 Satz 2 GG dem Gebot des Gesetzesvorbehalts Rechnung getragen.

Zu Nummer 2 Buchstabe b)

Auch für die Rücknahme einer rechtswidrigen Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit wird eine absolute Frist von fünf Jahren nach Bekanntgabe des Bescheids festgesetzt.

Zu Artikel 3

Die geplanten gesetzlichen Regelungen ermöglichen den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit und schränken damit das Recht aus Art. 16 Absatz 1 GG ein. Aufgrund Art. 19 Absatz 1 Satz 2 ist deswegen das eingeschränkte Grundrecht namentlich zu nennen.

Zu Artikel 4

Artikel 4 regelt das Inkrafttreten. Ein längerer Vorlauf für die Verwaltung zur Umsetzung der Regelungen ist nicht geboten, da auf bisherige Erfahrungen zurückgegriffen werden kann. Ein möglichst umgehendes Inkrafttreten ist anzustreben, da auch in offensichtlichen Missbrauchsfällen behördliche Anfechtungen von Vaterschaftsanerkennungen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes wirksam wurden, verfassungsrechtlich ausgeschlossen sind.