Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe
(Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG)

908. Sitzung des Bundesrates am 22. März 2013

A

Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) empfehlen dem Bundesrat, gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 5a - neu - (§ 89d SGB VIII)

In Artikel 1 ist nach Nummer 5 folgende Nummer 5a einzufügen:

'5a.

§ 89d wird wie folgt gefasst:

" § 89d Kostenerstattung bei Leistungen oder vorläufigen Maßnahmen nach der Einreise

Begründung:

Die Formulierung beruht auf den Beratungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und orientiert sich an einem Vorschlag des Abschlussberichts der Expertengruppe zu dem seitens des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt "Neuregelung der Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit und Kostenerstattung in der Kinder- und Jugendhilfe" vom 27. Januar 2010, der ein zweistufiges Verfahren der Kostenerstattung vorsieht.

Die Abfolge der Regelungen in den einzelnen Absätzen wurde der neuen Systematik (Stufe 1: Absätze 1 bis 3; Stufe 2: Absätze 4 und 5) angepasst.

Absatz 1 regelt die Voraussetzungen für die Kostenerstattung. Erfasst werden neben den bereits in § 89d Absatz 1 SGB VIII der bisherigen Fassung enthaltenen Tatbeständen (Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a und b) künftig auch die Fälle, in denen sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt dieser Person in einer gemäß § 89e SGB VIII geschützten Einrichtung, anderen Familie oder sonstigen Wohnform richtet. Hintergrund ist die Tatsache, dass junge Menschen im Einzelfall schon während der zunächst erfolgten Inobhutnahme einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen können, wenn bereits während der Inobhutnahme feststeht, dass diese durch eine längerfristig angelegte Jugendhilfeleistung im selben Jugendamtsbereich abgelöst werden soll. Handelt es sich nicht um Asylsuchende im Sinne von § 86 Absatz 7 SGB VIII, wären diese Fälle nicht von § 89d SGB VIII erfasst, weil sich für die Anschlusshilfe die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des jungen Menschen vor Beginn der Leistung, also in der (Inobhutnahme-)Einrichtung, richtet (§ 86 Absatz 4 SGB VIII).

Absatz 2 bestimmt nach dem Konzept des zweistufigen Modells die Kostenerstattungspflicht des Landes, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört. Die Länder kennen die regionalen Besonderheiten (zum Beispiel: Flughafen, Autobahn ins Ausland, typische Herkunftsländer) und können die Fälle besser einschätzen. Dies trägt zu einer besseren Vorhersehbarkeit der Kosten bei. Darüber hinaus wird eine einheitliche Bearbeitung für die örtlichen Träger und zuständigen Landesbehörden möglich. Dies führt zu einer Reduzierung des Verwaltungsaufwands.

Absatz 3 enthält nähere Regelungen zum Fortbestand beziehungsweise zum Ende der Erstattungspflicht sowie eine Kollisionsnorm bei konkurrierenden Erstattungspflichten und fasst damit die bisher in Absatz 1 Satz 3, Absatz 4 und 5 enthaltenen Regelungen zusammen.

In Absatz 4 wird entsprechend dem Ergebnis der Beratungen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Örtliche Zuständigkeit und Kostenerstattung" ein jährlicher Belastungsausgleich zwischen den Ländern auf der Grundlage des Königsteiner Schlüssels vorgeschrieben, in den neben den Aufwendungen im Bereich der Kostenerstattung nach Absatz 1 (Satz 2 Nummer 1) - wie bisher im einstufigen Modell - auch die Kosten der überörtlichen Träger für Leistungen an Deutsche im Ausland (Satz 2 Nummer 2) einfließen.

In Absatz 5 werden die Aufgaben des Bundesverwaltungsamts zum Ausgleich der Belastungen näher geregelt. Den zahlungspflichtigen Ländern wird eine Frist gesetzt.

2. Zu Artikel 1 Nummer 5b - neu - (§ 89h SGB VIII)

In Artikel 1 ist nach der neuen Nummer 5a folgende Nummer 5b einzufügen:

'5b.

