Der Bundesrat hat in seiner 899. Sitzung am 6. Juli 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 271a Absatz 1, 2 und 2a - neu - BGB)
In Artikel 1 Nummer 1 ist § 271a wie folgt zu ändern:
- a) In Absatz 1 sind die Wörter "oder um mehr als 60 Tage nach Empfang der Gegenleistung" zu streichen.
- b) Absatz 2 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Satz 1 sind die Wörter "oder um mehr als 30 Tage nach Empfang der Gegenleistung" zu streichen.
- bb) In Satz 2 sind die Wörter "oder um mehr als 60 Tage nach Empfang der Gegenleistung" zu streichen.
- c) Nach Absatz 2 ist folgender Absatz 2a einzufügen:
(2a) Ist in Fällen der Absätze 1 oder 2 der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufstellung unsicher oder erhält der Schuldner die Gegenleistung erst nach diesem Zeitpunkt, so ist für den Fristbeginn der Zeitpunkt des Empfangs der Gegenleistung maßgeblich."
Begründung:
Die Regelungen in § 271a Absatz 1 und 2 BGB-E, die die Überschreitung bestimmter Zahlungshöchstfristen bei Entgeltforderungen an weitere Voraussetzungen binden, unterscheiden als Fristanknüpfungspunkte den Rechnungserhalt und den Empfang der Gegenleistung (Lieferung). Im Gegensatz zur Richtlinie 2011/7/EU enthalten sie allerdings keine Aussagen zur praktisch wichtigen Frage des Rangverhältnisses dieser Anknüpfungspunkte.
Würde man in Fällen, in denen die Rechnung schon vor Erbringung der Gegenleistung gestellt wird, die Zahlungsfrist an dieses Ereignis anknüpfen, könnte das im Extremfall zur Folge haben, dass der Schuldner in Verletzung des Synallagmas das Entgelt bereits vor Erhalt der Gegenleistung entrichten müsste. Die Richtlinie 2011/7/EU hat dieses Problem gesehen und in Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b Ziffer ii und iii und in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer ii und iii ein Rangverhältnis der Fristanknüpfungspunkte vorgesehen. Die Begründung des Gesetzentwurfs (BR-Drs. 306/12 (PDF) , S. 13) geht zu Recht davon aus, dass diese Vorgaben auch für das Umsetzungsgesetz maßgeblich sind. Dann sollte die Umsetzung der Richtlinie sie dem Rechtsanwender auch ausdrücklich zur Verfügung stellen.
Nachdem der Fall eines Rechnungszugangs mit oder nach Lieferung den praktischen Regelfall darstellt, sollten die Ausnahmefälle des ungeklärten Rechnungszugangszeitpunktes bzw. der Rechnungstellung vor Lieferung aus Gründen der Lesbarkeit und Verständlichkeit in einen gesonderten Absatz ausgelagert werden (Absatz 2a).
2. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 271a BGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Regelung des § 271a BGB-E Klarstellungsbedarf im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auslöst.
Begründung:
Nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Absatz 2 Nummer 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Den Vorschriften des dispositiven Rechts kommt bei der Frage, ob eine Allgemeine Geschäftsbedingung den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, mithin Leitbildfunktion zu. Aus den dispositiven Vorschriften des allgemeinen und besonderen Schuldrechts folgt bislang in vielen Fällen, dass die Entgeltforderung mit oder jedenfalls in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zum Empfang der Gegenleistung fällig wird, z.B. Bewirken der Leistungen Zug-um-Zug (§ 320 BGB), Fälligkeit der Vergütung bei Abnahme oder Vollendung des Werkes (§§ 641 Absatz 1, 646 BGB). Es widerspräche Sinn und Zweck der umzusetzenden Richtlinie und des vorliegenden Gesetzentwurfs, wenn durch die in § 271a BGB-E vorgesehene Regelung dieses Leitbild verwässert und der AGB-rechtliche Schutz der Gläubiger von Entgeltforderungen in der Folge insoweit verschlechtert würde. Dies gilt umso mehr, als die in § 271a BGB-E genannten Fristen Auftraggeber geradezu dazu einladen dürften, sie in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu übernehmen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe c (§ 288 Absatz 5 Satz 2 BGB)
In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe c ist § 288 Absatz 5 Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Eine Vereinbarung, die diesen Anspruch ausschließt, ist unwirksam."
Begründung:
Nach § 288 Absatz 5 Satz 2 BGB-E wird bei einer Vereinbarung, die den Anspruch auf Zahlung einer Pauschale nach Satz 1 der Vorschrift ausschließt, vermutet, dass sie gegen die guten Sitten verstößt. Die Regelung dient der Umsetzung von Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 2011/7/EU.
Statt einer Vermutung der Sittenwidrigkeit sollte die Unwirksamkeit eines solchen Ausschlusses normiert werden. So würde der "Umweg" über eine gesetzliche Vermutung erspart. Die Vorschrift wäre klarer und praktisch besser handhabbar. Die Verschärfung gegenüber den Richtlinienvorgaben, wonach ein "grober Nachteil" vermutet wird, ist angesichts des Mindestharmonisierungsansatzes der Richtlinie 2011/7/EU (Artikel 12 Absatz 3) zulässig.
4. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe c (§ 288 Absatz 5 Satz 3 BGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Regelung über die Anrechnung der Pauschale in § 288 Absatz 5 Satz 3 BGB-E dahingehend zu prüfen, ob eine Anrechnung lediglich auf interne Gläubigerkosten erfolgen soll.
Begründung:
Die Anrechnungsvorschrift in § 288 Absatz 5 Satz 3 BGB-E erscheint diskussionswürdig.
Nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB-E erhält der Gläubiger mit Eintritt des Verzuges einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages von 40 Euro zum Ausgleich interner Kosten. Dieser verbleibt dem Gläubiger effektiv wirtschaftlich, wenn der Schuldner - womöglich zunächst unbemerkt - einen Tag zu spät zahlt. Dem Gläubiger, der den vertragsuntreuen Schuldner mehrfach mahnen und die Forderung schließlich einklagen muss, verbleibt der pauschalierte Betrag hingegen effektiv nicht, da die Pauschale auf die weiteren Kosten der Rechtsverfolgung angerechnet wird.