Beschluss des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen

A. Problem und Ziel

Die Kommunen sind gegenwärtig mit der Bewältigung der stark angestiegenen Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland konfrontiert. Die aktuellen Zuwanderungszahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lassen vermuten, dass mindestens 200 000 Flüchtlinge in diesem Jahr in die Bundesrepublik kommen werden. Die Bereitstellung von Unterkünften für diese Menschen, die oft aus Krisengebieten nach Deutschland kommen, stellt in Ballungszentren mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt ein großes Problem dar. Flächen, die zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum für den Wohnungsbau benötigt werden, stehen im Regelfall nicht zur Verfügung. Die zeitnahe Nutzung anderer Flächen scheitert vielfach an planungsrechtlichen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund sind gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen eines zeitlich befristeten Maßnahmengesetzes im Bereich des Bauleitplanungsrechts und der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern dringend geboten, mit deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaffung von öffentlichen Unterbringungseinrichtungen zeitnah ermöglicht und gesichert wird.

B. Lösung

Erlass eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen (Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz).

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte

Keine.

E. Sonstige Kosten

Keine.

F. Bürokratiekosten

Keine.

Beschluss des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen

Der Bundesrat hat in seiner 925. Sitzung am 19. September 2014 beschlossen, den in der Anlage beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen (Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz)

§ 1 Grundsätze der Bauleitplanung

Bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen nach dem Baugesetzbuch sind die Belange von Flüchtlingen, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, insbesondere deren Unterbringung, zu berücksichtigen.

§ 2 Zulässigkeit von Vorhaben

Artikel 2
Sonderregelung der Länder

Die besonderen Vorschriften des Artikels 1 gelten im Rahmen ihres Anwendungsbereichs ergänzend zu den Vorschriften des Baugesetzbuchs, soweit dies durch Landesgesetz bestimmt wird. Ein solches Landesgesetz muss bestimmen, dass die Maßgaben nach Artikel 1 § 2 Absatz 4 frühestens drei Monate nach Verkündung gelten. Länder, die dem § 246 Absatz 5 des Baugesetzbuches unterfallen, dürfen von der Regelung des Satzes 2 abweichen. Das Verfahren für die Änderung von Bebauungsplänen nach Artikel 1 § 2 Absatz 4 kann vor dem Inkrafttreten des Landesgesetzes eingeleitet werden.

Artikel 3
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und am 31. Dezember 2019 außer Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

Viele Kommunen in Deutschland sind gegenwärtig mit der Bewältigung der stark angestiegenen Zuwanderung von Flüchtlingen konfrontiert. Die aktuellen Zuwanderungszahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lassen vermuten, dass mindestens 200 000 Flüchtlinge in diesem Jahr in die Bundesrepublik kommen werden. Die Bereitstellung von Unterkünften für diese Menschen, die oft aus Krisengebieten nach Deutschland kommen, stellt in Ballungszentren mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt ein großes Problem dar. Flächen, die zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum für den Wohnungsbau benötigt werden, stehen dort im Regelfall nicht zur Verfügung. Die zeitnahe Nutzung anderer Flächen scheitert vielfach an planungsrechtlichen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund sind gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen eines zeitlich befristeten Maßnahmengesetzes im Bereich des Rechts der Bauleitplanung und der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen dringend geboten, mit deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaffung von öffentlichen Unterbringungseinrichtungen zeitnah ermöglicht und gesichert wird. Da die Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen regional nicht in gleicher Weise auftreten, sondern sich vorwiegend auf die Ballungsräume und Wachstumszentren konzentrieren, können die Länder durch Gesetz bestimmen, ob von den erleichternden Regelungen des Maßnahmengesetzes Gebrauch gemacht werden soll.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz)

Artikel 1 enthält die Vorschriften, die für die Geltungsdauer dieses Gesetzes die Anwendung der Vorschriften des Baugesetzbuches ergänzen sollen.

Zu § 1 (Grundsätze der Bauleitplanung)

Die Vorschrift soll sicherstellen, dass den Belangen von Flüchtlingen, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und insbesondere deren Unterbringung bei der Bauleitplanung verstärkt Rechnung getragen wird. Dies hat unter anderem Bedeutung für die Erforderlichkeit entsprechender Bauleitpläne nach § 1 Absatz 3 des Baugesetzbuchs (BauGB).

Zu § 2 (Zulässigkeit von Vorhaben)

Nach Absatz 1 soll das Vorliegen von Gründen des Wohls der Allgemeinheit bei Erteilung von Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 BauGB bei der Errichtung und Erweiterung von Anlagen zur Unterbringung Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie bei der Nutzungsänderung von anderen baulichen Anlagen in Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerber angenommen werden können. Mit der Regelung wird damit das besondere öffentliche Interesse an der Schaffung solcher Anlagen herausgestellt. Dies hat Bedeutung insbesondere für die im Rahmen von Befreiungen notwendige Bewertung der Zumutbarkeit der Befreiung im Verhältnis zu nachbarlichen Interessen und anderen öffentlichen Belangen.

Nach Absatz 2 wird die weitergehende Genehmigungsmöglichkeit des § 34 Absatz 3a BauGB insbesondere bei der Nutzungsänderung bestehender Gebäude im nicht beplanten Innenbereich auch für Vorhaben zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie für deren Erweiterung, Änderung und Erneuerung für anwendbar erklärt.