§ 89h wird wie folgt gefasst:

" § 89h Übergangsvorschrift

Begründung:

Die Übergangsregelung unterscheidet zwischen den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung (1. Januar 2014) noch laufenden Fällen (Absatz 1) und den Belastungen der Länder, die sich aus den bis dahin leistungsmäßig abgeschlossenen, aber finanziell noch nicht ausgeglichenen Fällen ergeben (Absatz 2 und 3).

Nach Absatz 1 sollen die (am 1. Januar 2014) noch laufenden Fälle nach altem Recht abgeschlossen werden, so dass die Erstattungspflicht des vom Bundesverwaltungsamt bestimmten Landes gegenüber dem örtlichen Träger bis zur Beendigung der Hilfe bestehen bleibt. Die Belastungen der Länder, die in der Zeit nach dem 1. Januar 2014 durch Zahlungen auf der Grundlage einer Bestimmung durch das Bundesverwaltungsamt an die erstattungsberechtigten örtlichen Träger entstehen, werden jedoch (bis zum Ende der Leistung beziehungsweise Inobhutnahme) bereits im neuen Belastungsvergleich nach § 89d SGB VIII auf der Stufe 2 berücksichtigt.

Nach Absatz 2 werden Belastungen, die sich für die Länder bis zum 31. Dezember 2013, dem Tag vor Inkrafttreten der Neuregelung, ergeben haben, in einem gesonderten Abschluss-Belastungsausgleich berücksichtigt. Damit werden die alten Belastungen beziehungsweise Verpflichtungen nicht in das neue zweistufige Verfahren einbezogen. Für die zahlungspflichtigen Länder wird eine Frist bestimmt.

Absatz 3 bestimmt, dass es eines Ausgleichs bedarf, der nach Maßgabe von Absatz 3 durch das Bundesverwaltungsamt vorzunehmen ist, wenn die Zahlungsverpflichtungen und Ausgleichsansprüche der Höhe nach auseinanderfallen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb - neu - (§ 93 Absatz 1 Satz 5 - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 7 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:

'a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Mit der Heranziehung des Kindergeldes durch einen eigenständigen Heranziehungsbescheid entsteht ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Dieser könnte durch eine Ergänzung des § 94 Absatz 3 Satz 2 SGB VIII zum Teil kompensiert werden, wenn das dort für die Überleitung des Kindergeldes benannte Kostenerstattungsverfahren durch die Familienkasse nach § 74 Absatz 2 EStG in einen gesetzlichen Forderungsübergang (cessio legis) umgewandelt würde.

Grundsätzlich ist ein Erstattungsanspruch nach § 74 Absatz 2 EStG bisher immer erst dann zu realisieren, wenn der Jugendhilfeträger gegenüber der Familienkasse nachweisen kann, das der Kostenbeitragspflichtige seiner Zahlungspflicht in Höhe des Kindergeldes nicht nachkommt und entsprechend angemahnt wurde. Daraus resultieren in der Regel Zahlungsverzögerungen, Einnahmeverluste und zusätzlicher Verwaltungsaufwand.

4. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe c (§ 93 Absatz 4 und Absatz 5 - neu- und 6 - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 7 ist Buchstabe c wie folgt zu fassen:

'c) Folgende Absätze 4 bis 6 werden angefügt:

Begründung:

Der vorgelegte Gesetzentwurf will die Einkommensermittlung zur Kostenheranziehung normieren. Um diese Intention ohne eine Aufblähung des Verwaltungsverfahrens umsetzen zu können, ist jedoch ein regelhaftes Zurückgreifen auf das Durchschnittseinkommen des bereits abgeschlossenen Kalenderjahres ungeeignet.

Bei unselbständig Beschäftigten mit regelmäßig gleichbleibendem Einkommen ermöglicht das eine einfache Feststellung des Durchschnittseinkommens. Aktuelle Veränderungen, zum Beispiel durch langfristige Krankheit oder Arbeitslosigkeit, werden offenbar und können berücksichtigt werden.

