Der Bundesrat hat in seiner 825. Sitzung am 22. September 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz die Vorlage eines "Vorschlags für eine Richtlinie über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik", die als Tochterrichtlinie der EG-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG zu implementieren ist.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission mit dem Richtlinienvorschlag nur einem Teil ihrer Verpflichtungen nach Artikel 16 der EG-Wasserrahmenrichtlinie nachgekommen ist. Der Richtlinienvorschlag beschränkt sich auf die Festlegung von immissionsseitigen Umweltqualitätsnormen. Der Richtlinienvorschlag enthält nicht - wie in Artikel 16 der EU-Wasserrahmenrichtlinie vorgesehen - Vorschläge für spezifische emissionsseitige Maßnahmen zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung durch so genannte prioritäre und prioritär gefährliche Stoffe. Diese sind jedoch vor dem Hintergrund des von der EG-Wasserrahmenrichtlinie geforderten "phasing outs" der prioritär gefährlichen Stoffe dringend notwendig. Die hierzu notwendigen Stoffverbote und -regelungen sind wegen der gebotenen einheitlichen Vorgehensweise in den Mitgliedstaaten auf Ebene der Gemeinschaft festzulegen. Das Subsidiaritätsprinzip ist vor diesem Hintergrund hier nicht sinnvoll anzuwenden.
- 3. Der Bundesrat hält es außerdem für erforderlich, dass auch für punktuelle industriellgewerbliche Einleitungen prioritärer Stoffe, die nicht der IVU-Richtlinie unterliegen die Anwendung der besten verfügbaren Techniken (BAT) europaweit festgelegt wird. Durch die Verwirklichung dieses "kombinierten Ansatzes" sind in Deutschland bereits sehr große Fortschritte bei der Minderung von Stoffeinträgen in die Gewässer erreicht worden. Das von der Kommission angeführte Kostenargument, nach dem bei europaweit einheitlicher Festlegung deutlich höhere Kosten entstehen als bei Festlegung von Minderungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten, kann vor dem Hintergrund der IVU-Richtlinie sowie zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen nicht nachvollzogen werden.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Kommission aufzufordern, ihrem Anspruch an kohärente EU-Politiken nachzukommen und für die einzelnen Stoffe konkret darzustellen, welche europaweiten Regeln für die entsprechenden Stoffe in anderen Politikbereichen gelten und wie noch bestehende Regelungslücken gefüllt werden sollen.
- 5. Bei verschiedenen Stoffen sind für die Umweltqualitätsnormen andere Werte festgelegt worden, als diese im bisherigen fachlichwissenschaftlichen Verfahren (Technical Guidance Dokument) abgeleitet worden sind. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, von der Kommission entsprechende Erläuterungen für die Abweichung von den zunächst fachlich abgeleiteten Werten einzufordern und sich für eine Festlegung der Qualitätsnormen nach einem für alle prioritären Stoffe einheitlichen Konzept einzusetzen.
- 6. Der Bundesrat lehnt die Einführung einer verbindlichen und vollzugsrelevanten Messpflicht und die Festlegung von Umweltqualitätsnormen für Biota und Sedimente, die in Artikel 2 Abs. 2 und 3 gefordert werden, ab - zumindest für den Bereich der Binnengewässer -. Dies erfolgt unter Verweis auf den damit verbundenen, von den Ländern zu tragenden Messaufwand sowie die bestehenden sehr großen fachlichen Unsicherheiten bezüglich der Bewertung solcher Daten und der Konsequenzen von Normüberschreitungen. Diese Ablehnung erfolgt auch vor dem Hintergrund, dass gemäß dem Technical Guidance Dokument immissionsseitige Umweltqualitätsnormen bereits unter Berücksichtigung von Bioakkumulationseffekten abgeleitet worden sind.
- 7. Der Bundesrat lehnt die formalen Festlegungen zur Eingrenzung von Übergangszonen der Überschreitungen ab. Die Einhaltung von Umweltqualitätsnormen wird konform zur EG-Wasserrahmenrichtlinie und zum Richtlinienvorschlag, Anhang I Teil C, an repräsentativen Messstellen überwacht. Die Festlegung von Übergangszonen erübrigt sich damit. Das in Artikel 3 Abs. 2 beschriebene Verfahren würde zu enormem Vollzugs- und Berichtsaufwand führen der seitens der Länder keinesfalls geleistet werden kann. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich für eine Streichung von Artikel 3 Abs. 2 einzusetzen.
- 8. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die in Artikel 4 geforderte Bestandsaufnahme der Emissionen, Einleitungen und Verluste entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip und mit Blick auf den schonenden Umgang mit vorhandenen Ressourcen nur in aggregierter Form auf der Grundlage vorhandener Daten erfolgen kann. Darüber hinaus ist der Zeitplan für die Erstellung der Bestandsaufnahme auf den Zeitplan der Wasserrahmenrichtlinie abzustimmen.
- 9. Zuletzt weist der Bundesrat darauf hin, dass der Richtlinienvorschlag noch handwerkliche Fehler enthält, insbesondere sind für als Stoffgruppen festgelegte prioritäre Stoffe im Anhang I Leitparameter festzulegen, wobei die für einen Teil dieser Stoffe bereits im Anhang II getroffenen Regelungen zu übernehmen sind. Außerdem ist in einigen Punkten eine Konkretisierung, ggf. durch Technische Dokumente, erforderlich (Hintergrundkonzentrationen, Umgang mit Konzentrationen kleiner Bestimmungsgrenze usw.).
- 10. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass in der Richtlinie eine Formulierung aufgenommen wird, die entsprechend Erwägungsgrund 12 darauf hinweist, dass in Gewässern, die für die Trinkwasserentnahme genutzt werden, ggf. strengere Normen vorzusehen sind.