Absatz 3 soll die Errichtung von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Außenbereich nach § 35 BauGB erleichtern, wenn dies in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgt. Bisher sind solche Unterkünfte im Außenbereich als sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Absatz 2 BauGB nur dann zulässig, wenn ihre Errichtung oder Nutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Damit ist die Errichtung dieser Einrichtungen allenfalls im Ausnahmefall möglich. Gerade in Ballungszentren ist es notwendig, zur Bewältigung der Zuwanderung in geeigneten Fällen auch die sogenannten "Außenbereichsinseln im Innenbereich", also die im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit bebauten Flächen gelegenen Außenbereichsflächen zu nutzen. Um dies zu erleichtern, werden die Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, wenn sie im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs errichtet werden sollen, den teilprivilegierten Vorhaben gleichgesetzt, so dass ihnen entgegenstehende Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans, die natürliche Eigenart der Landschaft oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht entgegengehalten werden können.

Absatz 4 Satz 1 reagiert auf Entwicklungen in der Rechtsprechung, nach denen Flüchtlingsunterkünfte wegen ihrer wohnähnlichen Nutzung mit dem Nutzungszweck von Gewerbegebieten grundsätzlich unverträglich sein sollen und deshalb dort auch nicht im Ausnahmewege genehmigt werden können. Allerdings sieht § 8 Absatz 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) schon immer vor, dass Anlagen für soziale Zwecke auch in Gewerbegebieten ausnahmsweise zugelassen werden können. Absatz 4 stellt nunmehr klar, dass das auch für Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte im Sinne des Asylverfahrensgesetzes gelten soll. Bei der Prüfung, ob eine entsprechende Ausnahme erteilt werden kann, wird jeweils zu prüfen sein, ob die beantragte Flüchtlingsunterkunft mit den jeweils zulässigen Gewerbebetrieben im Gewerbegebiet miteinander verträglich ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Nutzungen im Gewerbegebiet im Hinblick auf ihre Emissionen und verkehrlichen Auswirkungen so gegliedert sind, dass es Bereiche gibt, in denen eine wohnähnliche Nutzung nicht unzumutbar gestört wird und von dieser wohnähnlichen Nutzung auch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für zulässige gewerbliche Nutzungen ausgehen.

Die Sätze 2 und 3 orientieren sich am geltenden § 245a BauGB, der eine ähnliche Rückwirkung für Anlagen zur Kinderbetreuung sowie Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Anlagen regelt. Änderungen der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung gelten grundsätzlich nur für künftige Bebauungspläne und gegebenenfalls unmittelbar dann, wenn es sich im Einzelfall um ein faktisches Baugebiet handelt (vgl. § 34 Absatz 2 BauGB). Mit Satz 2 soll die in Satz 1 geregelte ausnahmsweise Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften in Gewerbegebieten kraft Gesetzes auch auf bereits in Kraft befindliche Bebauungspläne Anwendung finden. Dies erklärt sich zum einen aus dem auch klarstellenden Charakter dieser Änderung, zum anderen aus der grundsätzlichen Bedeutung des damit verfolgten Anliegens. Die Bereitstellung von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften ist eine dringende gesetzliche Aufgabe. Diese Einrichtungen stellen aber wegen ihrer besonderen Eigenarten häufig Fremdkörper in jedem der Baugebiete der BauNVO dar. Standortentscheidungen sind daher sehr stark einzelfallabhängig. Absatz 4 soll eine solche Einzelfallentscheidung auch in Gewerbegebieten ermöglichen.

Soweit in Bebauungsplänen die bisherige ausnahmsweise Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften als Anlagen für soziale Zwecke im Sinne des § 8 Absatz 3 BauNVO durch Festsetzungen nach § 1 Absatz 6 Nummer 1, Absatz 8 und 9 ausgeschlossen worden ist, soll nach Satz 3 die Rückwirkung nach Satz 2 nicht eintreten. Denn in diesem Fall haben die Gemeinden mit einer entsprechenden Festsetzung einen anders lautenden planerischen Willen bekundet, der gesetzlich nicht ignoriert werden soll. Gleichzeitig wird klargestellt, dass solche planerischen Entscheidungen der Gemeinden über den Ausschluss bestimmter Nutzungen auch künftig zulässig sind.

Zu Artikel 2 (Sonderregelung der Länder)

Die Vorschrift regelt, dass die besonderen Vorschriften des Artikels 1 nur dann gelten, wenn und soweit Landesgesetze dies bestimmen. Damit wird den Ländern gleichzeitig die Befugnis eingeräumt, entsprechende Landesgesetze zu erlassen.

Um den Bedürfnissen der kommunalen Planungshoheit Rechnung zu tragen, ist zum einen vorgesehen, dass die Länder die Geltung des Artikel 1 § 2 Absatz 4 nur aufschiebend befristet bestimmen können. Das gibt den Gemeinden hinreichend Zeit, auf die Gesetzesänderung im Rahmen ihrer Planungshoheit zu reagieren. Länder, die dem § 246 Absatz 5 des Baugesetzbuches unterfallen, können insoweit eine abweichende Geltungsregelung treffen. Zum anderen ist vorgesehen, dass Verfahren zur Änderung von Bebauungsplänen bereits vor dem Inkrafttreten des Landesgesetzes eingeleitet werden können. Insbesondere können auch entsprechende Veränderungssperren beschlossen werden.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten, Außerkrafttreten)

Artikel 3 regelt das Inkrafttreten und Außerkrafttreten des Gesetzes. Mit dem Außerkrafttreten des Gesetzes erlöschen die Befugnis der Länder, gesetzliche Regelungen nach Artikel 2 zu treffen, und die Regelungswirkungen der besonderen Vorschriften des Artikels 1, auch wenn sie durch Landesgesetz eingeführt worden sind. Die Laufzeit ist notwendig, damit die Vorschriften ihre erleichternde Wirkung für die Bewältigung der Zuwanderung von Flüchtlingen in die Bundesrepublik entfalten können. Die Praxis muss die Möglichkeit erhalten, sich auf die Neuregelungen einzustellen und sie anzuwenden.