Mit der vorstehenden Formulierung wird darüber hinaus die bisher fehlende Möglichkeit zum Erlass eines vorläufigen Kostenbeitragsbescheides auf Grundlage der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragspflichtigen geschaffen. Dies wäre insbesondere wegen der oft beträchtlich schwankenden Einkommen Selbständiger von Bedeutung und würde sicher zu einer höheren Akzeptanz der Bescheide und damit zu weniger strittigen Verfahren führen.

5. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 98 Absatz 1 Nummer 10 SGB VIII) und Nummer 10 Buchstabe f (§ 99 Absatz 8 einleitender Satzteil und Nummern 2, 3 und 5 SGB VIII)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Das Handlungsfeld der Kinder- und Jugendarbeit ist auf belastbare Daten für eine empirische Dauerbeobachtung angewiesen. Eine Umstellung der Kinder- und Jugendhilfestatistik im Bereich der Jugendarbeit auf eine reine Angebotserhebung bei den Anbietern ohne Bezug zur Förderung muss jedoch als unrealistisch, nicht umsetzbar und in diesem Sinne als nicht zielführend bewertet werden. Es ist weiterhin erforderlich, bei der statistischen Erhebung die Angebote abzubilden, die über die öffentliche Förderung erfasst werden können, weil hierdurch die Mehrfacherfassung vermieden werden kann und die Auskunftspflichtigen eindeutig erreicht werden.

Um die Kinder- und Jugendarbeit in ihrer gesamten thematischen Breite und ihrer Wirkung als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe an alle jungen Menschen abzubilden, werden zusätzlich zur Bundesstatistik qualitative Erhebungsmethoden zur Evaluation von Jugendarbeit für erforderlich gehalten.

6. Zu Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe f (§ 99 Absatz 8 Nummer 2 und 4 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe f ist § 99 Absatz 8 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die im Gesetzentwurf in Artikel 1 Nummer 10 in § 99 Absatz 8 Nummer 2 SGB VIII vorgesehene Erfassung der Schulart ist zu streichen; es handelt sich hierbei um kein geeignetes Erhebungsmerkmal.

Die im Gesetzentwurf in Artikel 1 Nummer 10 in § 99 Absatz 8 Nummer 4 SGB VIII vorgesehene Erfassung des Alters der Teilnehmenden und Besucher würde den offenen Charakter von Angeboten der Jugendarbeit konterkarieren; auf reinen Schätzungen beruhende Altersangaben führten zu einer Verfälschung der Statistik. Das Alter ist deshalb als Erhebungsmerkmal zu streichen.

7. Zu Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (§ 102 Absatz 2 Nummer 6 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe b ist Doppelbuchstabe bb zu streichen.

Begründung:

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beschränkung der Auskunftspflichtigen auf den Kreis der anerkannten Träger der freien Jugendhilfe wird zu einer Verschlechterung der Datenlage im Feld der Kinder- und Jugendhilfestatistik im Bereich der Jugendarbeit führen. Regelhaft wird ein großer Anteil der örtlichen Angebote von nicht anerkannten Trägern der Jugendarbeit erbracht. Die vorgenommene Eingrenzung ist daher abzulehnen. Die Streichung des Änderungsvorschlags wird vorgeschlagen. Die bisherige Regelung soll damit weiterhin unverändert gelten.

8. Zu Artikel 3 Absatz 1 (Inkrafttreten)

In Artikel 3 Absatz 1 ist das Wort "dritten" durch das Wort "sechsten" zu ersetzen.

Begründung:

Es ist eine Frist von mindestens sechs Monaten in Bezug auf die Änderungen im Kostenbeitragsrecht notwendig, weil die Neuberechnung von Kostenbeiträgen erfahrungsgemäß mit erheblichem Verwaltungs- und Zeitaufwand verbunden ist. Wegen der neuen Systematik werden die Jugendämter jeden Fall neu berechnen müssen.

B